Upcycling aus Golfbällen
Warum David Schneeberger Kunst aus verschlagenen Bällen macht
Donald Trump als Golfball-Fratze: wenn sich da mal nicht ein Kreis schließt. Ein paar Stunden hat David Schneeberger gebraucht, den kantigen Charakterkopf mit der akkuraten Haartolle aus einem Titleist herauszuschälen. Er hat ihn dann an einen bekannten Schauspieler verschickt, der sollte ihn bemalen. Man hätte den farbigen Donald Trump für einen guten Zweck versteigern können, zusammen mit Wladimir Putin, der hat bei David Schneeberger auch eine zweite Karriere als Golfball-Gesicht gemacht. Doch daraus wurde bisher nichts. „Nicht schlimm“, sagt der Kitzinger. Schnitzt er eben wieder einen bärtigen Charakterkopf, einen namenlosen. Oder eine grinsende Totenkopffratze. Auch dicknasige Nikoläuse laufen gut. David Schneeberger kreiert sie für Menschen mit Humor.
Fotos: David Schneeberger
Golfball Faces nennt David Schneeberger seine filigrane Schnitzkunst, für die der 44-Jährige in seiner unerfränkischen Heimat recht bekannt ist. Auch im Kitzinger Golfclub hat man schon Notiz genommen von den knorrigen Wichtelmännern und guten Feen, die er aus Golfbällen herausarbeitet. Kitzingens Golfer sind ja die nie versiegende Quelle seiner Schnitzleidenschaft. Zu Dutzenden verschlagen sie auf der Runde ihre Bälle übers Jahr, ungezählte finden sie nicht wieder jenseits der Platzgrenze. So ein Golfball ist klein. „Ein durchschnittlicher Golfer spielt drei Mal pro Woche und verliert einen Ball pro Spiel, meiner Meinung nach“, sagt der Aschaffenburger Hobby-Golfer Hubi Desch. Drei pro Woche, macht aufs Jahr gesehen vielleicht 100 Bälle pro Person, sofern nicht jede Woche gespielt wird. Rund 650.000 Golfer gibt es laut Deutschen Golfverband aktuell in Deutschland, macht aufs Jahr gesehen um die 65 Millionen verschlagene Golfbälle. Ein paar Hundert davon gehen auf das Konto der Kitzinger Golfer. Einen Gutteil finden sie sicher wieder. Der Rest bleibt in der Landschaft liegen, bis sie jemand aufsammelt.
Jemand wie David Schneeberger. Der Kitzinger hat über die Jahre – seit vielleicht zehn ist er Sammler – einen Kennerblick entwickelt. Wenn er seinen wöchentlichen Spaziergang am Kitzinger Golfplatz entlang macht, durch die umliegenden Wälder und an Feldern vorbei, ist sein Blick häufig auf den Boden gerichtet. Dort findet er, versteckt in Büschen und Gräsern, zwischen Laub, Moos und Reisig, all die Golfbälle, die unerreichbar und des Golfers suchenden Blicken entschwunden im Aus gelandet sind. Golfbälle suchen hat was von Jagen und Sammeln. „Ich will nicht sagen, dass es eine Sucht ist, aber es packt einen schon.“ Das geht nicht nur ihm so; David Schneeberger hat auch schon Bälle geschenkt bekommen.
Alle, die er entdeckt, hebt er auf. „Ich kann keinen liegen lassen.“ Unter Buchen und Eichen hat er kleine Hügel aus seinen Fundstücken angelegt, „dann liegen sie wenigstens nicht überall herum“. Zu Hause hat er schon gar keinen Platz mehr, geschätzt 3000 Golfbälle hat er mittlerweile gesammelt. Findet er diese Bäume denn wieder? „Ach, na klar“, sagt er. „Ich habe markante ausgewählt.“ Jetzt im Sommer sucht er seltener nach Bällen, zu viele Zecken, seine Zeit sind Frühjahr, Herbst und Winter.
Es gibt eine Seite im Internet, globometer.com heißt sie, die Fakten zählt. Wie viele Kinder seit Jahresanfang zur Welt gekommen sind, wie viele Kilo Miesmuscheln in der Europäischen Union verzehrt worden, wie viele Tee-Tassen in der Welt getrunken worden sind. Die Zahlen steigen unaufhörlich, und besonders schnell klettert die Summe der weltweit verschlagenen Golfbälle in die Höhe. Seit Beginn des Jahres waren es mehr als 165 Millionen. Eine gigantische Umweltverschmutzung. Golfbälle sind ein Plastik-Gummi-Konstrukt, sie verrotten nicht.
Die US-Amerikaner haben einmal ausgerechnet, dass ihnen 300 Millionen Bälle pro Jahr verloren gehen. Professionelle Golfballsammler machen ihre Fundstücke zu Geld, es gibt sogar Taucher, die ihr Hobby zum Business gemacht haben. Ein Golfball kann teuer sein, vier, fünf Euro kostet ein guter mindestens. Gebrauchte Ware ist entsprechend begehrt.
David Schneeberger hat noch nie darüber nachgedacht, seine aufgelesenen Bälle an Golfer zurückzuverkaufen. Für den 44-Jährigen ist etwas ganz anderes wichtig. Er war früher Pfadfinder, er will selbst etwas tun für Umweltschutz und Nachhaltigkeit. „Ich finde die Arbeit von Organisationen wie der Earth First!-Bewegung interessant. Und auch den Dadaismus, der konventionelle Kunst ablehnt.“ Seine Golfball-Faces sind die unkonventionell künstlerische Variante des Upcyclings. Als er angefangen hat zu schnitzen, war diese Form der Abfallverwertung noch lange kein Thema. Heute passt David Schneeberger mit seiner Kunst voll in den Zeitgeist.
Eine Stunde braucht der Kitzinger, um ein häufig schnitzes Gesicht – den Nikolaus oder einen Totenkopf zum Beispiel – aus einem Golfball herauszuschälen. Konkrete Vorbilder hat er in der Regel nicht vor Augen, wenn er nicht gerade Donald Trump in den Golfball haut. Doch als er unlängst seine Enzyklopädie entsorgte, die furchtbar viel Platz im Bücherschrank verbrauchte, trennte er ein paar Seiten mit bärtigen Geographen heraus, die um 1900 bekannt waren. „Ich habe festgestellt, dass meine Gesichter doch häufig gleich aussahen. Deshalb habe ich mir ein paar Anregungen geholt.“
In seiner Werkstatt schneidet er von jeden Ball erst einmal einen Teil der Hülle ab, ja, auch bei den besten und teuersten, prüft das Innenleben und entscheidet dann, ob die aufgeklappte Hälfte im zweiten Leben Totenkopf, Adventsheiliger oder Politiker werden wird. „Das Material innen lässt sich je nach Qualität des Golfballs gut bearbeiten, wie weiches Holz.“
Mindestens 42,67 Millimeter misst ein Golfball im Durchmesser, er wiegt maximal 45,93 Gramm. Die Oberfläche ist mit bis zu 450 Dimples geprägt, die Mini-Dellen lassen den Ball besser und weiter fliegen. Die harte Kunststoffschale knackt David Schneeberger mit einer Zange oder sägt sie auf, der Kern besteht je nach Hersteller aus Hartgummi, mehreren Schichten Kunstharz oder einem Gummigeflecht. Die Fläche, die er bearbeiten kann, ist etwa dreieinhalb auf zwei Zentimeter groß, da ist Fingerspitzengefühl gefragt. Ist die Figur fertig, wird sie bemalt oder lackiert. „Da steckt viel Arbeit drin.“
Manche Bälle starten in eine Karriere als Türknauf oder Schlüsselanhänger, Kühlschrankmagnete oder Glücksbringer. Oder als Donald Trump. David Schneeberger erschafft auch kleine grüne Monster, weise Eulen, Indianer mit Federschmuck. Unlängst hat er für einen Freund eine Hopfendolde aus einem Golfball herausgeholt, auf der die Würzburger Festung thront, das Logo einer Brauerei. „Ich finde es befriedigend, wenn aus Abfall etwas Wertiges entsteht.“ Der Golfball als solcher ist nicht mehr unbedingt zu erkennen, wenn der Künstler sein Werk vollendet hat. Die Kunstfertigkeit hingegen schon.
Das Handwerk füllt seine Freizeit, trotzdem ist für ihn das Schnitzen mehr als ein Hobby. David Schneeberger will mit seiner Kunst zum Nachdenken anregen über die schnelllebige Freizeitgesellschaft. „Wie gehen wir eigentlich mit unseren Rohstoffen um?“ Der Golfer nehme beim Spiel billigend in Kauf, dass er seinen Ball verschlage und der dann in der Landschaft liegen bleibe. Auch deshalb kann David Schneeberger keinen Ball liegenlassen. Obwohl er zu Hause mittlerweile mehr Bälle liegen hat, als er alleine wohl je schnitzen könnte – er hat ja auch Familie, zwei Kinder, seinen Beruf. Als Technischer Produktdesigner entwirft er die Planken, die auf dem Boden am Schiffsdeck liegen.
Es gab schon Ausstellungen mit seinen Golfball Faces, im Kitzinger Golfclub natürlich auch. Er hat diverse Einzelhändler als Verkaufspartner gewonnen, Verlosungsaktionen auf Ebay angeboten. Vor allem zur Adventszeit sind seine verwandelten Golfbälle gefragt, auf Wunsch fertigt er auch Porträts realer Vorbilder an. Um die 40 Euro kosten seine Stücke. Den Erlös spendet er für soziale und karitative Projekte und Initiativen, Krebshilfe-Organisationen zum Beispiel, oder die Flüchtlingshilfe. Bis vor ein paar Jahren hat er seine Kunstwerke auch auf Facebook präsentiert, mittlerweile ist er nur noch bei Instagram zu finden, als McDuff Solutions, und über seine Homepage. „Mehr als zwei online-Präsenzen sind mir zu viel Arbeit. Da schnitze ich lieber.“
Er werkle eben ganz gerne, sagt der 44-Jährige, das habe er schon als Kind gemacht, „was man halt so macht als kleiner Bub“. Zwischen tausend Golfball-Faces zeigt er auf Instagram auch seine handgeschnitzten Tikis, polynesische Ahnenfiguren aus Holz, seine zweite Leidenschaft. Es gibt sie auch als Mini-Variante aus Golfbällen. Sie sollen gut fürs Karma sein. Golf spielt David Schneeberger übrigens nicht.