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Über die Winterschwermut und Laufschuhe.

Die Winterschwermut wohnt noch mindestens zwei Häuser weiter, aber manchmal winkt sie mir bereits über die Straße zu, und ich weiß es wird nicht mehr allzu lange dauern, bis sie bei mir einzieht.

Das macht sie jedes Jahr.

Und sie ist so eine, der es ganz egal ist, ob sie als Gast gern gesehen ist oder nicht.

Um es vorwegzunehmen: sie ist es nicht.

Weil sie so ein Gast ist, der immer länger bleibt als angekündigt und in dieser Zeit alle Vorräte leer isst, sogar das geheime Schokoladenversteck in der Sockenschublade.

Und wenn es nur das wäre. Auch mein Bett muss ich dann mit ihr teilen. Sie fläzt sich zufrieden neben mir unter den Decken, um sogar bis in meine Träume mitzukommen.

Dass sie sich meine Kleider borgt muss ich erst gar nicht mehr erwähnen; obwohl borgen in diesem Fall ein Begriff für „klauen und nicht mehr zurückgeben“ ist, natürlich.

So ein Gast ist sie, die Winterschwermut.

Lass sie einfach nicht rein, sagt ihr.

Von wegen, sage ich, sie hat längst einen Schlüssel.

Sie hat nur eine einzige Schwäche, und die werde ich dieses Mal nutzen, von Anfang an:

Sie ist so faul und träge wie ihr Name selbst.

Das heißt, ich kann ihr immerhin davonlaufen.

Nicht, dass das einfach wäre.

Aber schon wenn ich meine Laufschuhe nur anziehe, gähnt sie, winkt ab, und verkriecht sich irgendwo mit einer Flasche Wein.

Dieses Jahr beginne ich wieder zu laufen, noch bevor die Winterschwermut ganz eingezogen ist.

Denn der Herbst reicht mir großzügig seine Hand, der wilde Herbst, der lockt und lacht und behauptet, fliegen wäre noch besser als laufen. Er ist dieses Jahr nicht ganz so übermütig, aber es reicht.

Ich ziehe die Schnürsenkel so fest ich kann und laufe los.

Am Anfang macht das Laufen nie Spaß. Irgendwo tut immer etwas weh, die Lungen behaupten, sie könnten so nicht atmen, die Knie erinnern mich daran, dass sie auch schon mal jünger waren, und die Winterschwermut ruft mir aus der ferne zu: Lass es doch einfach bleiben! Mir entkommst du nicht.

Aber ich ignoriere alles. Ich ignoriere auch den feinen Nieselregen und das triste Wolkengrau.

Und laufe einfach weiter.

Ich laufe den ganzen kleinen Schmerzen in meinem Körper davon, bis sie sich im feuchten Wind verflüchtigen. Das dauert gar nicht lange.

Die schmerzhaften kleinen Gedanken, die halten sich hartnäckiger an mir fest.

Aber auch ihnen laufe ich davon.

Schritt für Schritt laufe ich der Mutter Angst davon, die so viele Kinder hat, die Angst, nicht zu genügen, die Angst vor Krankheit, die Angst vor Einsamkeit, die Angst vor Ungewissheit, die Angst vor der Angst vor der Angst selbst...

Ich laufe dem Zweifel davon und dem Zynismus, der Enttäuschung und der Wut.

Ich laufe so lange, bis alles in mir leer ist. Einfach nur leer. Da muss kein Glück sein.

Leere reicht. Eine Leere aus Luft und Laufen, die Leere zwischen Bäumen und dem Duft nach nassem Holz.

Mein Körper wird jetzt langsam fröhlich.

Guck mal, was ich kann!, ruft er und legt kleine Hüpfer ein, als er sich an seine Kraft erinnert und die Freude, die er hat, wenn er sich bewegt.

Ich laufe so lange, bis der Herbsttag selber müde wird und die Sonne schlafen schickt.

Dann gehe ich nach Hause. Verschwitzt und leer und ziemlich sehr zufrieden.

Ich winke der Winterschwermut zwei Häuser weiter zu.

Bis bald, sage ich, wir werde es uns zu zweit gemütlich machen, mit Kerzen, heißem Tee, schönen Geschichten und vielleicht auch ein paar Tränen. Und ich denke, dass ihr Besuch auch ein paar gute Seiten hat.

Solange ich mich zwischendrin wieder leer und stark laufen kann.

Heißer Tee und Tränen. Laufschuhe und Wind.

und alle Türen und Fenster sind offen, und draußen hört man keine Traktoren mehr, nur noch Grillen.

Und ich denke, dass Freude ziemlich schmutzig sein kann, und dass Großfamilien iDie Winterschwermut wohnt noch mindestens zwei Häuser weiter, aber manchmal winkt sie mir bereits über die Straße zu, und ich weiß es wird nicht mehr allzu lange dauern, bis sie bei mir einzieht.

Das macht sie jedes Jahr.

Und sie ist so eine, der es ganz egal ist, ob sie als Gast gern gesehen ist oder nicht.

Um es vorwegzunehmen: sie ist es nicht.

Weil sie so ein Gast ist, der immer länger bleibt als angekündigt und in dieser Zeit alle Vorräte leer isst, sogar das geheime Schokoladenversteck in der Sockenschublade.

Und wenn es nur das wäre. Auch mein Bett muss ich dann mit ihr teilen. Sie fläzt sich zufrieden neben mir unter den Decken, um sogar bis in meine Träume mitzukommen.

Dass sie sich meine Kleider borgt muss ich erst gar nicht mehr erwähnen; obwohl borgen in diesem Fall ein Begriff für „klauen und nicht mehr zurückgeben“ ist, natürlich.

So ein Gast ist sie, die Winterschwermut.

Lass sie einfach nicht rein, sagt ihr.

Von wegen, sage ich, sie hat längst einen Schlüssel.

Sie hat nur eine einzige Schwäche, und die werde ich dieses Mal nutzen, von Anfang an:

Sie ist so faul und träge wie ihr Name selbst.

Das heißt, ich kann ihr immerhin davonlaufen.

Nicht, dass das einfach wäre.

Aber schon wenn ich meine Laufschuhe nur anziehe, gähnt sie, winkt ab, und verkriecht sich irgendwo mit einer Flasche Wein.

Dieses Jahr beginne ich wieder zu laufen, noch bevor die Winterschwermut ganz eingezogen ist.

Denn der Herbst reicht mir großzügig seine Hand, der wilde Herbst, der lockt und lacht und behauptet, fliegen wäre noch besser als laufen. Er ist dieses Jahr nicht ganz so übermütig, aber es reicht.

Ich ziehe die Schnürsenkel so fest ich kann und laufe los.

Am Anfang macht das Laufen nie Spaß. Irgendwo tut immer etwas weh, die Lungen behaupten, sie könnten so nicht atmen, die Knie erinnern mich daran, dass sie auch schon mal jünger waren, und die Winterschwermut ruft mir aus der ferne zu: Lass es doch einfach bleiben! Mir entkommst du nicht.

Aber ich ignoriere alles. Ich ignoriere auch den feinen Nieselregen und das triste Wolkengrau.

Und laufe einfach weiter.

Ich laufe den ganzen kleinen Schmerzen in meinem Körper davon, bis sie sich im feuchten Wind verflüchtigen. Das dauert gar nicht lange.

Die schmerzhaften kleinen Gedanken, die halten sich hartnäckiger an mir fest.

Aber auch ihnen laufe ich davon.

Schritt für Schritt laufe ich der Mutter Angst davon, die so viele Kinder hat, die Angst, nicht zu genügen, die Angst vor Krankheit, die Angst vor Einsamkeit, die Angst vor Ungewissheit, die Angst vor der Angst vor der Angst selbst...

Ich laufe dem Zweifel davon und dem Zynismus, der Enttäuschung und der Wut.

Ich laufe so lange, bis alles in mir leer ist. Einfach nur leer. Da muss kein Glück sein.

Leere reicht. Eine Leere aus Luft und Laufen, die Leere zwischen Bäumen und dem Duft nach nassem Holz.

Mein Körper wird jetzt langsam fröhlich.

Guck mal, was ich kann!, ruft er und legt kleine Hüpfer ein, als er sich an seine Kraft erinnert und die Freude, die er hat, wenn er sich bewegt.

Ich laufe so lange, bis der Herbsttag selber müde wird und die Sonne schlafen schickt.

Dann gehe ich nach Hause. Verschwitzt und leer und ziemlich sehr zufrieden.

Ich winke der Winterschwermut zwei Häuser weiter zu.

Bis bald, sage ich, wir werde es uns zu zweit gemütlich machen, mit Kerzen, heißem Tee, schönen Geschichten und vielleicht auch ein paar Tränen. Und ich denke, dass ihr Besuch auch ein paar gute Seiten hat.

Solange ich mich zwischendrin wieder leer und stark laufen kann.

Heißer Tee und Tränen. Laufschuhe und Wind.

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