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Warum sich die AfD in den Unterricht einmischt

Guten Morgen,

in wenigen Tagen findet die Didacta in Stuttgart statt. Die Bildungsmesse hat dieses Jahr den Schwerpunkt Demokratiebildung: “Bildung braucht Demokratie - Demokratie braucht Bildung” lautet das Motto.

Vielleicht hast du mitbekommen, dass der Landesverband der AfD Baden-Württemberg als ein Hauptaussteller auf der Messe vertreten ist. Viele Lehrer:innen, Schüler:innen, Verbände und Hilfsorganisation kritisieren die Zulassung der Partei auf der Didacta.

Weil das häufig betont wird: Die AfD ist nicht DER Hauptaussteller auf der Messe, es gibt neben ihr noch viele weitere, die sich ebenfalls so nennen dürfen. Und innerhalb des Messe-Programms (Abre numa nova janela) nehmen außerdem alle im Landtag von Baden-Württemberg vertretene Parteien - also CDU, Grüne, SPD, FDP und eben auch die AfD - an Podiumsdiskussionen teil.

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Die Didacta (oder besser: der Verein dahinter) wurde eigenen Angaben zufolge von der Anmeldung der AfD überrascht (Abre numa nova janela). Man habe sich deshalb bemüht, dass auch andere Parteien auf der Messe vertreten sind. Verhindern ließe sich die Anmeldung des rechtsextremen Verdachtsfalls (AfD in Baden-Wütemberg) aber nicht. In einer Stellungnahme (Abre numa nova janela) schreibt der Verein: “Der Umstand, dass sich in diesem Jahr erstmalig Parteien für unsere Messe als Aussteller angemeldet haben - dies lässt sich aufgrund der bestehenden Zulassungsbedingungen rechtlich nicht ausschließen […].”

Mittlerweile gibt es auch Boykott-Aufrufe gegen die Didacta. Dem wollen wir uns nicht anschließen, weil wir der Meinung sind, dass wir dringend Orte des demokratischen Austauschs benötigen.

ABER: Die Überraschung der Didacta überrascht uns. Der Verein dahinter schreibt, dass “die Bildungswirtschaft in Deutschland demokratisch denkt und die Werte der Demokratie - auch gegen die AfD - verteidigt”. Selbst scheint er seine Hausaufgaben aber nicht gemacht zu haben. Das zeigt einmal mehr, dass Teile der Zivilbevölkerung immer noch die Entwicklung der AfD verschlafen.

AfD und Bildung - das passt doch nicht zusammen? Doch, und wie! Seit Jahren hat die AfD Schulen im Fokus und macht sich besonders für eine Sache stark: die Neutralität. Die ist ihr so wichtig, dass sie zahlreiche Meldeportale eingerichtet hat, auf denen man vermeintlich nicht neutrale Lehrkräfte melden kann. Ein Thema, das riesige mediale Wellen schlug. Wieso hat die Didacta nicht längst ihre Zulassungskriterien geändert? Sie bietet nun - vor allem so kurz vor der Bundestagswahl - eine große Bühne, auf der die AfD Platz nimmt.

Nun wollen wir uns, dazu passend, der Frage widmen: Warum ist der AfD eigentlich diese Neutralität so verdammt wichtig? Let’s go!

Bleib achtsam und alles Liebe!

Um was geht’s?

“In letzter Zeit häufen sich Vorkommnisse, bei denen in Schulen die gebotene politische Neutralität zu Gunsten einseitiger politischer Propaganda aufgegeben wird.”

So steht es in einer Pressemitteilung der Berliner AfD aus dem vergangenen Jahr. Der fachpolitische Sprecher für Bildung und berufliche Bildung, Thorsten Weiß, begründet damit, dass seine Partei ein Beschwerdeportal online gestellt hat: “Neutrale Schule Berlin”.

Dort sollen sich Schüler:innen informieren, wie sich Lehrer:innen angeblich verhalten müssen (“neutral”) und können auch Vorfälle melden, wenn sich Lehrpersonal nicht daran hält.

Auch andere AfD-Landtagsfraktionen betreiben solche Portale. In Niedersachsen heißt es beispielsweise “Neutrale Lehrer”, in Hamburg “Neutrale Schulen Hamburg (Abre numa nova janela)”.

Dabei stehen Sätze wie dieser: “Den größten Schaden richtet politische Indoktrination bei den Schülern an: Sie werden in der Bildung eigener politischer Urteile beeinträchtigt und zu einem bestimmten erwünschten (politischen) Verhalten erzogen.”

Oder: “Anscheinend sind bei einigen Lehrern alle Hemmungen gefallen, auch im Unterricht ungehemmt und ohne Skrupel gegen die AfD Hetze zu betreiben! Damit wird gegen das Neutralitätsgebot an Schulen verstoßen.”

Der Vorwurf: Immer wieder sollen Lehrer:innen ihre Neutralitätspflichten verletzen und verbotenerweise die Entwicklung junger Menschen beeinflussen - mit ihrer vermeintlich linken und AfD-feindlichen Ideologie. Deshalb verweisen die Meldeportale nicht nur darauf, dass sich Lehrer:innen nicht politisch äußern dürfen, sondern dass gleichzeitig die Meinungsfreiheit der Schüler:innen gewahrt werden müsse, wenn sie sich für die AfD und gegen linke Gesinnung aussprechen würden. Das ist ein talking point, den Politiker:innen der Partei immer wieder bedienen. Ein Beispiel dafür ist dieses Video (Abre numa nova janela) von Maximilian Krah. Darin sagt er: “Kein Angst vorm linken Lehrer. Sie wollen die den Mund verbieten, wenn du die Wahrheit sagst. […] Meinnungsfreiheit ist kein Geschenk. Meinungsfreiheit musst du dir erkämpfen.”

Das alles ist nicht neu. Die AfD hat schon vor Jahren Webseiten eingerichtet - mit dem Aufruf, Daten und Beweise über angebliches Fehlverhalten linker Lehrer:innen zu sammeln. Nur: Gerichte stoppten damals die Seiten, weil sie “nicht nur personenbezogene Daten von Schülern” sammelten, sondern auch “die politischen Meinungen der gemeldeten Lehrer”. Und das sei grundsätzlich untersagt, schrieb damals Legal Tribune Online (Abre numa nova janela).

Deshalb sind die “neuen” Meldeportale anders getextet, sie rufen nicht mehr aktiv zum Denunzieren und Melden auf, zeichnen aber - die Zitate oben zeigen es - ein dramatisches Bild angeblich übergriffiger Lehrer:innen. Das ist laut Lehrer:innen-Verbänden nicht nur haltlos, sondern eine pauschale Verunglimpfung, die vor allem “Misstrauen und Zwietracht (Abre numa nova janela)” säen soll.

Wenn die AfD Neutralität fordert - was will sie damit verhindern?

🎓 Wider die Aufklärung

Die AfD operiert mit dem Narrativ in vielen Bereichen: Sie verlangt nicht nur Neutralität in der Bildung, sondern auch in der Kunst und der Politik. Oft geht es darum, auf diese Weise unliebsame Aufklärung zu unterbinden oder Druck aufzubauen, um eine Selbstzensur bei Lehrer:innen und / oder Bildungskräften zu erreichen.

Ein Ziel dahinter hat der Kulturwissenschaftler Roy Sommer in einem Essay (Abre numa nova janela) erklärt. Darin schreibt er, dass das einzige Mittel gegen den stetigen Versuch der AfD die Grenzen des Sagbaren zu verschieben, Aufklärung sei - “konsequente Aufklärung und die Entzauberung alter und neuer Mythen, in der Schule, an der Universität, in den Medien und in den Künsten.”

Und genau das will die AfD laut Sommer unterbinden, denn das fürchte die AfD so sehr, dass sie mit allen Mitteln versuche, denjenigen, die die Wahrheit sagen, einen Maulkorb anzulegen:

Die AfD erfindet dazu ein Narrativ der Neutralität, das Beamte und Kunstprojekte, die mit öffentlichen Mitteln finanziert werden, dazu verpflichten will, sich jeder kritischen Meinungsäußerung zu enthalten.” Deshalb mahne die AfD ständig Andersdenkende an, “die zur Aufklärung der schweigenden Mehrheit beitragen und dabei ihren Bildungsauftrag ernst nehmen”.

Das Neutralitäts-Narrativ der AfD entspricht laut Sommer also einem “Schweigegebot für Andersdenkende”.

🕰️ Wider die Erinnerung

Das Neutralitäts-Argument hat die AfD auch gegen eine Aktion der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora vorgebracht. Die Stiftung hatte vor der Landtagswahl in Thüringen einen Brief (Abre numa nova janela) an Wähler:innen verschickt und darin vor dem Geschichtsrevisionismus der AfD gewarnt. Sie schrieb darin, dass die Partei etwa das Leiden der Opfer des Nationalsozialismus aus der Erinnerung tilgen wolle, Björn Höcke eine “erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“ fordere oder die SA-Parole “Alles für Deutschland” nutze, um “die nationalsozialistische Sprache wieder salonfähig zu machen”.

Es ist erklärtes Ziel der Neuen Rechten, die deutsche Erinnerungskultur zu bekämpfen (Abre numa nova janela).

In dem Brief standen noch weitere Beispiele für sprachliche Enthemmungen und deshalb folgte am Ende die Aufforderung, zur Wahl zu gehen und eine demokratische Partei zu wählen. Dagegen klagte die AfD und berief sich auf das staatliche Neutralitätsgebot, immerhin werde die Stiftung von Steuergeld finanziert. Deshalb sei ihr Verhalten rechtswidrig.

Über das Urteil des Gerichts hat unter anderem der Tagesspiegel (Abre numa nova janela) berichtet. Es fiel fast vollständig zugunsten der Stiftung aus: “Die mitgeteilten Tatsachen sind zutreffend und die Wertungen und Interpretationen beruhen auf einem jeweils sachgerecht gewürdigten Tatsachenkern.” Lediglich den Aufruf, nicht die AfD zu wählen, musste die Stiftung im Nachhinein streichen.

Wichtig ist dabei noch, dass das Gericht sich auch zur “Neutralität” positioniert hat:

So dürfe die Stiftung “Äußerungen, die das Gedenken und Erinnern berühren, bewerten und einordnen”. Und: “Eine solche Einordnung kann nicht neutral erfolgen.” Man würde sonst der Stiftung die Möglichkeit entziehen, ihren Stiftungszweck zu verfolgen.

🗳️ Wider die Demokratische Bildung

Demokratie muss gelernt werden. Das schreibt die Amadeu Antonio Stiftung (AAS) in einer Handreichung (Abre numa nova janela). Ein wichtiger Ort, sie zu lernen, ist die Schule.

Wenn die AfD angebliches Fehlverhalten von Lehrer:innen anprangert, dann stellt sie sich damit zunächst als vermeintliche Fürsprecherin und Retterin der Demokratie dar. Auch deshalb argumentiert sie für die demokratische Meinungsvielfalt, für die freie Bildung. Das setzt sie gleich mit Neutralität. Eine solche Neutralität würde aber die kritische Auseinandersetzung mit der Partei verhindern.

Das Ziel von demokratischer Bildungsarbeit sei es aber, grundlegende Themen wie Menschenrechte zu behandeln - und damit notwendigerweise auch Rassismus, Sexismus, Antisemitismus und andere diskriminierende Positionen kritisch zu betrachten: “Kollidieren die Positionen der AfD mit diesen grundlegenden Rechten, ist das kein Problem des Neutralitätsgebots oder der Lehrer:innen, sondern der Partei.”

Ganz ähnlich erklärt es auch Politologe und AfD-Experte Carsten Koschmieder: “Politische Bildung ist auf keinen Fall neutral und Schule den Werten der Demokratie verpflichtet.” In einem kurzen Video-Statement (Abre numa nova janela) bezieht er sich dabei auf die bestehenden Schulgesetze der Länder: “Die geben sehr klar die Werte vor, die vermittelt werden sollen. Das sind Werte wie Frieden, Völkerverständigung oder Toleranz gegenüber verschiedenen Religionen, Weltanschauungen, Lebensweisen. Sehr explizit gibt es auch die Formulierung, dass man der Ideologie des Nationalsozialismus entgegentreten soll. Diese Werte sollen immer Ziel des Unterrichts sein.“

Die AfD gründet ihr Neutralitätsbestreben dabei oft auf den sogenannten “Beutelsbacher Konsens (Abre numa nova janela)”. Der wurde in 1970er Jahren formuliert und verweist für die formale politische Bildung auf drei zentrale didaktische Leitgedanken: Das Überwältigungsverbot (Lehrer:innen dürfen Schüler:innen eine Meinung nicht aufzwingen), die Kontroversität (was kontrovers ist, muss auch im Unterricht kontrovers behandelt werden) und die Schüler:innenorientierung (junge Menschen sollen durch den Unterricht politisch mündig werden können).

Nur: Der Beutelsbacher Konsens darf nicht mit dem parteipolitischen Neutralitätsgebot des Staates verwechselt werden - Bildung ist nicht neutral. Vielmehr geht es darum, Themen sachlich und ausgewogen darzustellen, was aber nicht bedeutet, dass politische Bildung wertneutral ist oder extremistische Positionen im Unterricht gleichwertig - oder auch: neutral - dargestellt werden müssen.

Laut Jurist Hendrik Cremer ist das Gegenteil der Fall. Er sagt in einem Interview (Abre numa nova janela): “Maßgeblich ist, dass Lehrer:innen fundiert und sachlich über die Positionen von Parteien aufklären und sprechen. Dazu gehört im Fall der AfD auch, über ihre national-völkische Ideologie und ihre tatsächlichen Ziele aufzuklären.” Die AfD dürfe insbesondere nicht verharmlost werden. Es müsse vielmehr deutlich werden, dass sich die AfD zu einer rechtsextremen Partei entwickelt habe. Politische Bildung müsse ihren Adressat:innen vermitteln, wofür die AfD stehe und dass sie sich von demokratischen Parteien grundsätzlich unterscheide.

In dem Gespräch betont Cremer auch, dass es einen großen Unterschied gibt zwischen einer demokratisch gewählten Partei und einer demokratischen Partei. Die AfD ziele auf die Abschaffung der freiheitlichen rechtstaatlichen Demokratie ab: “Das Neutralitätsgebot besagt keinesfalls, dass Lehrkräfte sich nicht kritisch mit rechtsextremen Parteien auseinandersetzen dürfen. Vielmehr gehört es zum Bildungsauftrag, rassistische, antisemitische oder andere menschenverachtende Positionen als solche zu benennen und zu hinterfragen, auch wenn diese von demokratisch gewählten Parteien vertreten werden. Lehrkräfte dürfen sich nicht hinter dem Neutralitätsgebot verstecken.”

Denn: “Gerade die deutsche Geschichte hat gezeigt, dass die freiheitliche demokratische Grundordnung eines Staates zerstört werden kann, wenn menschenverachtende Grundhaltungen nicht rechtzeitig auf energischen Widerstand stoßen und sich so verbreiten und durchsetzen können.”

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