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Thalaris Almanach - Buch 1: Oylien

Teil 18 - Konfrontation

Ich war zugleich wütend, nervös und aufgeregt. Eine Mischung aus Gefühlen, die meinen Körper durchzog und sich zu einem einzigen Knoten zusammenballte, der Übelkeit erzeugte.

So etwas lag mir nicht. Menschen zu konfrontieren oder generell auf diese Art, wie ich es nun tun musste, zu diskutieren. Trotzdem stand ich jetzt hier vor der Tür zu Hiroki’s Büro und straffte mich. Es musste sein.

Ich trat ein.

Hiroki war nicht an seinem Platz, doch ein leichter Luftzug verriet mir, dass er auf seiner Terrasse war. Das machte er öfter, wenn er nachdenken musste.

Ich ging hinaus und sah ihn die Skyline von Neu-Berlin, der „grünen Oase“, betrachten.

„Weißt du, was all das hier gekostet hat? Diese ganze Technologie zum Einfangen des Sonnenlichtes, der Wärme? Diese Gebäude sind die teuersten aller Zeiten. Sie sollen die Luft reinigen, während Menschen darin umherlaufen. Aufgewärmt durch riesige Tanks voller Algen, die Sauerstoff produzieren sollen. Weltweit gibt es solche Inseln. Trotzdem werden Wälder abgeholzt, das Meer wird verschmutzt, Müll wird produziert. Es ist eine Farce. Umweltschutz ist überall eine Farce. Eine Lüge, die nur verhindern soll, dass die Menschen sehen, was hier passiert.“

Er wandte sich zu mir um. Da ich nicht wusste, worauf er hinaus wollte, schwieg ich.

„Die Menschen sehen die Schönheit der Natur, ihre gewaltige Dynamik und Kraft bereits lange nicht mehr. Stattdessen pflastern sie alles zu, mit Straßen, Industrie und diesen riesigen Häusern. Wenn auch letztere einen Beitrag zum Umweltschutz leisten sollen.“

Er machte eine wegwerfende Handbewegung und schritt an mir vorbei, zu anderen Seite der Terrasse.

„Die meisten wollen nur noch konsumieren und mit schlechten Nachrichten in Ruhe gelassen werden. Dafür unterstützen sie wenigstens die Projekte der Regierung und der Verbände. Und was hat es gebracht? Die Meere sind weiterhin stark verschmutzt, die Luft in vielen Regionen ist kaum atembar. Müll, der an jeder Ecke liegt. Ich verstehe, warum die Leute flüchten wollen. Vor allem die jüngeren. Sie werden seit beinahe zwei Jahrzehnten kaum gehört. Welche Möglichkeiten haben sie also?“

Er sah mich an, als erwarte er eine Antwort.

„Weitermachen? Weiter kämpfen? Ich war selbst viel Jahre Mitglied der Umweltschutzbewegung. Wir haben viel erreicht! Was hat das mit uns zu tun?“, erwiderte ich, noch immer rätselnd.

Hiroki schnaubte wütend und wanderte weiter umher. Die Sonne stieg langsam am Himmel empor und überzog die Stadt mit einem goldenen Licht. Von hier oben aus bot sich ein wahres Lichtspiel auf den Glasfassaden der Häuser darunter an. Die Algentanks, die an den Gebäuden angebracht waren, sorgten dann mit diesem Licht dafür, dass die dunklen Fußwege aufgehellt wurden. Ein Phänomen, welches fast an sonnendurchflutete Wälder erinnerte.

Es wurde Zeit, zum Grund meiner Anwesenheit zu kommen.

„Hiroki, ich bin nicht hier, um Grundsatzdebatten zu führen. Alles, was du gerade gesagt hast, ist richtig. Ich verstehe deinen Gedankengang nur nicht. Darüber will ich aber gar nicht reden. Da du dich nicht wunderst, weißt du bereits, was passiert ist. Habe ich recht?“

Er fuhr zu mir herum.

„Natürlich weiß ich das. Ich habe selbst dafür gesorgt, dass die Verweildauer entriegelt wird. Dass du der Erste sein würdest, der in die Kapsel geht und damit konfrontiert wird, habe ich nicht erwartet. Genau genommen warst …“

Er brach ab und lief aufgebracht in sein Büro. Ich folgte ihm.

„Ich war was?“, bohrte ich nach.

Hiroki blieb stehen und verschränkte die Arme.

„Das ist nicht wichtig. Santiago Industries und den Chen-Komplex sind dicht an uns dran. Deshalb musste ich die Quantencomputer einsetzen. Die Speicher kommen noch. Dann gehen wir in die Produktion und dann auf den Markt.“

Er nahm auf seinem Stuhl Platz und ich setzte mich auf die Couch, welche neben der Terrassentür stand und leise quietschte. Es war ein altes, staubiges Modell aus seinen Studientagen.

„Warum?“, flüsterte ich, zu keinem anderen Gedanken in der Lage. Wie konnten wir das Vertrauen so verlieren?

„Ich hätte euch einbezogen, aber sowohl Sean als auch Tamara hätten sich gewehrt. Wilma und Cui wären noch am ehesten dabei. Dass Anne als Ärztin dich zu mir gelassen hat, wundert mich etwas, aber ich denke, dass ARTOS genügend Messdaten hatte, um sie zu beruhigen.“

Ich erhob mich wütend.

„Das heißt, du hast alle Ideale verraten, um schneller als die Konkurrenz zu sein? Du hast uns als Team übergangen, eigenmächtige Entscheidungen getroffen und wissentlich meine Gesundheit riskiert. Klar, das Zeug wird in der Raumfahrt benutzt. Der Anzug ist Standard in der Regenerationsbehandlung. Aber beides zusammen wurde von uns und einigen anderen angepasst. Die genaue Funktionsweise sollte mit dem Test geprüft werden. Es ging um Sicherheit und Wirksamkeit. Phase drei jeder gängigen Studie, wie du wissen müsstest. Du hast das alles über den Haufen geworfen, um schneller zu sein. Besser zu sein. Wie der Hiroki von früher, der seine Schwester fast umgebracht hat, um der Sieger zu sein.“

Ich hatte mich in Rage geredet. Mein Puls raste davon und mein Herz wollte explodieren. Die Übelkeit von vorhin wurde stärker. Erst als Hiroki mich still ansah, die Augen niederschlug und den Kopf in die Hände legte, wurde mir bewusst, was ich gerade gesagt hatte.

Ich trat einen Schritt nach vorn.

„Hiroki, ich …“

„Geh!“, flüsterte er. Als ich mich nicht rührte, sah er hoch.

„Du sollst gehen. Geh zu anderen, mach etwas, aber sei nicht mehr hier, wenn ich wieder reinkomme.“

Er ging wieder auf die Terrasse.

Wie ein Roboter drehte ich mich um. Das Blut rauschte in meinen Ohren. Ich zitterte. Das war nicht mein Ziel. Scham überkam mich und ich ging schneller. Als ich im Gang vor Hiroki’s Büro war, rannte ich fast. Suchte die nächste Toilette und verschwand darin. Mein Magen war erfreut über die Entscheidung, mein Kopf jedoch überflutet von unzähligen Fragen und Vorwürfen.

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