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Aufbruch ins Ungewisse

Der Kongress »Meditation und Wissenschaft« in Berlin

Zum siebten Mal fand in diesem Jahr der Kongress Meditation und Wissenschaft in Berlin statt – erneut im DBB Forum in der Friedrichstraße, einem modernen Veranstaltungsort mit würdigem Ambiente und klarer architektonischer Sprache. Das weitläufige Foyer, die offene Treppe und der große Saal, der an einen lichten Innenhof erinnert, boten rund 350 Teilnehmenden Raum für Begegnung, Reflexion und gemeinsames Nachdenken. Der Kongress stand unter der Überschrift: Aufbruch ins Ungewisse. Die gesellschaftliche Relevanz von Meditation.

Die Neurowissenschaftlerin Prof. Dr. Tania Singer
Die Neurowissenschaftlerin Prof. Dr. Tania Singer

Die Liste der Vortragenden war hochkarätig. Alle Referentinnen und Referenten kamen aus dem akademischen Umfeld – aus Medizin, Philosophie, Kulturwissenschaften –, unter ihnen Persönlichkeiten wie Prof. Dr. Tobias Esch, Prof. Gerd Scobel und Prof. Dr. Thomas Metzinger.  Der Kongress wird von renommierten Stiftungen im Spannungsfeld von Wissenschaft und spiritueller Kultur getragen: der Identity Foundation, der Udo Keller Stiftung Forum Humanum, der Williges-Jäger-Stiftung West-Östliche Weisheit sowie dem Benediktushof.

In seiner Eröffnungsrede sprach Dr. Cai Werntgen über das »M-Wort« – Meditation – das noch im Jahr 2010, zum Auftakt des ersten Kongresses, mit Skepsis, ja, mit Spott belegt war. In akademischen Kreisen galt Meditation damals als randständig, bestenfalls esoterisch, jedenfalls nicht als ernst zu nehmender Forschungsgegenstand. Es war ein Wagnis, das Thema offen zu benennen – eines, das den Initiatoren Respekt abverlangt. Heute jedoch hat sich das Bild gewandelt. Meditation ist in der wissenschaftlichen Welt angekommen, ein anerkanntes Feld der Forschung, getragen von empirischer Tiefe und methodischer Vielfalt.

Blick ins Plenum
Blick ins Plenum

Diese Entwicklung spiegelte sich deutlich in den Vorträgen wider. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Meditation ist heute differenzierter denn je. Unzählige Studien untersuchen unterschiedliche Techniken, Absichten, Zielgruppen – unter Berücksichtigung soziodemografischer Faktoren wie Alter, Geschlecht und Bildung. Die Fragen sind präziser geworden, die Ergebnisse feiner nuanciert.

Prof. Dr. Tobias Esch, Vorsitzender des wissenschaftlichen Kuratoriums des Kongresses, ist Leiter des Instituts für Integrative Gesundheitsversorgung und Gesundheitsförderung an der Universität Witten/Herdecke. In seinem Vortrag Von der Egozentrik zur Selbsttranszendenz präsentierte er neue empirische Erkenntnisse zu den langfristigen Effekten von Achtsamkeit auf das subjektive Erleben von Verbundenheit.

Prof. Dr. Tobias Esch
Prof. Dr. Tobias Esch, Mitorganisator des Kongresses

Der US-amerikanischen Neurowissenschaftlers Adam Gazzaley, Ph.D., der digital zugeschaltet war, berichtete unter dem Titel Mind and Brain in the Face of Artificial Intelligence über das von ihm mitentwickelte Programm »Meditrain«, das mittels Videospiel-basiertem Training Erfolge in der Behandlung von Konzentrationsstörungen bei Kindern zeigt – eine Intervention, die inzwischen sogar von der US-amerikanischen FDA anerkannt ist.

Drei Beiträge widmeten sich explizit philosophischen Themen: der Frage nach dem kulturellen Nihilismus (Prof. Dr. Michael Hampe), dem konstruktiven Scheitern (Dr. med. Dr. phil. Friederike Boissevain) und schließlich – in einem bewegenden Festvortrag des Philosophen und Kongnitionswissenschaftlers Prof. Dr. Thomas Metzinger – der Vision einer neuen Bewusstseinskultur: Wie bewahrt man seine Selbstachtung in einer historischen Epoche, in der die Menschheit ihre Würde verliert? Metzinger argumentierte, dass durch meditative Praxis ein nicht-egoisches Bewusstseinsfeld zugänglich werde – ein Zustand reinen Gewahrseins, der, empirisch belegt, zu tieferer Selbstachtung führe. Diese wiederum begründe eine ethischere Haltung gegenüber Mitmenschen, anderen Lebewesen und der Natur. Angesichts globaler Krisen sei eine solche Transformation des Bewusstseins nicht nur wünschenswert, sondern überlebensnotwendig. Vielleicht könne sie das Scheitern unserer Zivilisation nicht verhindern – doch wenigstens würde es uns ermöglichen, in Würde zu scheitern.

350 Kongress-Besucher meditieren gemeinsam.
350 Kongress-Besucher meditieren gemeinsam.

Der zweite Kongresstag begann mit einer kollektiven Meditation – 350 Menschen in stiller Präsenz: ein eindrucksvolles Feld der Verbundenheit. Den wissenschaftlichen Auftakt gestaltete die Neurowissenschaftlerin Prof. Dr. Tania Singer, die seit vielen Jahren die emotionale Empathie erforscht. Ihre Arbeit mit sogenannten Dyaden – zwei Menschen, die gemeinsam meditieren – zeigt, wie soziale Isolation und zwischenmenschliche Entfremdung überwunden werden können. Ihre Studien belegen, dass durch bestimmte Meditationsformen emotionale Offenheit, Vertrauen und Bindungsfähigkeit gestärkt werden. Ziel ist nun, diese Erkenntnisse in ein didaktisch handhabbares Format zu überführen – für Schulen und Bildungseinrichtungen, für Kinder und Lehrende gleichermaßen. Eine Aufgabe von fundamentaler gesellschaftlicher Bedeutung.

Einzelvorträge wechselten mit Podiumsdiskussionen

Weitere Beiträge beschäftigten sich mit der praktischen Integration von Achtsamkeit im Alltag und Organisation. Eine Performance des Social Presencing Theatre veranschaulichte, wie durch verkörperte Präsenz soziale Dynamiken sichtbar und Zukunftspotenziale intuitiv erfahrbar gemacht werden können.

Hervorzuheben ist auch der Vortrag von Prof. Dr. med. Franz X. Vollenweider aus der Schweiz, der mit staatlicher Genehmigung seit vielen Jahren zur Wirkung psychedelischer Substanzen forscht – auch in Verbindung mit Meditation und spirituellen Erfahrungen. Seine eloquente und zugleich humorvolle Präsentation zeigte, wie tiefgreifend veränderte Bewusstseinszustände wissenschaftlich erfasst und differenziert betrachtet werden können. Neben klassischer Zen-Praxis treten auch hier Naturerfahrungen, Mantra-Meditation und emotionale Gruppensettings als legitime Forschungsfelder in den Fokus.

Blick in den Saal
Anregende Gespräche in den Pausen

In der Gesamtschau war der Kongress ein Ereignis von außergewöhnlicher Qualität. Wissenschaft und Spiritualität traten hier nicht als Gegensätze auf, sondern als sich wechselseitig befruchtende Perspektiven. Selbst das »S-Wort« – Spiritualität – wurde aus der Randständigkeit geholt und in den Raum ernsthafter Reflexion gestellt. Noch fehlt der Spiritualität die gesellschaftliche Anerkennung, die Meditation inzwischen genießt. Doch vielleicht ist dieser Kongress selbst ein Hinweis darauf, dass wir auf dem Weg sind.

Denn was die Forschung heute vielfach bestätigt, war in spirituellen Traditionen seit jeher gelebtes Wissen: Die Erfahrung nicht-egoischer Bewusstseinszustände führt zu mehr Selbstachtung, zu tieferer Empathie, zu einem Gefühl von Verbundenheit – Qualitäten, die unsere fragmentierte Welt dringender braucht als je zuvor.

© Fotos: Kongress Meditation & Wissenschaft 2025, Grit Schwerdtfeger, lux fotografen

 

Mein Gespräch mit Thomas Metzinger aus dem Jahr 2024:

https://www.youtube.com/watch?v=xdYIpCXbHVI&t=1389s (Abre numa nova janela)

 Mein Bericht zum ersten Kongress 2010:

https://www.ronaldengert.com/meditation-und-wissenschaft/ (Abre numa nova janela)

Weiterführende Links:

https://www.meditation-wissenschaft.org/ (Abre numa nova janela)https://taniasinger.de/ (Abre numa nova janela)https://arawanahayashi.com/spt/ (Abre numa nova janela)https://members.tattva.de/prof-dr-thomas-metzinger-der-elefant-und-die-blinden/ (Abre numa nova janela)