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Zeitlang im Oktober: Von der Charlatan Bar auf die Insel Chalki

Der Herbst macht mich jedes Jahr melancholisch. Da endet irgendwie immer mehr als nur ein Sommer. Es fehlt plötzlich an Leichtigkeit, an Ablenkung, an Energie. Letztens habe ich bei einer Autorin gelesen und nicht vergessen, dass für sie nach dem September immer gefühlt ein neues Jahr beginnt. Und das kann ich absolut unterschreiben! Der größte Umbruch ist für mich nie Silvester, sondern der Wechsel von Sommer auf Herbst.

Meine momentane Melancholie ist eine Mischung aus kleiner Herbstdepression und einer großen Sehnsucht nach früher. Und dieses Früher meint sowohl den Juli, als ich noch sorglos ins Freibad geradelt bin, als auch die Zeit vor zehn Jahren.

Meine momentane Melancholie ist eine Mischung aus kleiner Herbstdepression und einer großen Sehnsucht nach früher. Und dieses Früher meint sowohl den Juli, als ich noch sorglos ins Freibad geradelt bin, als auch die Zeit vor zehn Jahren. In den letzten Wochen hatte ich einige Abende, an denen ich mich wieder wie in 2014 gefühlt habe – in der unten besprochenen Bar, aber auch auf der Wiesn, mit der ich nun plötzlich versöhnt bin. Und diese Abende haben bei all der Schwere momentan, bei all den Sorgen, den schlechten Nachrichten und Umbrüchen, wahnsinnig gutgetan.

Mal abgesehen davon, was so im eigenen Leben passiert, finde ich diese Zeit gerade allgemein sehr anstrengend. Eine Freundin hat es richtig gesagt: Seit der Pandemie hat es nie mehr aufgehört, sich bedrohlich anzufühlen. Ich merke das auch, ich habe permanent Angst. Angst vor der nächsten Stromabrechnung, Angst, durch eine KI ersetzt zu werden, Angst vor den neuesten Nachrichten. Oder anders gesagt: Ich hab Zeitlang nach einer Zeit, die einfach einfacher war!

Charlatan Bar

Charlatan in Haidhausen: Eine neue Bar, die richtig Spaß macht

Bei mir folgt auf Melancholie meist Eskapismus – und wo könnte man den besser ausleben, als in einer schummrigen Bar? Wie gut, dass es auf der Liste der entspannten Münchner Bars nun eine neue Adresse gibt: das Charlatan am Max-Weber-Platz. Eröffnet im Frühling 2024 von den Betreibern des Schwarzen Dackels (David Metz und Pawel Szczypinski) sowie von Johannes Möhring, der im Glockenbachviertel die wunderbare Ménage Bar gemacht hat.

Bei mir folgt auf Melancholie meist Eskapismus – und wo könnte man den besser ausleben, als in einer schummrigen Bar? Wie gut, dass es auf der Liste der entspannten Münchner Bars nun eine neue Adresse gibt.

Beide Bars mussten letztes Jahr schließen und das Charlatan ist die perfekte Auferstehung aus beiden Orten: Dank Vollholz-Eckbänken und bayerischen Wirtshausstühlen empfängt es mit derselben Kneipen-Gemütlichkeit, die auch der Schwarze Dackel hatte. Es gibt zwar kein Shuffleboard, aber dafür andere verspielte Details: das geflieste DJ-Pult, das direkt in den Bartresen übergeht, dazu Glitzer-Konfetti und Barkeeper*innen in roten Kitteln. Da macht das Apotheker-Logo der Bar auch plötzlich Sinn.

Gleichzeitig finden sich auch elegante Elemente, die an die Ménage Bar angelehnt sind: die neongelben Fliesen rund um den Tresen, im Kontrast die knallrote Decke. Farbschema: Kill Bill. Es werden ausgefallene Drinks serviert, die Namen tragen wie Man of Constant Sorrel, Ruff Rider oder Frosty Flakes. Schon beim ersten Besuch dachte ich mir: Endlich einmal wieder eine Bar in München, die sich nicht so ernst nimmt, die einfach Spaß macht.

Am nächsten Tag bemerkte ich, dass ein Glitzer-Konfetti an meinen Geldbeutel kleben geblieben war. Bisher habe ich es nicht abgemacht. Ich will noch lange an diese Nacht denken, in der ich zur Abwechslung mal an gar nichts dachte.

Wie immer sind es natürlich vor allem die Begegnungen und Menschen, die so einen Abend besonders machen. Ich war auf einen Geburtstag in die Charlatan Bar eingeladen und habe viele alte Freunde und Freundinnen wiedergetroffen. Über früher reden, Luxus Spritzer trinken, die letzte U-Bahn nehmen. Am nächsten Tag bemerkte ich, dass ein Glitzer-Konfetti an meinen Geldbeutel kleben geblieben war. Bisher habe ich es nicht abgemacht. Ich will noch lange an diese Nacht denken, in der ich zur Abwechslung mal an gar nichts dachte.

Bar Charlatan (Abre numa nova janela), Einsteinstraße 50 (Abre numa nova janela)

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Insel Chalki

Flüchten ins Paradies – auf die griechische Insel Chalki

Ich habe gerade keine Ahnung, wie das nächste Jahr aussehen wird. Der Journalismus ist in der Krise, ich bin in der Krise. Irgendwie ist seit sehr langer Zeit mal wieder alles möglich – und das fühlt sich in manchen Momenten aufregend an, oft macht es mir aber einfach nur krass Angst. Ich bin nicht so gut im Dinge auf mich zukommen lassen, es rattert ständig in meinem Kopf. Seit ein paar Wochen extrem, aber eigentlich schon seit letztem Jahr.

Deshalb freue ich mich auf eine Woche Gedankenpause und flüchte dahin, wo ich letztes Jahr einen der schönsten und sorglosesten Tage überhaupt hatte: auf die kleine Insel Chalki. Die liegt neben Rhodos, etwa eine Stunde mit der Fähre entfernt. Sehr weit südlich in Griechenland, man kann mit etwas Glück bis in die Türkei rübergucken und im Oktober noch im warmen Meer baden. Das Wasser ist hier so klar und türkis, dass man kurz denkt, man schwimmt in einem Pool.

Die kleine Nachbarinsel Chalki war eher eine Zufallsentdeckung. Als wir ankamen, verliebten wir uns beide sofort: Wer die griechische Langsamkeit sucht, die Zeit vergessen möchte, der ist hier genau richtig.

Letztes Jahr war ich mit einer Freundin im September auf Rhodos und das Meer versprach kaum Abkühlung, weil es noch so aufgeheizt war. Rhodos ist schön, aber längst nicht mehr typisch griechisch-gemütlich – viele junge, englische Tourist*innen, austauschbare Beachclubs, teure Restaurants. Die kleine Nachbarinsel Chalki war eher eine Zufallsentdeckung. Als wir ankamen, verliebten wir uns beide sofort: Wer die griechische Langsamkeit sucht, die Zeit vergessen möchte, der ist hier genau richtig.

Auf Chalki leben nicht einmal 500 Menschen. Es gibt nur eine Mini-Stadt namens Emporio mit einer Handvoll Restaurants und jeder Menge schöner Unterkünfte. Denn Chalki ist vor allem bei den englischen und französischen Tourist*innen leider kein Geheimtipp mehr. Allerdings sind eher ältere Leute hier, die Ruhe suchen. Ich habe gelesen, dass in Emporio bereits über hundert Häuser als Ferienunterkünfte genutzt werden. Mein bester Freund und ich haben uns bei Booking ein kleines Haus direkt am Meer (Abre numa nova janela) gebucht, mit Terrasse, Meerzugang und Blick auf den Hafen.

Hoffentlich wird Chalki mir dabei helfen, in die Entspannung zu kommen. Passenderweise wird der Name auch übersetzt mit „Insel des Friedens und der Freundschaft“. Nach Frieden sehne ich mich gerade ganz extrem – und nach erholsamem Schlaf.

Eine Insel, auf der man absolut nichts tun kann, das klang verlockend, als wir den Urlaub im trubeligen Sommer voller Jobs und Arbeit gebucht hatten. Gerade habe ich tatsächlich auch ein bisschen Respekt davor, weil ich innerlich so unruhig bin. Hoffentlich wird Chalki mir dabei helfen, in die Entspannung zu kommen. Passenderweise wird der Name auch übersetzt mit „Insel des Friedens und der Freundschaft“. Nach Frieden sehne ich mich gerade ganz extrem – und nach erholsamem Schlaf.

Chalki, Χάλκη 851 10, Griechenland (Abre numa nova janela)

Über Zeitlang

Was ist Zeitlang?

Zeitlang ist ein unabhängiger und persönlicher Newsletter, in dem ich sowohl über Lieblingsorte in meiner Heimatstadt München als auch auf der ganzen Welt erzähle. Im Bayerischen bedeutet „Zeitlang“ Heimweh und Sehnsucht. Einmal im Monat schreibe ich hier also über besondere Restaurants, Cafés, Hotels und Orte, nach denen ich regelmäßig Zeitlang habe. Das kann der kleine Park nebenan sein, genauso wie das Designhotel am anderen Ende der Welt.

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Wer schreibt hier?

Ich bin Anja Schauberger, geboren in München und arbeite seit über zehn Jahren als freie Journalistin und Autorin mit dem Schwerpunkt auf Regionales und Reise. Von 2016 bis 2019 habe ich als Redaktionsleiterin das Stadtmagazin Mit Vergnügen München aufgebaut. Seitdem schreibe ich frei unter anderem für die Kolumne „Hotel Europa“ im SZ-Magazin (Abre numa nova janela) sowie über (Sterne)gastronomie bei München Tourismus (Abre numa nova janela). Außerdem gebe ich München- und Bayern-Tipps im Merian Magazin (Abre numa nova janela) und schreibe über Genuss-Themen für The Weekender (Abre numa nova janela). Mehr zu meiner Arbeit gibt es auf Torial (Abre numa nova janela) oder meiner Website (Abre numa nova janela).

Du hast Tipps, Wünsche und Anregungen? Schreib mir gerne eine Mail an anja.schauberger@gmail.com

Porträt: Frank Stolle (Abre numa nova janela)
Design & Logo: Hennes Elbert (Abre numa nova janela)
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