Ins Dunkel der Nacht …
Adventskalender 2024 - Fünfundzwanzig - 25. Dezember
Meine Antwort auf den grellen, schrillen, hektischen, nervtötenden Weihnachtsmarathon habe ich 2016 zu einem Weihnachtslied gemacht. Mit dem Titel “Ins Dunkel der Nacht”.
2016 war das Jahr “nach” der sogenannten “Flüchtlingskrise” (2015).
“Wir schaffen das.”
Viele Deutsche waren ihrer Kanzlerin ausgerechnet wegen dieses Satzes böse. Damals.
Ich erinnere mich an eine Anekdote aus meinem gemischten (weltlichen) Chor, den ich damals geleitet habe.
Zum Hintergrund / Kontext der Anekdote:
(Von 2015 bis 2018 den Gesangsverein Brüderschaft (gemischter Chor, auch wenn es der Name anders vermuten ließ) UND den Männerchor Osternburg-Drielake). Seit mehr als 150 Jahren gab es beide Chöre & Vereine. Die Tradition dieser beiden “Dinosaurier” war mächtig verstaubt und zeugte von erlebter Zeitgeschichte, die ein einzelnes Menschenleben weit übertrifft. Aber es wirkte so - durch die Präsenz der Traditionen, des alten Liedguts, der alten Wimpel, der alten Namen usw. als haben die Sänger*innen die mehr als 150 Jahre alle selbst miterlebt. Letztendlich reichen ihre Erinnerungen an die Erzählungen ihrer Eltern & Großeltern auch wirklich so weit zurück. Das Durchschnittsalter der Sänger*innen war um die 80.
Damals habe ich Insgesamt zwölf Chöre, Offene Singkreise, Bands & Musikgruppen geleitet.
Kein Wunder könnte man meinen, dass der Dezember, die Advents- & Weihnachtszeit für mich ein Stressmarathon waren.
ÜBERALL Weihnachtsfeiern, Weihnachtsmusik, Druck, Stress, dass die Kinder was können, was sie aufführen können. An Heilig Abend, an Weihnachten, am Nikolaustag, an den Adventssonntagen; für Oma & Opa, Tante, Onkel, Cousin, Cousine, in der Schulklasse, in der Kirchengemeinde, beim Adventstee in der Nachbarschaft, bei der Weihnachtsfeier im Seniorenheim, im Krankenhaus, auf der Palliativstation, in der Familienbildungsstätte, beim Lebendigen Adventskalender, in den Krippenspielgottesdiensten an Heilig Abend oder in den musikalischen Adventsandachten an den vier Sonntagen davor.
Vielleicht hätte ich weniger arbeiten sollen. Weniger von Termin zu Termin flitzen. Aber mit diesem Pensum hatte ich ein einigermaßen akzeptables Einkommen und ein fast hinreichendes gesellschaftliches Zugehörigkeitsgefühl. Vom Nettoeinkommen her vergleichbar mit Altenpfleger*innen, Erzieher*innen, Hebammen, Krankenpfleger*innen, die halbe Stellen haben. (Mit ganzen Stellen verdienen sie doppelt so viel.)
Der Job, den ich gemacht habe, war verdammt schlecht bezahlt. Eine Zeitlang war ich trotzdem zufrieden. Weil es mir und anderen Freude gemacht hat. Die Musik … Weil Musik & Texte Herzen öffnen können. … Bis ich an dem Stress den ich hatte, ausgebrannt bin. Vielleicht weil ich zu wenig Budget hatte, um mir mehr Regeneration (Urlaub, Wellness, Kurztrips, Entspannungskurse, Malwochenenden, Yoga am Meer usw.) zu kaufen. Vielleicht hätte ich es dann noch ein paar Jahre länger geschafft. Dieses Pensum.
Und jedenfalls … - die Anekdote:
Es war nicht immer einfach mit den sehr alten Chören. Für mich nicht mit ihnen. Für sie nicht mit mir und mit sich selbst. Sterbende Chöre, die seit Jahrzehnten nicht mehr in ausreichender Zahl Nachwuchs finden, um weiterbestehen zu können, weil ihr Repertoire zu verstaubt ist; deren Mitglieder Jahr um Jahr wegsterben, deren Stimmen älter werden, deren körperliche Gebrechen sie einschränken, haben es nicht leicht - wenn sie trotzdem im gewohnten Pensum noch auftreten wollen - solche sterbenden Chöre haben es nie leicht. (Insgesamt ungefähr 35 Auftritte pro Jahr mit etwa 100 Proben - nur diese beiden Chöre (Gesangsverein Brüderschaft / Männerchor Osternburg-Drielake).
Und es war ein Mühen und ein Plagen in den Proben - besonders für den Sopran, weil ihre Stimmen die Höhe nicht mehr schmerzfrei trafen - (Schmerzen in ihren Hälsen, Schmerzen in aller Ohren) - besonders für den Alt, weil es schwieriger wurde, diese weniger eingängigen Melodien der Mittelstimme zu singen, ohne in die Hauptmelodie des Liedes in der eigenen Stimmlage zu rutschen oder ganz aus dem Konzept zu kommen und mich kopfschüttelnd mit verzweifelter Miene anzusehen. Und auch besonders für die Männerstimmen, weil sie nur noch so wenige waren. Von Tenor & Bass war schon lange keine Rede mehr. Eine Männerstimme genügte. Eine Art Bariton. Eine Art Generalbass. …
Der erste Vorsitzende war ein strenger Mann mit hohem Anspruch. Ich glaube, vielen hätte ein Offener Singkreis inzwischen genügt. Einmal pro Woche zusammenkommen, die alten Lieder singen. Vielleicht sogar einstimmig wie beim Landfrauen- oder Bürgerverein in mittlerer Lage - nicht zu hoch, nicht zu tief. In der Pause einander von den Kindern erzählen und vom Sonntagsausflug oder von den Arztbesuchen und Krankheitsleiden. Und ab und an gesellige Anlässe. Vereinsleben. Weihnachtsfeier mit Wichteln, Singen, Kaffee & Kuchen. Grünkohlfahrt. Sommerfest. Ab und zu zu den jährlichen Auftrittsterminen (übers Jahr verteilt an verschiedenen Orten in gewachsener Tradition) ein einfacheres Repertoire anbieten. Kanons vielleicht. Dafür muss nur eine Stimme einstudiert werden und trotzdem klingt es fürs Publikum toll, wenn der Kanon klappt. Und das Publikum war ja oft das Seniorenheim. “Die Alten”, die gar nicht mehr selbstständig leben können, sondern schon Pflege brauchen …
Aber der - inzwischen verstorbene - Vorsitzende des Gesangsvereins Brüderschaft hatte ambitioniertere Pläne. Es sollte klappen. Das alte und das neue Liedgut. Was Peppiges einstudieren, um für jüngere Menschen attraktiver zu sein … Nur: Wo sollten die jüngeren Menschen den Chor zu hören bekommen? Das Personal und einige Angehörige im Seniorenheim vielleicht? Die erwachsenen Kinder und Enkel der Chorsänger*innen vielleicht? (Es gibt aber mehr als dreißig Chöre - die nochmal mindestens dreißig Chöre von evangelischen und katholischen Kirchengemeinden noch nicht eingerechnet! - im erreichbarem Umfeld. Die jüngeren Menschen haben Auswahl. Der sterbende Chor hat Konkurrenz. Und es gibt Fitnessstudios und zig andere Gruppen und Kreise. Das 150-Jahre alte traditionelle Vereinsleben mit verstaubten Wimpeln und Statuten hat Konkurrenz. …
Aber zu peppig die Lieder dann bitte auch nicht. Nicht so, wie ich es auf den Fortbildungen, die ich mitmachen musste, weil es dann Zuschüsse für die Vereinskasse gab, gelernt habe. Kein Jazz, kein Swing, kein Pop - nicht Englisch bitte. Und auch nicht allzu kirchlich-christlich, wie es meiner fundierten kirchenmusikalischen C-Ausbildung entsprach. …
DIE ANEKDOTE - Long Story Short:
Und in diesen Stress und die festgefahrene Situation hinein sagte ich zu den verzweifelten frustrierten Gesichtern im Sopran und im Alt, die mich hinter ihren Notenmappen flehend ansahen, nachdem der Vorsitzende mit seiner im Stehen gehaltenen Standpauke fertig war: “Wir schaffen das!” Im Dezember 2016.
Eine Frau aus dem Sopran meldet sich mürrisch zu Wort und sagt: “Also, eines will ich mal sagen: Den Satz “Wir schaffen das!” haben wir in diesem Land zu Genüge gehört.” Sie erntet manches Kopfnicken, Murmeln und ich ernte scheue Blicke, in denen mitschwingt, dass ihnen klar ist, dass ich diese implizierte Position zu Merkels berühmter Ansage in der sogenannten “Flüchtlingskrise” nicht teile. Mir läuft es kalt den Rücken runter. Da schwingt so viel Schreckliches mit. Nationalismus. Fremdenfeindlichkeit. Hetze gegen Geflüchtete.
In dieses verzweifelte Plagen der so Verbitterten & Verhärteten hinein sagte ich vom Klavier aus: “Wir schaffen das!” und habe so eine Reaktion geerntet.
In solchen Momenten fühle ich mich mutterseelenallein in einem Raum voller Menschen.
Was soll ich denn machen, wenn überall Kaltherzigkeit, Hartherzigkeit, Sexismus, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus, Antiziganismus, Ableismus, Queerfeindlichkeit - in der gewohnten “salonfähigen” Weise zum Ausdruck kommen, obwohl ich das Liedgut so auswähle, dass das Gegenteil angeregt werden soll? Weltoffenheit, Mitgefühl, Empathie, Barmherzigkeit, offene Herzen, Fürsorge, Caring, Nächstenliebe, Liebe, Geschwisterlichkeit … - im Geiste der Bergpredigt. Im Geiste von St. Martin & St. Nikolaus. Im Geiste der Weihnacht.
Was soll ich denn machen?
Ich habe das Lied geschrieben. Damals. “Ins Dunkel der Nacht”
Nicht ins grelle, schrille Glitzern der Deko, des Konsums, des Überflusses, des Weihnachtsstresses und des Leistungsdrucks - sondern in den großen dunklen Schatten, der aus all dem Hetzen, Eilen, Jagen, Streben, Flitzen, Habenwollen, Seinwollen, Erlebenwollen, Zustandebringenwollen, Behaltenwollen, Erreichenwollen geworfen wird.
2016 habe ich dieses Lied in den Weihnachtsgottesdiensten vorgetragen.
Nicht in den Krippenspielgottesdiensten für Kinder und Familien mit dieser Donnerknispelstimmung, als würde gleich noch Konfetti geworfen, weil es nach dem Gottesdienstbesuch Bescherung gibt … Aber in den weiteren Gottesdiensten, die ich früher begleitet habe. Anstelle des Orgelvorspiels oder mittendrin. Es gab und gibt immer Positionen in den Gottesdiensten, an denen ich selbst entscheiden kann, was ich spiele oder singend vortrage …
2017 habe ich es in anderen Gemeinden auch gesungen. …
2018 hat es mich durch ein dunkles, schmerzhaftes Lebensjahr getragen. …
2019 habe ich es aufgenommen - im “Klimajahr”, als Fridays for Future und Extinction Rebellion und die gesamte KlimaGerechtigkeitsBewegung mit all ihren Gruppen auf dem vorläufigen Höhepunkt war / vor Corona …
Für den Adventskalender des Kirchenradios. …
Seitdem ist es in verschiedenen Adventskalendern und in verschiedenen Gottesdiensten verwendet worden …
Mein Lied vom Geiste der Weihnacht im Dunkel der Nacht. Vom Licht in tiefster Dunkelheit.
2016 habe ich auch angefangen, Krippenspiele zu schreiben. Mit weniger Friede, Freude, Eierkuchen und mehr aktuellem Zeitbezug. … (Dazu mehr in einem der nächsten Blogbeiträge - mit einem Ausblick auf 2025.)
Manche fanden das gut und haben mir positives Feedback gegeben.
Manchen war es zu viel “Finger in die Wunde legen”, so dass das allgegenwärtige Verdrängen unterbrochen wird. …
Am 20.12.2019 - Adventskalender vom Kirchenradio Oldenburg:
https://www.kirchenradio-oldenburg.de/2019/12/hoert-hoert-advent-20-dezember-2019/ (Abre numa nova janela)Am 01.12.2023 - Adventskalender im Blog “Klima-Suffragette” (mit Begleittext & meinen Gedanken zum Liedtext):
https://sonjamanderbach.blogspot.com/2023/11/011223-adventskalender-ins-dunkel-der.html (Abre numa nova janela)Am 23.12.2024 - Adventskalender der Christians for Future (Deutschland):
https://christians4future.de/23-dezember/ (Abre numa nova janela)Dieses Jahr im Dezember gibt es gerade ganz viel Neues bei Rückenwind & graswurzelpresse und bei ARTagainstECOCIDE - KUNSTgegenÖKOZID zu entdecken.
https://linktr.ee/ARTagainstECOCIDE (Abre numa nova janela)https://steadyhq.com/de/rueckenwind-graswurzelpresse-grassroot-press/posts (Abre numa nova janela)Für heute nur noch der Verweis auf meinen Adventskalender 2024
- mit vielen tollen Gutscheinen für 2025 …
GUTSCHEIN - 25 Stickersets zu gewinnen! - Blogbeitrag: "Ins Dunkel der Nacht" & Adventskalender: 25. Dezember 2024 ... | Sonja Manderbach (Abre numa nova janela)
Heute gibt es von Christians for Future ein Sharepic zu Chanukka
Und zwei weitere, die in Chatgruppen geteilt wurden, die ich hier einfach noch mal mitteile, weil ich die zentrale Botschaft des Zusammenhaltens und einander verstehen zu lernen, indem ein Konsens gefunden wird, der Gemeinsamkeiten betont und Unterschiede als bereichernde Diversität & Lebendigkeit feiert!
Wo wir gerade bei den Sharepics (Bilder zum Teilen in Social Media) sind ... - von da ist es nicht weit zu den Stickern.
2024 habe ich viele Sharepics und Logos & Embleme entworfen & layoutet. Auch für Nein & Amen, für die Kampagne #mirtutdasherzweh, zuletzt für #ARTagainstECOCIDE - #KUNSTgegenÖKOZID ...
Ab Februar 2025 soll es dazu Stickersets, Poster, Plakate, Postkarten, T-Shirts, Taschen usw. geben.
Für mehr Reichweite (fürs Thema / für die Kampagnen)
Für kreative Selbstpositionierungen, was auch wieder die Selbstwirksamkeit erhöht & somit zum Wohlbefinden beiträgt.)
Für das Generieren von Budgets für Spenden & sonstige Handlungsfähigkeiten ...