Eine einmalige Gelegenheit
Andreas Begerts „Bayrisches Oratorium“ wird am 29. Mai uraufgeführt
Andreas Begert zählt die Tage rückwärts. Und dann wird alles viel zu schnell vorbei sein. Wie das eben so ist, wenn man sich lange vorbereitet und dann das Ereignis selbst wie im Rausch erlebt. Zwei Jahre lang hat der 32-Jährige sein Bayerisches Oratorium komponiert, geplant, vorbereitet – ein Jahr länger als ursprünglich geplant. Ein verrücktes, visionäres Projekt, mit dem Andreas Begert alles auf eine Karte setzt. Die Pandemie hat ihm diese Karte in die Hände gespielt, unfreiwillig, gewiss. Doch der Komponist und Musiker aus dem Bayerischen Dorfen hat das Blatt aufgenommen und den Trumpf gespielt.
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Er klingt nach bayerischer Volksmusik, festlichen Kirchenklängen, nach Jazz, Pop. Ein musikalisches Mosaik, das sich zum stimmigen Ganzen fügen soll. Musik kennt keine Grenzen. Andreas Begert hat sich nie entschieden, nur für eines: Seine Musik soll klingen, nicht atonal, modern, elitär, anspruchsvoll. Sondern im Herzen.
184 Seiten DIN A-3-Partitur umfasst sein Bayerisches Oratorium, 120 Musiker sitzen auf der Bühne. Für den Text hat Andreas Begert das Oster-Oratorium von Johann Sebastian Bach ins Oberbayerische übersetzt, die Sprache seines Herzens, seiner Kindheit.
Andreas Begert hat die Münchner Symphoniker engagiert, als Chor das Heinrich-Schütz-Ensemble Vornbach, dazu Solisten, hat den Herkulessaal in der Münchner Residenz mit seinen 1200 Sitzplätzen gemietet – und das alles für eine einzige Aufführung. Mehr kann er sich nicht leisten. Dieser eine große Traum geht Dank Crowdfunding und Fördermitteln in Erfüllung. Eine einmalige Gelegenheit. Und dann? Wird es irgendwie weitergehen, wie es bisher immer weitergegangen ist.
Ist Andreas Begert völlig verrückt, wie es ihm mancher wohlwollende und nicht so wohlwollende Zeitgenosse unterstellt hat? Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Was wäre unsere Welt ohne verrückte Visionäre? Gespräch mit einem Unbeirrten.
Seit wann arbeitest Du auf das Bayerische Oratorium hin?
Eigentlich seit Beginn der Pandemie. Als es mit dem ersten Lockdown losging, ist erst einmal alles zusammengebrochen, alle Auftritte wurden abgesagt, alle meine Jobs bei Firmen, der Unterricht, den ich gegeben hätte. Ich habe gemerkt, dass mein System nicht mehr funktioniert und ich irgendetwas machen muss, um meinen Beruf weiter ausüben zu können. So kam ich auf die Idee ein Bayerisches Oratorium zu schreiben, also ein geistliches Werk, das bayerische Volksmusik mit klassischer Musik verbindet. Das ist nun etwa zwei Jahre her.
Die Pandemie hat Dich also weniger in eine Krise gestürzt als zu neuer Kreativität angeregt?
Gezwungenermaßen. Erstmal hat es mich schon ziemlich in ein Loch gerissen. Aber dann musste ich irgendwas machen. Als Freiberufler musste ich schauen, dass irgendwo wieder Geld hereinkommt, ich habe Familie. Somit war es auch ein Zwang. Aber ein Loch war definitiv auch da. Ich bin tief in mich hineingegangen und habe gemerkt, dass es mich auch sehr verletzt, dass das, was ich liebe und seit Jahren mache, nicht mehr gefragt ist. Aber die Idee hat mir auch Kraft gegeben wieder etwas zu starten.
Musik ist vielleicht nicht system-, aber doch lebensrelevant…
So ist es. Menschen hören viel Musik und brauchen Kultur. In Situationen wie dem Lockdown greifen Menschen genau darauf zurück. Man vergisst dann schnell, dass die Musik hergestellt werden muss, dass es Menschen geben muss, die diese Musik machen müssen. Ich bin davon überzeugt, dass wir Musik als Ausgleich zum Alltag brauchen. Ich kenne keinen Menschen, der komplett ohne Musik und Kultur auskommt.
Warum hast Du gleich ein ganzes Oratorium geschrieben?
Das hat sich so entwickelt. Ich wollte etwas Ehrliches, das die Leute trotz Pandemie anspricht. Es muss etwas sein, das tief aus mir kommt, von hier ist, meiner Heimat entstammt. Ich bin bayerisch aufgewachsen, es wurde bei uns bayerische Musik gemacht. Ich fühle mich im Bayerischen komplett wohl und kann mich fallen lassen. Wir waren jeden Sonntag in der Kirche, ich bin sehr gläubig erzogen worden, habe im Kirchenchor gesungen und die geistliche Musik mitbekommen. Zweiter Punkt: Ein Oratorium ist etwas sehr Feierliches. Vieles ist schlecht, aber man muss dem etwas Positives entgegensetzen. Das hat für mich stimmig zusammenpasst.
Meinst Du das mit ehrlich? Eine interessante Umschreibung in diesem Zusammenhang…
Ehrlich versuche ich immer zu sein. Musik sollte ehrlich sein, dass man so schreibt und komponiert, wie man es empfindet und sich nicht verbiegen lässt. Das ist das, was ich auch über die Zeit gelernt habe, dass man mehr auf sein Herz hört als auf die Umwelt.
Meine Herzensprojekte haben immer am Besten funktioniert. Ich habe auch viele andere Sachen gemacht, aber letztlich bin ich immer da hängengeblieben, was meinem inneren Bewusstsein tief entspricht.
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Du hast ein geistliches Werk geschrieben: Wie wichtig ist Dir Dein Glaube?
Ich bin auf jeden Fall gläubig, auch wenn ich nicht auf ein System, eine Kirche gemünzt bin. Ich glaube aber, dass es jemanden gibt, der lenkt. Ich befasse mich immer wieder mit Thematiken, die nicht im Alltag vorkommen. Mit dem Tod, der Entstehung der Menschheit, der Welt im Allgemeinen. Themen, die dem Geistlichen nahekommen.
Wie bist Du vorgegangen für die Finanzierung Deines Projekts?
Ich habe ein Crowdfunding gestartet, bei dem mehr als 17.000 Euro zusammenkamen. Das war überdimensional mehr, als ich erwartet habe. Diese finanzielle Freiheit hat es mir ermöglicht, dieses Projekt wirklich anzugehen. Als ich das Konzert geplant habe, habe ich staatliche und kommunale Fördermittel beantragt und bewilligt bekommen. Das hat mich beruhigt, da ich sehr hohe Kosten angesetzt habe: Ich habe ein Orchester, einen Chor, Solisten, den Herkulessaal in München gebucht. Den Chor leitet mein Bruder.
Wolltest Du nicht selbst dirigieren?
Wollen ja. Können nein.
Ich könnte mir vorstellen, dass nach der langen Pandemie-Phase die Aufführung für alle Beteiligten etwas Besonderes ist.
Ja, ich denke schon. Für mich als Komponisten, weil ich zufällig die Lockerungen erwischt habe, den Termin musste ich ja vor gut einem Jahr schon festlegen. Aber ich denke, alle freuen sich, dass man wieder auftreten kann.
Bist du aufgeregt?
Brutal. Die Anspannung wird mit jedem Tag höher. Ich kann es gut kaschieren, aber wenn ich ehrlich bin, bin ich an alle Enden aufgeregt bei einem so großen Projekt. Ich hoffe, dass alles musikalisch klappt und die Veranstaltung gut funktioniert. Ich bin froh, dass ich nicht selbst auf der Bühne stehen muss. Ich weiß nicht, wie gut ich das machen könnte.
Wird es weitere Aufführungstermine geben?
Nein. Ich habe ein paar Sachen angedacht für die Zeit nach dem Oratorium, aber es nichts fix und es wird auch so schnell nicht mehr aufgeführt werden. Ich persönlich kann es nicht sofort leisten, das sofort wieder zu machen. Ich könnte mir vorstellen, dass es ein Kirchenmusiker aufgreift.
Ich werde das Konzert mitschneiden und den Mitschnitt eventuell auf Youtube einstellen. Für mich ist das allein schon wichtig, dass ich das Werk hinterher analysieren kann und schauen kann, was funktioniert hat und was ich noch besser machen könnte beim nächsten Mal.
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