VH82 Heute vor 100 Jahren: Die Republik wählt sich einen Monarchisten zum Reichspräsidenten
„Noch einmal“ lautet McCays Karikatur auf die Reichspräsidentenwahl am 26. April 1925 im amerikanischen Original - auf Deutsch. Er hält es für möglich, dass mit dem Sieg Paul von Hindenbuergs nun auch bald der exilierte Wilhelm von Hohenzollern aus den Niederlanden zurückkehrt. Mit seiner Prognose, dass die Weimarer Republik von den Reaktionären sturmreif geschossen werden wird, lag er bedauerlicherweise ziemlich richtig.

Winsor McCay, Noch einmal, 28. April 1924
Am 28. Februar 1925 starb Friedrich Ebert, der erste Reichspräsident der Weimarer Republik – viel zu früh. Auch wenn er vielleicht nicht immer ganz glücklich agiert hatte, so war der Sozialdemokrat doch ein absolut integrer Politiker, der Deutschland in unglaublich schwieriger Zeit nach bestem Wissen und Gewissen steuerte. Die Angriffe der Extremisten von rechts und links auf seine Person waren maßlos – und brachten ihn letztendlich ins Grab.
Am 30. Juni 1925 wäre Eberts Amtszeit abgelaufen. Nach seinem Tod kam es am 29. März 1925 zu der von der Verfassung vorgesehenen ersten Direktwahl eines Reichspräsidenten durch das deutsche Volk.
Am Ende des ersten Wahlgangs stand der von der DNVP unterstützte Duisburger Oberbürgermeister und ehemalige Reichsinnenminister Karl Jarres mit 38,8 Prozent vorn. Auf Platz zwei kam Otto Braun, SPD, mit 29 Prozent und Wilhelm Marx vom katholischen Zentrum mit 14,5 Prozent.
Da keiner der Kandidaten die im ersten Wahlgang erforderliche absolute Mehrheit erreichte, kam es am 26. April 1925 zur Stichwahl. SPD, das Zentrum und die Deutsche Demokratische Partei verständigten sich nun auf Wilhelm Marx als gemeinsamen Kandidaten. Die Rechtsparteien landeten einen echten Coup, indem sie von der Wiederaufstellung ihres bisherigen Bewerbers absahen und einen Volkshelden aus dem Ersten Weltkrieg nominierten: Paul von Hindenburg.
Der sechsundsiebzigjährige ehemalige Generalfeldmarschall, Kandidat des „Reichsblocks“, besiegte heute vor genau 100 Jahren Wilhelm Marx, den Bewerber des republikanischen „Volksblocks“, mit einem Stimmenanteil von 48,3 Prozent; Marx kam auf 45,3 Prozent.
Die bange Frage im In- und Ausland lautete: Was würde die Wahl eines erklärten Monarchisten für die junge Demokratie bedeuten? Würde das republikanische Experiment nach gerade einmal sechs Jahren bereits wieder scheitern?
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Heinrich August Winkler, Sehnsucht nach Glanz und Gloria, FAZ, 13.04.2025, https://www.faz.net/aktuell/reichspraesidentenwahl-1925-sehnsucht-nach-glanz-und-gloria-110417344.html (Abre numa nova janela)