IN WALD MESSEN

SACHBUCH-KRITIK

Es grünt so grün, wenn Deutschlands Birkenpollen... flieg'n. So oder so ähnlich war das doch richtig? Na, egal, Allergien irritieren und können schlimmstenfalls etwas wirr machen (mehr dazu bald mit Blick auf Christina Berndts Klimaresilienz), nagelt mich also bitte nicht direkt an die Eiche. Würde auch ungern von den widerhakenden Eichenprozessionsspinner-Raupen verbrannt werden...

...so, wo waren wir? Genau – Bäume. Sie sind schön (meist), gut fürs Klima und für Vögel, können schöne Geräusche machen und bringen Abkühlung vor allem in aufgeheizte Städte (nur kaum mehr am Gendarmenmarkt in Berlin). Doch sie können eben auch ein Risikofaktor sein, beispielsweise für Allergiker. Wer sich aber dennoch gern Bäume und Wälder anschaut, dabei aber auf Problem-Pollen verzichten mag, wird bei Bohem Press aus der Schweiz fündig.

Dort ist vor einiger Zeit das riesige Zick-Zack-Leporellobuch Fantastischer Wald des chilenischen Künstlers Sebastián Ilabaca erschienen, das komplett ausgewachsen drei Meter lang ist. Und gar doppelseitig bedruckt, ergo sechs Meter Wald bietet (und mir verraten hat, dass das etwa die Länge meines Wohnzimmers ist). Das ist mehr als manche Menschen bis in ihre Mittdreißiger Wald live gesehen haben.

Und es gibt so einiges zu entdecken – wenn auch die verlagsseitige Frage „Kommst du mit auf ein Abenteuer im Wald?“ ein wenig nach dem Mann klingt, der dir Süßigkeiten oder eine Fahrt nach Hause anbietet, was selten gut ausgeht – und das lohnt sich! Dafür stimmt es, dass Ilabaca eine Welt erschaffen hat, in die mensch sich (nicht nur) „als Kind mitten hineinsetzen und stundenlang eintauchen kann [...]. Eine intensive Reise, die Ruhe, Konzentration und Vorstellungskraft fördert.“

Eine Reise, während derer sich wirklich vieles entdecken lässt, funktioniert das wirklich liebevoll illustrierte Fantastischer Wald doch auch als bestens grün-buntes (gar nicht versifftes) Wimmelbuch. Tanzende sowie Musik machende Tiere, gekleidet in bester Hipster-Manier. Tee-Und-Cupcake-Time mit Frosch und Tausendfüßler. Großgewachsene Pilze, teils fantastisch anmutende Pflanzen, Baumhaus und Scheune, See und Berg. Mittendrin plötzlich ein Menschenfuß, aber der soll uns gar nicht weiter irritieren (tun sie so schon genug).

Und wer oder was lugt denn da aus einem Baumstamm? Etwa auf die andere Seite, die uns Wohnen in der Natur zeigt? Mitsamt Kürbis- und Kohlanbau sowie Bienenzucht und Brunnentiefe. Leute in ihren Häusern, auf der Wiese und beim Chillen am Heuballen (sowas würde es bei Bauer sucht Frau nicht geben!). Selbst jetzt, wo ich mir dieses Leporellobuch zum x-ten Mal anschaue, finden sich noch immer Dinge, die ich vorher nicht bewusst wahrgenommen habe.

Wirklich eine fantastische Welt ist dieser Fantastische Wald, der auch dabei helfen kann, früh den begeisterten Blick auf die Natur und damit entsprechende Wertschätzung zu etablieren. Dass Sebastián Ilabaca es liebt, „Geschichten sichtbar zu machen, die sich in Stiften und Pinseln verbergen“ ist jedem Detail auf jeder Klappe deutlich anzusehen. Ganz ohne Niesen zu müssen.

AS

PS: Der Wald spielt auch im morgigen Polizeiruf 110: Bös geboren aus Rostock eine wesentliche Rolle. Mehr gibt’s am Sonntagvormittag.

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Sebastián Ilabaca: Fantastischer Wald (Abre numa nova janela); Oktober 2024; 24 Seiten, durchgehen vierfarbig; Format: 28 x 35 cm; Pappe mit Klappen und Lochstanzung; empfohlen ab zwei Jahren; ISBN: 978-3-95939-229-7; Bohem Press; 26,00 €