Wort-Dock #11
Buch- und Ausstellungstipps für den Oktober 2024. Immer am 15. des Monats.
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
lest Ihr lieber gedruckte Bücher oder eBooks? Ich bevorzuge gedruckte Bücher, weil ich gerne Papier berühre, Seiten umblättere (…statt über einen Monitor zu wischen), sie nach dem Lesen ins Regal stellen und einfacher etwas nachschlagen kann. Aber: Seit einigen Jahren habe ich auch einen eReader, was ich vor allem unterwegs ziemlich praktisch finde.
Insgesamt lesen 81 Prozent der Deutschen Bücher. 40 Prozent lesen zumindest hin und wieder E-Books. Das hat eine repräsentative Umfrage im Auftrag des Digitalverbands Bitkom unter 1.007 Personen in Deutschland anlässlich der Frankfurter Buchmesse (Abre numa nova janela) ergeben, die am 16. Oktober beginnt. Aber nur 16 Prozent aller Deutschen lesen ausschließlich oder überwiegend elektronische Bücher (vor einem Jahr waren es zehn Prozent).
Das Buch, das ich Euch in der Oktober-Ausgabe meines Newsletters „Wort-Dock“ empfehle, habe ich in Papierform gelesen: Es ist ein gesellschaftskritischer Zukunfts-Roman über einen Biotech-Konzern, der menschliches Bewusstsein auf Pflanzen speichert. Dazu kommen eine tolle Foto-Ausstellung in Hamburg sowie zwei Surftipps: eine Lesung, die auch als Livestream übertragen wird, und eine digitale Museums-Sammlung mit Kunstwerken und naturhistorischen Objekten.
Zusätzlich zur Buchmesse stehen in den kommenden Wochen viele Veranstaltungen rund ums Buch bevor: Im Rahmen der „Woche unabhängiger Buchhandlungen (Abre numa nova janela)“ vom 2. bis zum 9. November laden rund 900 inhabergeführte Buchhandlungen aus ganz Deutschland unter anderem zu Lesungen und Abenden mit Buchempfehlungen ein. Das 17. Hamburger Krimifestival (Abre numa nova janela)wiederum läuft vom 5. bis zum 9. November.
Viel Spaß beim Lesen und bis zum nächsten Newsletter am 15. November!
Eure Tina Anastassiou
Lesenswerter Zukunftsroman
Titel: Phytopia Plus
Autorin: Zara Zerbe
Verlag: Verbrecher
Erscheinungsdatum: 15.03.2024
Gebundene Ausgabe: 300 Seiten, 25 Euro
eBook: 15,99 Euro
Inhalt: Der Roman spielt in den 2040er Jahren in Hamburg. Es herrschen Hitze, Dürren und viele Arten sind ausgestorben. Die Kluft zwischen Arm und Reich ist groß: Arme Menschen wohnen südlich der Elbe, wo sich in den vergangenen Jahrzehnten von Waschbären bevölkerte, sumpfige Uferlandschaften gebildet haben.
Wer es sich leisten kann, lebt in eingezäunten Siedlungen im Norden der Stadt und kauft Obst und Gemüse in Biosupermärkten ein, während die Menschen im Süden Hamburgs keine frischen Lebensmittel in ihren Supermärkten bekommen.
Die Hauptfigur Aylin liebt Pflanzen und arbeitet als Aushilfsgärtnerin in den Gewächshäusern der Drosera AG. Der Biotech-Konzern hat ein Verfahren entwickelt, menschliches Bewusstsein auf der Erbsubstanz von Pflanzen zu speichern, damit es die Klimakrise überleben kann.
Die junge Frau möchte das Bewusstsein ihres Großvaters, zu dem sie eine enge Bindung hat, mit dieser Methode auf einer Pflanze speichern lassen. Doch das ist zu teuer für Aylin, die im Süden der Stadt lebt. Um das Speicherverfahren für ihren Großvater zu finanzieren, knipst Aylin während der Arbeit heimlich Triebe der Zierpflanzen ab, zieht daraus Stecklinge und verkauft sie…
Hauptteil: „Phytopia Plus“ ist der erste Roman von Zara Zerbe (geboren 1989 in Hamburg-Harburg), die als freie Autorin in Kiel lebt. Sie ist nach Verlagsangaben Mitherausgeberin des Literaturmagazins „Der Schnipsel“ und veranstaltet die „LesebühneFederKiel“ im Kulturzentrum Hansa48 in Kiel. Für ihre Erzählung „Limbus“ erhielt sie den Preis „Neue Prosa Schleswig-Holstein 2018/2019“, und 2022 wurde die Autorin mit dem Kunstförderpreis des Landes Schleswig-Holstein ausgezeichnet. Für ihren Debütroman hat Zerbe den Phantastikpreis 2024 der Stadt Wetzlar erhalten.
Es geht in „Phytopia Plus“ um die Folgen des Klimawandels, soziale Unterschiede und Ungerechtigkeiten, den Glauben an die Technologie und das Thema Unsterblichkeit. Der Roman gehört zum Genre Climate Fiction, der Literatur zum Klimawandel.
Die Autorin erzählt ihren Roman in der Gegenwartsform aus Aylins Perspektive. Eingestreut sind kurze Kapitel, in denen die Pflanzen miteinander reden, was mir sehr gut gefallen hat. Der Erzählstil ist locker, die Beschreibungen anschaulich. Knappe Sätze, viele Dialoge und Textnachrichten treiben die Geschichte voran.
Fazit: Zara Zerbes Roman über die nahe Zukunft ist sehr unterhaltsam, macht nachdenklich und kommt dennoch ohne erhobenen Zeigefinger daher. Lesenswert!
Lesung im Literaturhaus Hamburg und im Livestream
Monika Zeiner liest am Mittwoch, den 23. Oktober 2024, im Literaturhaus Hamburg aus ihrem neuen Roman „Villa Sternbald oder Die Unschärfe der Jahre“. Moderation: Christoph Schröder. Uhrzeit: 19:30 Uhr. Ein Ticket kostet 14 Euro sowie ermäßigt und für Mitglieder 10 Euro.
Zusätzlich könnt Ihr die Lesung per Livestream verfolgen. Nach der Veranstaltung bleibt der Stream 72 Stunden verfügbar. Ihr könnt das Livestream-Ticket bis zum Beginn der Veranstaltung kaufen - es kostet 6 Euro (Preise jeweils zuzüglich 2 Euro Servicegebühr und Versandkosten).
Sonderausstellung „Deutschland um 1980“ im Altonaer Museum
Wenn ich an die frühen achtziger Jahre denke (…ich bin Jahrgang 1968), fallen mir meine ersten Platten ein (unter anderem Visage, Neue Deutsche Welle), ein Haufen Mixtapes, meine Adidas Allrounds - die ich anfangs natürlich mit Dreck einrieb, damit sie gebraucht aussahen - und meine hautenge, grün-schwarz längsgestreifte Hose.
Blick auf Ost und West
Zahlreiche Erinnerungen an diese Zeit und viel Neues barg für mich die Sonderausstellung „Deutschland um 1980. Fotografien aus einem fernen Land“, die das Altonaer Museum seit dem 9. Oktober zeigt. Die Ausstellung ist eine spannende, zum Nachdenken anregende Zeitreise in eine Phase voller Umbrüche.
Sie umfasst Arbeiten von zehn Fotografinnen und Fotografen - freie Akteurinnen und Akteure, Fotokunstschaffende und Reportage-Fotografen im Auftrag von Zeitungen und Magazinen. Sie blicken sehr individuell auf politische und gesellschaftliche Entwicklungen, Musik, Mode und Design in beiden Teilen Deutschlands in den Jahren 1975 bis 1985.
Zu sehen sind Arbeiten von Angela Neuke, Barbara Klemm, Christian und Helga von Alvensleben, Martin Langer, Ingolf Thiel, Asmus Henkel, Mahmoud Dabdoub, Gerd Danigel, Hans-Martin Küster und Wilfried Bauer.
Punks, Hells Angels und Demos
Ihre Motive reichen von Hausbesetzungen, Hells Angels auf Harley-Davidson-Motorrädern und Punks in Ost und West über schrille Mode sowie Musiker (zum Beispiel Peter Schilling, der in schwarz-roten Klamotten auf einer knallroten Luftmatratze im Schwimmbecken treibt) bis zum Alltag in Ost und West.
Der Wandel des ehemaligen Hamburger Arbeiterstadtteils Ottensen zum Szeneviertel ist ebenso dokumentiert wie die Chaostage von Hannover, die Demos gegen die Startbahn West in Frankfurt am Main, den geplanten Bau des atomaren Entsorgungszentrums in Gorleben und den NATO-Doppelbeschluss. Außerdem der „Bruderkuss“ zwischen Leonid Breschnew und Erich Honecker sowie die Vereidigung von Joschka Fischer als hessischer Umweltminister 1985 in Turnschuhen (was damals als Skandal galt). Und vieles mehr.
Auch die Geschichte der Dichterin, Arbeiterin und Aktivistin Semra Ertan ist Teil der Ausstellung, die sich im Mai 1982 im Alter von 25 Jahren in Hamburg öffentlich verbrannt hat, um ein Zeichen gegen den stetig wachsenden Rassismus zu setzen, den sie in Deutschland erfuhr.
Einkaufswagen-Sessel und Aerobic-Studio
Zusätzlich sind einige Design-Objekte aus der damaligen Zeit zu sehen, für die ungewöhnliche Materialien wie Eisen, Stahl, Stein und Beton typisch waren. Zum Beispiel das Einkaufswagen-Sitzobjekt „Consumer’s Rest“ von Stiletto Studios (Frank Schreiner) aus dem Jahr 1983.
Ein Video mit zeitgenössischer Musik, Werbung und Nachrichten sowie ein videountermaltes Aerobic-Studio katapultieren die Besuchenden in die frühen Achtziger und runden die Ausstellung ab.
Ursprünglich ist die Ausstellung 2022 im LVR-Landesmuseum Bonn in Kooperation mit der Deutschen Fotothek Dresden und der Stiftung F.C. Gundlach Hamburg gelaufen. Das Altonaer Museum hat sie übernommen und unter anderem um drei Hamburger Fotografen erweitert.
Die Sonderausstellung „Deutschland um 1980. Fotografien aus einem fernen Land“ im Altonaer Museum läuft noch bis zum 3. März 2025.
Surftipp: Kunst von zuhause aus entdecken
Das Museum Wiesbaden zeigt in seiner Online Collection eine - nach eigenen Angaben - ständig wachsende Zahl von Kunstwerken und Objekten aus den Naturhistorischen Sammlungen mit täglich wechselnden Highlights.
Ihr könnt Euch die Ausstellungsstücke anzeigen lassen nach Suchbegriffen, Farben, Orten (Wiesbaden, Hessen, Deutschland, Europa, Welt) und Jahrhunderten (vom 14. bis zum 21. Jahrhundert) oder aber den Zufallsgenerator wählen.
Außerdem gibt es eine erweiterte Suche, aufgeteilt in Kunst und Natur. Dort findet Ihr die Kunstwerke geordnet nach Kunstschaffenden von A bis Z, Gattung, Datierung und Objekttyp, beispielsweise Gemälde oder Handzeichnung. Im Bereich Natur könnt Ihr suchen nach Sammlungstyp - zum Beispiel Botanik, Zoologie - Objekttyp (unter anderem Mineral, Skelett, Präparat), Datierung und Standort. Zu den einzelnen Kunstwerken und naturhistorischen Objekten gibt es Informationen.
Übrigens: Wenn Ihr Eure Favoriten aus der Online-Sammlung per Mausklick markiert, tauchen sie unten auf der Seite unter „Meine Sammlung“ auf.
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