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Folge 82

Etwas Altes: Pflanz-High

Meine jüngste Freundin ist knapp 18 und hat ihre erste eigene Wohnung bezogen. Es gibt einen Balkon, und sie erlebt gerade dieses magische Eintauchen ins Gärtner*innenleben. Die meisten Menschen, die nicht ein Leben lang sagen »Ich habe keinen grünen Daumen«, entwickeln sich ja in Phasen: Es beginnt mit der Liebe zu Schnittblumen, die werden einfach gekauft, und wer will, arrangiert sie dann noch hübsch. Dann folgen Topfpflanzen, und das nie endende Lernen beginnt. Wenn die Lebenssituation es aka einen Garten hergibt, schließt sich das Hantieren mit Beet- oder gar Ackerpflanzen an. Aus der Rückschau kann ich sagen, dass das Gefühl immer das gleiche geblieben ist, egal, ob ich im WG-Zimmer auf einen einzigen kleinen Margeritenbaum vorm offenen Fenster, in Wohnungen mit Boyfriend auf Balkonpflanzen, später mit der Familie erst in den Kleingarten und ab einem bestimmten Punkt in den großen eigenen Garten blickte. Es ist wirklich egal, ob man auf eine oder auf viele Pflanzen starrt. Was zählt, ist, dass mindestens eine, als schön empfundene Pflanze umsorgt und angestarrt werden kann. 

(Ein Garten bietet natürlich weitere Erholungsmöglichkeiten als das bloße Pflanzenanstarren; in meiner Version der bessereren Welt hätte jeder Mensch Zugang zu etwas Draußen-Erde zum freien Gestalten. Oder auch gern zum bloßen Draufsitzen und Rauchen, weil nicht jede*r will gärtnern.)

Meine Freundin hat sich im Angebot zwei Pflanzkästen gekauft, und ich habe ihr ein erstes kleines Set Ableger aus dem Garten gebracht. Sie ist so gehyped, dass sie Screenshots aus der Wetter-App schickt und um ihre Pflanzen bangend nachfragt, ob auch bei Starkregen alles gutgehen werde. Ihre Freude, die ich so gut kenne und die so erfreulich nachhaltig und immer wiederkehrend ist, macht mich glücklich. Ihr zuzusehen, ist wie ein Extra-Shot Frühling.  

Etwas Neues: RPDC und IRPDC 

Ihr habt in früheren Folgen schon von meiner pastellfarbenen 80er-Jahre-Head-Steppjacke, die in einem James Bond-Film und von meinen Art-Decó-Keramik-Enten, die in einem Alain-Delon-Film auftauchten, gelesen. Für diese Rezeptionserfahrung habe ich bisher keinen Begriff geprägt, das hole ich jetzt nach. Ab jetzt heißt das überraschende Auftauchen von raren persönlichen Dingen in ästhetischen Darstellungen anderer Leute »Rares-persönliches-Ding-Cameo«, kurz: RPDC. »Rar« meint, dass diese Gegenstände in der Gegenwart deutlich seltener auf der Welt sind als etwa ein IKEA-Billy-Regal oder eine schwarze North-Face-Steppweste. 

Es ist wirklich höchste Zeit gewesen, den Begriff zu prägen, weil mittlerweile schon ein Subgenre des Phänomens aufgetaucht ist: »das instantane Rares-persönliches-Ding-Cameo«, kurz: IRPDC. Dieses bezeichnet das Auftauchen eines im Augenblick bei sich oder an sich getragenen raren persönlichen Dings in ästhetischen Darstellungen anderer Leute. 

Seht selbst.

TV-Krimi-Nebenfigur mit pastellfarbener Fiorucci-Jogginghose im Batiklook

TV-Krimi-Zuschauerin mit pastellfarbener Fiorucci-Jogginghose im Batiklook, während sie auf dem Screen TV-Krimi-Nebenfigur mit pastellfarbener Fiorucci-Jogginghose im Batiklook sieht

Unglaublich, da sitzt menschmaus entspannt denkfaul auf der Couch, und ehe sie sich’s versieht, ist sie Teil einer Bildebenen und Beobachter*innenordnungen transzendieren Mise-en-abyme. 

Wichtig: Fiorucci ist aktuell keine in Deutschland allzu verbreitete Marke, und ich hatte mir die Jogginghose gerade erst gekauft, nachdem ich Jahre auf deren Preisreduktion gewartet hatte. Es ist also wirklich ein großer Zufall.

Ziemlich spannend, vielleicht schreibe ich darüber mal einen Essay. Für den Anfang lernt schön die neuen Begriffe: 

Rares-persönliches-Ding-Cameo (RPDC) bezeichnet das überraschende Auftauchen von raren persönlichen Dingen in ästhetischen Darstellungen anderer Leute. 

Instantanes Rares-persönliches-Ding-Cameo (RPDC) bezeichnet das Auftauchen eines im Augenblick bei sich oder an sich getragenen raren persönlichen Dings in ästhetischen Darstellungen anderer Leute. 

Etwas Geborgtes:

»Bevor der Staat sich auflöste, löste sich die Sprache auf, mit der wir unsere Hoffnung auf eine ›staatenlose‹ neue Zeit zum Ausdruck gebracht hatten.«

Lea Ypi, FREI. Erwachsenwerden am Ende der Geschichte (Abre numa nova janela), 151

Etwas Uncooles: Aufklärungsüberhang

Etwas, das Menschen, auch ich, lernen müssen, ist, dass Menschen, die von Problemen erzählen, gar nicht immer einen Rat hören wollen. Manchmal, häufig, fast immer haben sie selbst schon alles gedacht, durchdacht, bedacht und sind zu dem Schluss gekommen, dass es nicht so einfach ist, dass es ambivalent ist, dass es vielleicht sogar ausweglos ist, aber sie müssen halt trotzdem klarkommen mit dem, womit nicht wirklich klargekommen werden kann. Ein kleiner, aber bedeutungsvoller, weil mildernder Moment beim Klarkommenmüssen kann sein, dass andere Menschen einfach zuhören. Nicht einordnen, nicht urteilen, nicht kommentieren, nichts raten. Nur zuhören. 

Nichts zu raten, wenn kein Rat erbeten wurde, ist dialogisch, obwohl eine von zwei Personen gerade nicht redet. Dialog kann auch bedeuten, Sprechraum abzugeben. Das fällt Menschen, die mit dem Selbstbewusstsein aufgewachsen sind, auf Basis der westlichen Aufklärung zu denken und zu sprechen, schwer. Mir auch. Mal nicht zwanghaft blablabla analysieren, wenn das – muss man erst mal checken – in dem Moment eher die Existenz der anderen Person verletzen würde. 

Das eigene Selbst-Bewusstsein runterzufahren, wenn es dem Dialog im Weg steht, das ist eine Aufgabe, eine Übung, aber keine Zumutung. Es ist menschlich und gesellschaftlich notwendig. Ein weiterer Fall von: das Richtige tun, auch wenn es sich unbehaglich anfühlt. 

Es geht nicht nur um Öffentlichkeit, Mikrofone, Panels, Bühnen, sondern um Kommunikation an sich. 

–Wie, ICH soll mal den Mund halten? 

*übt*

Rubrikloses

Gelesen: »In Madagaskar, Malawi und Mosambik ist die Zahl der Todesopfer infolge des Tropensturms ›Freddy‹ auf mehr als 100 gestiegen.« 

Gedacht: Potenziell tödliche Wetterphänomene sollten keine wie Spitznamen klingenden Namen bekommen. Die Aussage »Meine Familie starb bei Freddy« würde einer Familienkatastrophe unnötig symbolische Würdelosigkeit hinzufügen. 

Der Boomerkater hat einen neuen Dreistigkeitsrekord aufgestellt und mich Samstagnacht insgesamt viermal geweckt: zweimal von draußen fast die Scheibe eingeschlagen, zweimal trappel trappel trappel mau ums Bett herum. (Laufen im Katzen-Oldschool-TV auch so viele Werbespots für die Prostata stärkende Medikamente?) 

Der erste Vogel an der neuen Futtersäule waren zwei Eichhörnchen.

50 % unfreiwillige Satire, 30 % Frauenhass, 20 % Ökofaschismus

Präraffaelitische Girls erklären

Zurück zu den mit unserer Hilfe an ihren Dissertationen arbeitenden KI, wir sehen uns nächste Woche. Seid lieb, nur nicht zu Nazis.

XOXO,
FrauFrohmann

Voraus

Ab Folge 83 wird die Rubrik »Etwas Uncooles« von »Etwas Unheimliches« abgelöst. 

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