Du brauchst kein Produkt, du brauchst einen Kanal
Es ist Montagmorgen. Du liest die Blaupause, den Newsletter, mit dem du Communitys besser verstehst und erfolgreich Mitgliedschaften anbietest. Diese Woche: 5 Tipps für Medien-Gründer:innen, die nichts falsch machen wollen.
Warum Allianzen bei Erlösmodellen immer wichtiger werden
Die Medienbranche rückt zusammen. Allianzen spielen vor allem bei der Optimierung von Erlösen aus Anzeigen und Werbung eine immer größere Rolle, zeigt die neue Studie „Erlösmodelle journalistischer Medienunternehmen” von XPLR: MEDIA in Bavaria. Jetzt downloaden und alle Insights bekommen!
Hallo!
Eine der Veränderungen, die der amerikanischen Wahlkampf gerade hervorbringt, ist die neue Bedeutung von unabhängigen Creators und ihr Einfluss auf die öffentliche Meinung. Wer diese Wahl gewinnen wird hängt möglicherweise davon ab, ob Kamala Harris wie Trump einen halben Tag ihres Wahlkampfes investiert, um nach Texas zu fliegen und Rogans Studio zu besuchen. Atemberaubend arrogant dessen Begründung, warum er zwar mit Trump redete, Harris aber bisher nicht zu Wort kam: Sie habe sich geweigert, zu ihm zu reisen.
Dagegen scheint es unwichtig, welches Endorsement die Washington Post veröffentlicht hätte. Genau das hat der Milliardär und Zeitungsbesitzer Jeff Bezos zwar verboten, und es fällt schwer, diese Entscheidung so kurz vor der Wahl nicht für Opportunismus zu halten. Aber ist es nicht erstaunlich, wie wenig davon eigentlich abhängt? (Außer der Freiheit von Journalist:innen, ihre Meinung eigenen Medium zu sagen, das einem Milliardär gehört, der Businessinteressen hat.)
https://www.washingtonpost.com/opinions/2024/10/28/jeff-bezos-washington-post-trust/ (Opens in a new window)Es ist nicht davon auszugehen, dass irgendein Wähler aufgrund der Empfehlung der Washington Post seine Wahlentscheidung geändert hätte, wie Bezos es in seiner Begründung des Artikels richtig schreibt. Wen die Millionen Rogan-Hörer:innen wählen, hängt aber durchaus von den Interviews ab, in denen sich Kandidat Trump als netter Bro zeigen darf.
Die neue Öffentlichkeit
Worauf ich hinaus will: Der strukturelle Wandel der Öffentlichkeit ist eindeutig nochmal ein paar große Schritte vorangegangen in den letzten Wochen und Monaten; von großen institutionellen Medienmarken mit langer Tradition und einer professionellen Struktur hin zu unabhängigen Creators und Medienmacher:innen, die nicht auf einer Sachebene berichten, sondern Emotionalität, Persönlichkeit, Authentizität – "Vibes" – transportieren.
Ich bin im Herzen noch immer Journalist und arbeite gleichzeitig seit vielen Jahren daran, diesen Prozess zu beschleunigen, um neue Strukturen zu etablieren, noch während die alten zunehmend zerkrümeln. Deshalb halte ich es nicht grundsätzlich für problematisch, dass auch in Deutschland immer mehr Medien in Schwierigkeiten geraten. Die wirtschaftlichen Bedingungen ändern sich, weil das Publikum heute andere Dinge erwartet und neue Wege sucht, die Welt zu verstehen. Diese Veränderungen eröffnen auch Chancen, etwas Besseres und Nachhaltigeres zu finden.
Was Mediengründer:innen immer wieder falsch machen
Was ich mir aber wünschen würde, ist, dass dieser Wandel zielgerichteter verläuft. Oft schon habe ich Unterhaltungen mit Kolleg:innen aus dem Journalismus geführt, die so frustriert sind über die herrschenden Verhältnisse in ihrem Verlag oder ihrem Medium, dass sie gemeinsam mit ihrem Publikum etwas neue aufbauen – weil sie wollen oder weil sie müssen.
Für mich sind solchen Gespräche anstrengend. Toll finde ich die Chance, etwas Neues zu schaffen, das nachhaltiger funktioniert und eine wirtschaftliche Zukunft hat. Gleichzeitig weiß ich, was trotz des Gesprächs anschließend alles schiefgehen wird. Offenbar muss jeder die gleiche Fehler nochmal selbst machen, statt mir zu glauben. Wie gesagt: anstrengend.
5 Tipps, damit du nichts falsch machst
Deshalb hier 5 Ratschläge, falls du aus den Trümmern eines kollabierenden Mediums oder dem Frust einer Kündigung etwas schaffen willst, das einen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wert stiftet.
Tipp 1: Vergiss die Webseite
Möglicherweise gehst du davon aus, dass eine Webseite, auf der du deine Inhalte veröffentlichen kannst, das das Produkt ist, das du verkaufst. Das ist ein Missverständnis.
Ich setze voraus, dass es ein Problem gibt, das eine Gruppe von Menschen hat, und dass du eine Idee hast, wie du dieses Problem lösen kannst. Das ist ein Wertversprechen. Ohne das geht es nicht. Wie du dieses Wertversprechen in ein Produkt gießt, ist heutzutage nicht mehr die eigentliche Herausforderung. Die eigentliche Herausforderung ist es, einen direkten Kanal zu diesem Publikum aufzubauen. Das wird immer schwieriger, und deswegen gibt es immer weniger Medien, die eine gewisse Größe haben.
Bisher konntest du dich darauf verlassen, dass jemand anderes dafür zuständig ist, den Leuten deine Inhalte vorzusetzen (irgendjemand anderes im Verlag). Jetzt hast du ein anderes Problem: Niemand kriegt die Inhalte, die du produzieren willst, zu Gesicht. Niemand wird die Webseite besuchen, in die du so viel Arbeit investieren willst und im Zweifel auch Geld. Und niemand sucht ein Produkt, wie du es von deinem etablierten Verlag kennst. Diese super aufwendigen CMS, Subscription-Management-Systeme, Ad-Server, A/B-Testing-Tools, und all der Ballast, den so ein Verlag in den letzten 20, 30 Jahren aufgetürmt hat. All das brauchst du nicht, nicht am Anfang.
Tipp 2: Investiere alle Energie in den Kanal
Am Anfang gilt: Du brauchst kein Produkt, du brauchst einen Kanal. Kümmere dich also nicht um das Produkt. Kümmere dich um den Kanal.
Es liegt vielleicht nahe, dass du dein zahlendes Publikum auf Social Media suchst. Das war vor zehn Jahren vielleicht mal ein Konzept. Das ist es heutzutage nicht mehr. Damals konnte man auf Facebook und Twitter Links verbreiten. Heutzutage kannst du keine Links mehr pushen. Bei Instagram, TikTok und YouTube klickt niemand auf Links. Denn diese Plattformen haben ein eigenes Interesse daran, dass ihre User bei ihnen bleiben und ihre Inhalte nur dafür nutzen, um Werbeflächen durch Content zu unterbrechen. Sie wollen nicht, dass du die Leute auf deine Webseite ziehst. Sie wollen, dass die Leute da bleiben. Und darin sind sie sehr, sehr gut. Sie haben dafür ihre Technologien perfektioniert.
Social Media ist als Vermarktungskanal weiter wichtig. Aber auf diesem Kanal solltest du nicht dein Produkt vermarkten, denn die Leute werden es nicht nutzen und schon gar nicht dafür zalen. Was du stattdessen tun solltest, ist, einen eigenen Kanal zu bewerben. Das Einfachste: E-Mail-Adressen einsammeln. Denn nur wenn du diese Community an Leuten, die dieses Problem haben, für die du eine Lösung anbietest, direkt kontaktieren kannst, ihnen eine Nachricht ins Gesicht pushen kannst, hast du eine Chance, etwas wirtschaftlich Nachhaltiges aufzubauen.
Tipp 3: Mach alles selbst
Mach dich nicht abhängig von Leuten, die etwas können, was du nicht kannst. Versuch, alles selbst zu machen, zumindest am Anfang. Du kennst sicher diesen Kumpel, der sich gut mit WordPress auskennt, der das Ganze in null Komma nichts aufgesetzt hat und "nur sechs Wochen Budget" braucht, um dir ein komplettes CMS aufzusetzen, pipapo.
Mach dich nicht abhängig von so jemandem. Selbst wenn der nett ist und es gut meint: auch der wird später anderes zu tun haben, und du wirst ihn entweder finanzieren müssen oder auf seinen guten Willen angewiesen sein.
Nutze stattdessen Technologien, die du selbst bedienen kannst. Und das meine ich ganz genau so, denn das geht. Klar kannst du dir etwas Hilfe holen, wenn du nicht weiterkommst, aber du musst 100 Prozent selbst in der Lage sein, dein Produkt zu bearbeiten und zu verändern. Sonst kannst du daran scheitern, von anderen abhängig zu sein.
Tipp 4: Sei ein Profi
Nimm dich selbst ernst. Wenn du ernsthaft daran arbeitest, ein Unternehmen aufzubauen, das auf deinen Inhalten basiert, dann musst du dich als erstes um dich selbst kümmern.
Du brauchst ein Einkommen, und das muss in der Anfangszeit jemand anderes bezahlen als deine Kund:innen. Diese Anfangszeit musst du irgendwie vorfinanzieren, sonst geht dir die Puste aus. Du brauchst Essen, Urlaub, neue Schuhe, ein Bahnticket, Internet. Also wirst du Dinge tun, um Geld zu verdienen und kannst in dieser Zeit nicht an deinem eigentlichen Projekt arbeiten können. Das wäre nicht professionell.
Denk also an dich selbst und dein Wohlergehen, aber sei auch diszipliniert. Erlaube dir nicht, dem Glitzer nachzulaufen. Glitzer sind diese unwichtigen Dinge, die Spaß machen. Zum Beispiel: eine Webseite, die hübsch aussieht auf deinem Desktopcomputer, obwohl 80 Prozent der Leute sie auf ihrem Handy sehen werden; Kooperationen, die am Anfang wahrscheinlich nirgendwo hinführen, weil es nichts gibt, das du anbieten könntest. Das Büro, die Unternehmensgründung, den Gesellschaftervertrag und all der Quatsch, der zwar irgendwann nötig ist, aber erst dann, wenn du deine eigentliche Aufgabe erledigt hast.
Nämlich: Auf welchem Kanal verkaufst du zu einer Lösung für ein Problem, das viele Leute haben?
Tipp 5: Gib nicht zu früh auf
Der Unterschied zwischen einem funktionierenden Unternehmen und einem gescheiterten Versuch ist, wie lange jemand durchgehalten hat. Es wäre wirklich selten und fast schon verdächtig, wenn du von Anfang an alles richtig machen würdest. Grundsätzliche Änderungen deine Konzepts sind kein Ausdruck von Versagen, im Gegenteil. Ein Pivot ist Ausdruck von Professionalität: Du tastest dich durch Hypothesen und Experimente an deine Lösung heran. Ein Genie, das alles weiß und alles kann, braucht kein Mensch.
Bedeutet aber auch, dass es wahrscheinlich sehr viel länger dauert, als du denkst. Durchhalten heißt nicht, dass du nichts verändern sollst, im Gegenteil. Sei schnell und radikal darin, Dinge, die nicht funktionieren, sein zu lassen. Das ist verschwendete Energie. Nur solltest du nicht beim ersten Gegenwind dein ganzes Vorhaben über Bord werfen. Das wäre schade.
Bis nächsten Montag,
👋 Sebastian
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