„Ich habe meine Sicht völlig geändert“
Vertriebsleiter Dominic Hausch ist in seiner Freizeit als Nageldesigner unterwegs
Ein Mann als Nageldesigner? Die Blitzumfrage unter Expertinnen ergibt: Asiaten ja, aber Europäer? Eher nicht. Dabei ist die Branche allein in Deutschland millionenschwer, der Umsatz wird laut Statistik-Dienstleister statista allein im Nagel-Design-Bereich für das Jahr 2021 auf 366 Millionen Euro hochgerechnet, Prognosen gehen von einem Wachstum von fast 4 Prozent pro Jahr aus. Dominic Hausch aus Kleinostheim ist ein Exot in diesem Millionen-Metier, in dem eine nicht ermittelbare Zahl von Dienstleisterinnen arbeitet. Der Beruf ist nicht geschützt; ein Nagel-Studio kann jeder aufmachen. Warum der 33-Jährige unter die Nageldesigner gegangen ist und ob er hier eine Zukunft für sich sieht, das wollte ich gerne wissen.
Als Deine Freundin Corina Kogler mir erzählt hat, dass Du jetzt Nägel machst, dachte ich: Echt jetzt?
Ja, die Reaktion kommt von vielen. Ich denke, es ist nicht unbedingt so gewöhnlich, dass Männer in diesem Bereich tätig sind. Ich habe das auch nicht geplant, dass ich im Nagelbusiness lande, aber meine Freundin Corina fragte irgendwann, ob ich ihr nicht mal einen Nagel reparieren möchte und ich habe spontan ja gesagt. Ich komme ja aus dem Handwerk und bin gelernter Kfz-Mechaniker, da habe ich mir gedacht: Das kriegst Du auch hin. Ich habe mich dann hingesetzt und den Nagel gemacht, und leider wurde der Nagel gut und was klein angefangen hat, ist mittlerweile eine gute Beschäftigung für mich.
Fotos: Corina Kogler
Du meinst, von Autos zu Nägeln ist der Weg nicht so weit?
Ja, also ich würde mal sagen: Handwerk ist Handwerk.
Und Corina war zufrieden?
Corina war zufrieden. Das war eigentlich das größte Problem an der ganzen Sache: Sie sagte dann nämlich, dass ich das öfter machen könnte. Ich habe festgestellt, dass mir das Nageldesign total Spaß macht und mich beruhigt. Ich habe immer ein Problem mit zittrigen Händen, und da ich mich sehr konzentrieren muss, werden meine Hände ruhiger.
Wie genau kriegst du das Händezittern in den Griff?
Je mehr ich mich fokussiere, auch über längere Zeit hinweg, desto besser bekomme ich das Zittern in den Griff. Und beim Nagelmachen muss ich mich extrem fokussieren.
In welchen Situationen zittern denn Deine Hände?
Eigentlich permanent. Ich habe ein Grundzittern, bestimmt schon seit zwölf Jahren. Trotzdem hat Corina mich an ihren Nagel gelassen. Und nicht nur das… ich habe ihr mittlerweile eine Wimpernkranzverdichtung tätowiert, Microblading an den Augen gemacht… Das war schon unser Gag: Immer wieder sonntags haben wir etwas Neues ausprobiert.
Wie fing das an, Du konntest ja an Technik gar nichts?
Ich hatte es tatsächlich noch nie gemacht. Corina hat mir Step by Step alles erklärt, was ich zu tun habe, vom Nagel anrauhen mit der Feile über die Grundierung bis hin zum Aufbau, der gefeilt und versiegelt werden muss.
Hast Du geschwitzt?
Total. Für mich waren die ersten Nägel fast wie ein Saunagang, weil ich den Leuten nicht wehtun wollte, die ich behandelt habe.
Von Deiner Freundin zu zahlenden Kunden ist aber doch ein großer Schritt.
Ja, das stimmt. Ich habe dann erst einmal meiner Mutter die Nägel gemacht, Corinas Mutter, den Großeltern, und dann haben wir Modelle zum Üben für bestimmte Themen übers Internet gesucht. Da haben sich viele gemeldet, und so kam immer mehr Routine rein.
Man braucht keine Ausbildung?
Nein. Es gibt Kurse, die man belegen kann, für die man dann ein Zertifikat bekommt, aber es kein Ausbildungsberuf. Man übt für ein spezielles Thema und bekommt dafür das Zertifikat. Das ist aber im Beauty-Bereich grundsätzlich so.
Sind Zertifikate für Dich ein Thema?
Im Prinzip habe ich alle meine Zertifikate bei Corina gemacht, sie darf Kurse geben und Zertifikate ausstellen. Sie macht ihren Job seit 15 Jahren. Seit etwa drei Monaten behandele ich zahlende Kunden. Das hat mit wenigen angefangen, jetzt kann ich kaum noch neue Kunden annehmen. Es ist Wahnsinn, wie schnell sich das herumgesprochen hat.
Der erste Kunde war ein Mann oder eine Frau?
Eine Frau. Das ganze Thema ist ja ohnehin eher weiblich besetzt…
… wobei es ja in München zum Beispiel ein Studio nur für Männer gibt…
… ja, aber das ist die Ausnahme. Es gab wohl auch mal in Frankfurt ein Studio, das aber meines Wissens nach mittlerweile wieder geschlossen hat. Das ist bei uns einfach noch schwierig. Wir versuchen jetzt natürlich, das Thema in der Region voranzutreiben. Es kommen auch mehr Männer mittlerweile, wobei diese sich keine Motive auf die Nägel machen lassen. Ich habe ja auf jedem Finger ein anderes Motiv, damit es ein bisschen mehr auffällt…
… beschreibe doch bitte mal kurz, welche…
… aktuell habe ich auf dem kleinen Finger einen kleinen Stern, auf dem Ringfinger eine Rose, auf dem Mittelfinger einen Blitz mit Stern, auf den Ringfingern ist das Motiv im Urlaub gerade leider abgegangen und auf dem Daumen ist ein Kreuz. Da ist schon Kino.
Aber die meisten Kunden sind Frauen.
Ja, auf jeden Fall. Ich selbst habe ja das Thema Nägel vor Corina auch überhaupt nicht auf dem Schirm gehabt, aber ich finde, es sieht auch bei Männern einfach super gepflegt aus.
Die Stunde Pediküre oder Maniküre ist für Frauen ja Wellness und Socialising, es wird ziemlich viel geredet. Wie ist das für Dich?
Das ist für mich eine Umstellung gewesen, weil ich manchmal schon der zurückhaltendere Typ bin und nicht ganz so kommunikativ. Aber manchmal muss ich gar nicht viel sagen, weil die Frau erzählt, die mir gegenübersitzt. Manche erzählen mir ihre halbe Lebensgeschichte. Aber ich glaube, die Frau braucht das in dem Moment einfach, vielleicht hat sie zu Hause ja auch gerade einfach niemanden, der sich ihr Thema anhört. Und deshalb genießen es die Frauen einfach. Ich bleibe ja auch sitzen und kann nicht weglaufen.
Aber für Dich ist es…
… total schön. Wir wollen das Ganze jetzt auch noch ausweiten und wollen statt der Räume hier in der Wohnung einen Laden zusammen eröffnen.
Du hast anfangs gesagt, Nageldesign zu machen beruhige Dich. Hast Du das nur auf das Händezittern bezogen?
Anfangs war es für mich ein seelischer Ausgleich, weil ich während der Corona-Pandemie einfach nicht so viel Sport machen konnte und es einfach etwas anderes war, eine Ablehnung zum normalen Alltag oder zu meinem anderen Job. Mittlerweile ist es mehr als ein Hobby geworden, ich bin total eingespannt.
Anderer Job ist ein gutes Stichwort.
Ja, ich bin eigentlich im Vertrieb tätig. Ich besuche Autohäuser und betreue sie, was Reifen angeht. Ich mache das auch total gerne. Es ist schwierig zu sagen, wie sich das Ganze entwickelt, aber die Kombination aus beidem macht mir total viel Spaß. Es steht nicht zur Debatte, eine der beiden Tätigkeiten aufzugeben.
Und wie kriegst Du das zeitlich unter?
Lange Tage. Es sind einfach sehr lange Tage. Vor einem Urlaub ballen sich die Termine, danach ebenso.
Ganz am Anfang hast Du gesagt, dass Du viele schräge Reaktionen bekommen hast. Wie war das?
Die erste Reaktion, die man immer so bekommt, ist, ob man homosexuell sei. Ich hatte das auch schon hier… speziell von einer Kundin, der ich erst einmal erklären musste, dass ich nicht schwul bin. Sie hat dann sofort gesagt, dass sie mich wohl in eine Schublade gesteckt hätte. Vielleicht zählt es als weniger männlich, wenn man im Beauty-Bereich arbeitet. Ich habe meine Ansicht komplett geändert und würde mir wünschen, dass das auch bei anderen so ist. Mich haben auch Freunde gefragt, ob ich bald mal wieder einen richtigen Job mache. Meiner Meinung nach wird beim Thema Beauty total unterschätzt, dass das ein richtiger Beruf ist. Wir werden sehr, sehr oft gefragt, was wir denn noch machen.
Das Image ist möglicherweise schlecht…
… ich denke, es liegt daran, dass es einfach kein Ausbildungsberuf ist. Aber um ein Geschäft aufzubauen, gehört doch mehr dazu, und Marketing ist nur ein Aspekt.
Du wirkst, als seist Du völlig angekommen.
Ja, das stimmt auch. Sonst hätte ich auch nicht gesagt, dass wir zusammen einen Laden machen könnten, wenn ich keine Leidenschaft dafür hätte oder kein Feuer. Das schöne ist ja auch, dass viele Kundinnen sagen, Du kannst machen, was Du willst, weil sie selbst keine Idee haben. So kann man sich immer wieder kreativ austoben.
Und jetzt schaust Du, wohin die Reise Dich führt.
Jetzt schaue ich, wohin die Reise mich führt, ja.