Lass den Inhalt glänzen
Es ist Montagmorgen. Du liest die Blaupause, den Newsletter, mit dem du Communitys besser verstehst und erfolgreich Mitgliedschaften anbietest. Heute: Wir konkurrieren inzwischen mit Medien auf der ganzen Welt. Ein weiterer Grund, Inhalt und Design gleich wichtig zu nehmen.
Hallo!
Was mir am meisten Spaß bringt beim Magazin machen, Webseiten bauen, Produkte entwickeln, ist die Zusammenarbeit mit den Gestalter:innen, also Grafik-Designern. Ihre Gehirne sind anders verdrahtet als meines, und gerade deswegen ist die Kollaboration so befriedigend. Wenn man die unterschiedlichen Fähigkeiten wertschätzt, entsteht gemeinsam etwas, das weder Wort- noch Bild-Hirn allein hinbekommen hätten. Ich hatte immer das Glück, auf besonders begabte Art Directors zu treffen, zum Beispiel Sharon Walsh (Abre numa nova janela), Veronika Neubauer (Abre numa nova janela), Anja Horn (Abre numa nova janela), Markus Nowak (Abre numa nova janela), Lo Breier (Abre numa nova janela), Sara Hesse (Abre numa nova janela) oder Erik Spiekermann (Abre numa nova janela).
Die ersten, identitätsstiftenden Versionen von sowohl Krautreporter als auch Steady hat Thomas Weyres (Abre numa nova janela) gemacht. Thomas war auch da schon einer der erfolgreichsten Editorial Designer der Republik. Inzwischen muss man ohne Übertreibung sagen: weltweit.

Nach einem Start als Graffiti-Sprayer und bei der legendären Zentralen Intelligenz Agentur (Abre numa nova janela), gab er vielen deutschen Zeitungen und deren digitalen Ausgaben neue Gesichter, zuletzt als Mitglied der Chefredaktion beim Tagesspiegel, 2023 „European Newspaper of the Year“. Quasi nebenbei war er als Art Director bei Mario García in New York tätig (dem einflussreichsten Editorial Design Studio überhaupt) und unterrichtete an verschiedenen Unis.
Die Qualität von Thomas’ Arbeiten erkennt man meiner Meinung nach daran, wie wenig eitel sie sind. Er stellt die Gestaltung ganz in den Dienst der Aufgabe und den der Nutzer:innen. Aber am Ende kommt überraschend klar sein persönlicher Blick zum Vorschein. Es zeigt sich eine Haltung. Aber bevor ich in im Blubber-Feuilleton-Sumpf stecken bleibe, empfehle ich den Besuch von Thomas’ Webseite (Abre numa nova janela).
Uneitel ist auch der Mensch hinter den Designs (ungewöhnlich in seiner Karriere-Flughöhe). Anders wäre seine Mitarbeit an meinen zumindest am Anfang eher halb-professionellen Projekten kaum zu rechtfertigen – und seine Bereitschaft, in dieser Woche eine Gast-Blaupause beizusteuern. Thomas berichtet von seiner Erfahrung als Teil des Wettbewerbs der Society of News Design, des international renommiertesten Clubs für Editorial Design mit mehr als 2600 Mitgliedern in 50 Ländern – und zieht Schlüsse aus dieser Erfahrung für das Editorial Design im deutschsprachigen Raum.

Lasst uns unsere Hausaufgaben machen
von Thomas Weyres
In der letzten Woche war ich als „Team Captain“ Teil des Creative Committee, das die diesjährige Jury des Wettbewerbs der Society of News Design in Minneapolis zusammenstellen durfte. Über 5.000 Einreichungen aus der ganzen Welt wurden von knapp über 40 internationalen Juror:innen gesichtet und diskutiert.
Vor zwei Jahren war ich selbst Juror – damals bei der New York Times in New York. Aus dem Bauch heraus fand ich im Vergleich zu damals spannend, dass die exzellentesten digitalen Stücke damals zu einem hohen Prozentsatz von der NYT und der Washington Post kamen – in diesem Jahr waren die digitalen Einreichungen deutlich diverser. Gerade aus dem asiatischen Raum gab es unfassbar viele herausragende Beiträge (Abre numa nova janela), und auch kleine, oft Non-Profit geprägte Newsrooms aus den USA, wie etwa ProPublica, (Abre numa nova janela) waren mit exzellenten digitalen Arbeiten stark vertreten – diese (Abre numa nova janela) Arbeit wurde besonders lange in der Jury diskutiert. Aber auch große Player, wie z. B. ESPN (Abre numa nova janela), glänzten mit langen Geschichten.
Was mich immer wieder beeindruckt, ist die Energie, die gerade die amerikanischen Häuser investieren, um an jedem Touchpoint, den ein Leser mit Inhalten haben kann, absolute visuelle Exzellenz zu liefern – ja, auch im Print. Gerade in einer Zeit, in der in vielen deutschen Häusern alle Energie aus Printprozessen abgezogen wird, kann das irritierend wirken. Ich habe noch einen Satz eines amerikanischen Kollegen aus einem Gespräch vor ein paar Jahren im Ohr: „So lange wir ein Produkt anbieten, machen wir es so gut, wie es nur geht – ohne Kompromisse.“ Gedanken, wie sie in Europa gerade viel diskutiert werden – etwa Printproduktionen komplett zu automatisieren und von einer KI layouten zu lassen –, erscheinen im amerikanischen Markt, so mein Eindruck, komplett abwegig.
Was mich persönlich an den Narrativen vieler europäischer Verlage immer wieder irritiert, ist die ständige Wiederholung von Begriffen wie „Digitalisierung“ (YouTube wird übrigens 20 Jahre alt) und „Mobile First“ (eines der maßgeblichen Bücher (Abre numa nova janela) dazu erschien vor 14 Jahren). Diese Buzzwords haben viele internationale Häuser längst hinter sich gelassen; sie gehören dort selbstverständlich zur DNA der Redaktionen. Das in Deutschland oft damit verbundene Narrativ „Desktop ist unwichtig“ und „alle Energie raus aus Print“ greift meiner Meinung nach zu kurz. Natürlich lesen unsere Nutzer:innen heute überwiegend auf mobilen Geräten – das ist nicht neu, das wissen wir seit vielen Jahren.
Aber provokant gefragt: Würde Netflix seinen Videoplayer auf dem Desktop „schlechter“ machen, nur weil die meisten Menschen mobil oder auf einem Tablet schauen? Wir drehen uns hier oft im Kreis und stehen uns selbst im Weg. Eine Kollegin aus einem großen amerikanischen Haus, die dort ein Produktteam leitet, hat es auf den Punkt gebracht: We don’t care about the touchpoint, we make the content shine.
Was mich bei vielen großen internationalen Häusern am meisten beeindruckt hat, sind die Planungsworkflows in den Redaktionen: Visuelle Gewerke werden ab Minute eins in die Planung von Geschichten eingebunden, viele Inhalte entstehen im engen Austausch zwischen Autor:in und Designer:in. Planung und das entsprechende Mindset innerhalb der Redaktion sind hier das Rückgrat für diese visuelle Exzellenz.
Ein Beispiel hierfür ist diese Geschichte (Abre numa nova janela) des NYT Magazine. Vorab: Es geht mir nicht um die konkrete Geschichte, nicht um das Design oder die Illustration – sondern um die Tatsache, dass so eine Geschichte vermutlich in keinem deutschen Newsroom entstanden wäre. Allein die Entscheidung, hier nicht linear mit Text zu arbeiten, sondern sich darauf einzulassen, diese Geschichte anders zu erzählen, wäre wahrscheinlich nie getroffen worden. Diese Geschichte ist Ergebnis einer engen Zusammenarbeit zwischen Design und Redaktion, wie ich sie in Europa, speziell in Deutschland, kaum sehe – oder nur ganz selten.
Von diesen Geschichten gab es im Wettbewerb nicht nur drei oder vier – es waren Hunderte. Und das waren nur die, die eingereicht wurden. Seien wir ehrlich: Wenn wir die lokale Berichterstattung einmal beiseitelassen, konkurrieren wir – gerade bei finanzstarken Zielgruppen, die zu mehreren Digitalabos neigen – direkt mit diesen großen englischsprachigen Medienhäusern.
Lasst uns unsere Hausaufgaben machen.
Bis nächsten Montag!
👋 Sebastian
PS: Hier ein Interview, das ich vor einiger Zeit mit Thomas geführt habe – freigeschaltet auch für Nicht-Mitglieder.
https://krautreporter.de/leben-und-lieben/3154-ein-guter-text-braucht-nicht-mehr-als-typografische-liebe?shared=c3793395-05ba-4503-ad12-505b37ce2382&utm_medium=member-url (Abre numa nova janela)🤗 Fand ich hilfreich (Abre numa nova janela) 😐 War ganz okay (Abre numa nova janela) 🥱 Für mich uninteressant (Abre numa nova janela)
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