Bei uns zuhause gibt es eine Regel: Wer zuerst aufsteht, kocht den Kaffee. Das funktioniert hervorragend, weil wir beide, also mein*e Partner*in und ich, morgens nichts anderes wollen als erstmal eine Tasse Kaffee zu trinken und wach zu werden.
Vor ein paar Tagen war wieder mal ein ganz normaler Tag, an dem mein*e Partner*in vor mir aufstand, mir ging’s nämlich nicht allzu gut, und Kaffee kochte. In meiner sechseckigen, schwarzen Tasse sah mein Kaffee ganz normal aus, dabei war er ein ganz Besonderer.
Ich wollte ihn ein paar Minuten abkühlen lassen, so wie ich es immer tue. Und da hörte ich meine*n Partner*in aus der Küche rufen: „War das in dieser Dose nicht Kaffee?“ Ich antwortete: „Doch, das ist Kaffee. Wieso?“ „Es schmeckt so komisch“, lautete die Antwort.
Ich lief dann in die Küche und sah, dass mit „Dose“ nicht die Kaffeedose gemeint wart, sondern jene Dose, in der ich mein Sumak aufbewahre – ein Gewürz, mit dem ich Salate aufpimpe. Es schmeckt säuerlich, fast schon wie Essig. Ein kleines Bisschen Sumak im Salat wirkt auf mich wie eine Zeitmaschine oder ein Beamer, es ist für mich ein Stück Antalya, hat also leider auch einen emotionalen Wert. Was Essen und Heimweh miteinander zu tun haben, hatte ich dieses Jahr ja schon geschrieben (Abre numa nova janela).
Als ich sah, dass die Sumakdose komplett geleert war, um als heiße Brühe in der French-Press-Kanne verschwendet zu werden, wurde ich kurz so richtig wütend. Ich wollte herumschreien und mich am Boden wälzen – wie gesagt ging’s mir an dem Tag nicht so gut. In Leipzig ist es nämlich gar nicht so leicht, an Sumak ranzukommen, in „normalen“ Supermärkten in meiner Nähe gibt es das nicht, ich muss extra zur Eisenbahnstraße fahren. Es ist nicht eine besonders lange Strecke, kurz ist sie aber auch nicht.
Ich weiß nicht, warum ich die Sache mit dem Sumak-Kaffee so persönlich nahm, aber ich nahm sie persönlich. Anstatt meine*n Partner*in anzuschreien, schrieb ich ein paar wütende Nachrichten an meine Freundin. Sie lachte sich kaputt und mein Bedürfnis zu schreien war danach absolut gestillt. Alle haben gewonnen. Außer mein*e Partner*in, weil sie*er von dem Sumak-Kaffee tatsächlich getrunken hat. Saure Zeiten sozusagen, aber offline.
Rezept:
1 Kohlrabi oder 1 Eisbergsalat
1 Gemüsezwiebel oder 3 Frühlingszwiebeln
1 Gurke
3 Tomaten
1 rote Paprika oder 3 grüne Spitzpaprika
1 Bund Petersilie
1 TL Salz (oder halt weniger)
1 TL Sumak
1 TL Chili
Olivenöl
Zitronensaft
Zubereitung: Kohlrabi reiben oder Eisbergsalat dünn schneiden. Zwiebeln klein hacken. Gurke, Paprika und Tomaten würfeln. Zum Anschluss mit Petersilie, Salz, Chili und Sumak würzen, dazu Olivenöl und Zitronensaft geben. Mindestens eine halbe Stunde ziehen lassen, am besten aber eine ganze Stunde. Mit Löffel essen.
Achtung: Wenn du den Salat aufgegessen hast, wird ein Salatsaft am Boden der Salatschale übrig bleiben. Den nicht verschwenden, sondern trinken. Aus der Schale, wie so eine Barbarin.
Die Kolumne des Monats schrieb Hami. Hami folge ich auf Instagram. Sie teilte vor einer Weile einen Post (Abre numa nova janela), den ich sehr gut fand. Darin arbeitete sie sich an der Behauptung eines CDU-Mitglieds ab, die CDU sei die Partei des Nie-wieder-Faschismus. Hami erinnerte sich in ihrem Post, was in den letzten Jahren unter CDU-Regierung bzw. durch CDU-Begünstigung so alles Faschistisches in Deutschland passieren konnte. Ich habe sie gebeten, daraus eine Kolumne zu schreiben, ein sogenanntes Faschismus-Zeugnis der CDU, wenn du so willst.
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Illustrationen und Banner in diesem Newsletter sind von Tabea Ćubelić.
„Nie wieder Faschismus!“ – Warum das nicht viel mit der CDU zu tun hat
Von Hami
„Ich hoffe, dass Sie niemals eine bedeutende Position in der Welt bekommen. Ich stehe als CDU-Mitglied treu hinter der Parole - Nie wieder Faschismus!“ Diese erboste Nachricht erhielt ich letztens auf Instagram, nachdem ich die CDU in einem Post als unwählbar bezeichnete. Ich wollte wissen, wie viel Wahrheit hinter dieser Aussage steht, also fing ich an mich durchzuklicken. Hier folgt ein Antifaschismus-Zeugnis der CDU.
Unter dem hessischen CDU-Innenminister Peter Beuth bleiben die NSU-Akten für weitere 30 Jahre unter Verschluss (Abre numa nova janela). Das verhindert eine umfassende Aufklärung der NSU-Morde und mögliche Verbindungen zum Mord an Walter Lübke. Der NSU-Untersuchungsausschuss wurde nach vier Jahren beendet, ohne einen gemeinsamen Abschlussbericht (Abre numa nova janela) vorzulegen. In Hessen wird nach Aufdeckung rechtsextremer Chats zwar das SEK aufgelöst (Abre numa nova janela), jedoch hatte dies mehr symbolischen Charakter: Gegen die meisten Beamt*innen wird nicht strafrechtlich vorgegangen, viele von ihnen wurden lediglich versetzt.
Einzelfall? Wir schauen uns um. Der CDU-Politiker Philipp Amthor sorgte zuletzt für großes Aufsehen. Der Grund: Er ließ sich mit zwei Neonazis fotografieren. Einer von ihnen trug ein T-Shirt, auf dem der Satz „Solidarität mit Ursula Haverbeck“ stand. Haverbeck ist eine mehrfach verurteilte, bekannte Holocaust-Leugnerin. Zum 72. Jubiläum des Grundgesetzes teilte Amthor zudem auf Instagram ein Gedicht von Theodor Maunz, also einem ehemaligen NSDAP-Mitglied. Innerhalb der CDU ist Amthor in guter Gesellschaft: Hans-Georg Maaßen, CDU-Bundestagskandidat in Thüringen, verbreitet häufig rechte und antisemitisch kodierte Parolen sowie „Medienmanipulation“ oder „russische Desinformation“. Maaßen diffamiert jene, die seine Inhalte kritisieren, als „mittige Hassredner“, bezeichnet Geflüchtete als „einwanderungswillige Ausländer, die Schleuserboote bestiegen, um von einem Shuttle-Service nach Europa gebracht zu werden“.
Die Liste der CDU-Einzelfälle reicht bis in die höchsten Ebenen deutscher Politiklandschaft: Der Bundesinnenminister Horst Seehofer freute sich an seinem 69. Geburtstag darüber, dass gerade 69 Menschen abgeschoben wurden. Sein Heimatministerium ist ein Zeichen für Ausgrenzung. Und der CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet? Er schweigt zu Maaßens rechten Parolen. Auf die Nachfrage Maischbergers zu seiner Position gegenüber rechten Strömungen in der Partei antwortete Laschet in hufeisentheoretischer Manier: „Es wäre übrigens auch gut, wenn bei den Linken die Abgrenzung zu linksextrem genauso klar wäre wie bei uns die Abgrenzung zu rechts.“ Als wäre es gleichzusetzen.
Ich werde auf meiner Suche nach den Nie-wieder-Strategien der CDU langsam müde: Korruptionsskandale. Masken-Affäre, PKW-Maut, Vetternwirtschaft...
Die CDU ist keine Partei, die sich aktiv gegen Faschismus einsetzt. Sie hat in den letzten Jahren nichts dahingehend getan – im Gegenteil. NSU, Halle, Hanau – all das ist unter der CDU-Regierung passiert. Mit Laschet können wir keine Veränderung erwarten.
Also werter Herr CDU-Mitglied aus Instagram: Ich hoffe, dass jemand wie ich eine hohe Position bekommt, damit „Nie wieder Faschismus!“ nicht nur eine leere Parole bleibt.
Hami ist studierte Soziologin, Politikwissenschaftlerin und Wirtschaftswissenschaftlerin. Mit ihrer Familie lebt sie in Frankfurt am Main und ist dort als Projektleiterin in einer bildungspolitischen Einrichtung tätig. Als Tochter vietnamesischer Vertragsarbeiter*innen und im Osten Deutschlands aufgewachsen, beschäftigt sie sich u.a. auf ihrem Instagram Account @hamidala_ (Abre numa nova janela) mit den Themen vietnamesische Diaspora, Antirassismus und intersektionalen Feminismus.
Unbezahlte, unaufgeforderte Werbung. Empfehlungen können sich wiederholen.
„Die Haltung einiger weißer Eltern, Rassismus sei ein zu schweres Thema für ihre noch jungen weißen Kinder, verkennt, dass gleichaltrige Schwarze Kinder gar nicht die Wahl haben, den Zeitpunkt zu bestimmen, ab wann Rassismus in ihrem Leben eine Rolle spielt.“ - Natasha A. Kelly: Rassismus. Strukturelle Probleme brauchen strukturelle Lösungen! S. 66
In ihrem neuen Buch erklärt Natasha A. Kelly was Rassismus ist und wie er auf Betroffene wirkt. Außerdem erklärt sie was das bedeutet, dass Rassismus strukturell ist, und liefert konkrete Lösungsansätze. Atrium Verlag, 127 Seiten, 9 Euro. Folgt Natasha A. Kelly auf Instagram (Abre numa nova janela).
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„Das kapitalistische System basiert auf Konkurrenz. Und so lassen sich Menschen gegeneinander ausspielen und nutzen sexistische und rassistische Zuschreibungen, um sich in privilegierten Positionen zu halten oder an sie heranzukommen – zum Teil absichtlich strategisch, zum großen Teil unbewusst.“ - Carolin Wiedemann: Zart und frei. Vom Sturz des Patriarchats. S. 91
Eine breite Analyse des Patriarchats aus unterschiedlichen Gesichtspunkten findet sich in diesem Buch. Carolin Wiedemann blickt auf feministische Bewegungen von gestern bis heute, fasst die Verbindungen von Antifeminismus und Rechtsextremismus zusammen, erklärt die Verbindung zwischen traditioneller Ehe und dem Kapitalismus und denkt über die Befreiung der Liebe nach. Mathes & Seitz Berlin. 218 Seiten, 20 Euro.
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„Der Topos ‚crazy cat lady‘ diente nur zur kulturellen Verschleierung der Tatsache, wie großartig ein unbelehrtes, selbstbestimmtes Leben mit Katzen immer schon gewesen war.“ - Christiane Frohmann: Präraffaelitische Girls erklären Hexerei
Ich liebe Präraffaelitische Girls, die uns schon mal das Internet erklärten (Abre numa nova janela), außerdem auch twittern (Abre numa nova janela). Sie bringen ihre durch und durch politische Inhalte leicht verständlich, prägnant und scharfsinnig zum Ausdruck. Das neue Buch erschien dieses Jahr bei Frohmann Verlag. 140 Seiten, 33 Euro.
Christiane Frohmann betreibt den Frohmann Verlag und druckt nur jene Bücher, die sie inhaltlich und handwerklich überzeugen. Sie steckt viel Liebe und Sorgfalt in ihre Arbeit rein. Besucht ihren Shop (Abre numa nova janela) für Bücher und Merch wie Tassen und T-Shirts, abonniert ihren Newsletter "NewFrohmanntic (Abre numa nova janela)".
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