Der freche Eklektizismus, für den ich Amerika liebe
Leroy Anderson: Klavierkonzert in C-Dur (1953)
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Das Boston Pops Orchestra (Foto: Garrett A. Wollman, CC BY-SA 2.0 (Abre numa nova janela))
Der amerikanische Komponist und Dirigent Leroy Anderson hat in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts einen Berg unterhaltsamer Orchestermusik geschrieben, vor allem für das Boston Pops Orchestra. Seine Stücke sind meist nur wenige Minuten lang und eines davon kennt vermutlich jeder – das Solo-Instrument ist eine Schreibmaschine:
https://www.ardmediathek.de/video/ard-klassik/anderson-the-typewriter-martin-grubinger-symphonieorchester-des-bayerischen-rundfunks-manfred-honeck-br-klassik/ard/Y3JpZDovL3N3ci5kZS9hZXgvbzE0MzY3OTM (Abre numa nova janela)Er schrieb ein einziges langes Werk, ein Klavierkonzert. Es klingt so als hätte man Rachmaninow und Grieg in einen Jazzclub eingeladen und ihnen dort was in die Drinks getan.
Anderson wusste, wie man Ohrwürmer schreibt, aber vor der großen, klassischen Form hatte er immer Respekt. Sein Klavierkonzert zog er nach durchwachsenen Reaktionen zurück. Jahre später hörte er sich den Mitschnitt einer der wenigen Aufführungen an und sagte: Das ist doch gar nicht schlecht, vielleicht mache ich damit noch etwas. Er starb, ohne das Konzert noch einmal angefasst zu haben.
In den 1980ern wurde das Stück wiederentdeckt. Hier ein kurzer Ausschnitt aus einem kanadischen Dokumentarfilm über Anderson:
https://www.youtube.com/watch?v=VRbGyY9bic8 (Abre numa nova janela)Das Stück ist schamlos in seinen musikalischen Gesten, und es ist altmodisch instrumentiert. Aber es macht gute Laune. Wie Anderson im ersten Satz mit jazzigen Wendungen Motive der russischen Romantik verbindet – das ist der freche Eklektizismus, für den ich Amerika liebe.
Schwelgerische Streicher markieren den Beginn des langsamen Satzes, in den es nahtlos übergeht. Und dann: fröhliche Exotica-Perkussion, die ich zumindest noch in keinem anderen Andante irgendeines Konzerts gehört habe. Es ist extreme Heile-Welt-Musik, über die man sich mit oder ohne musikalische Vorbildung gleichermaßen freuen kann.
Der dritte Satz steigt dann mit einem Hoe-Down ein, einem amerikanischen Volkstanz, der in fast musicalhafte Streicherarrangements übergeht, bevor das Finale mit der Rührtrommel (snare drum) eingeläutet wird. Sogar eine Kadenz gibt es!
Hier nun das ganze Konzert. Ich hatte sehr viel Spaß beim Hören und ihr hoffentlich gleich auch:
https://www.youtube.com/watch?v=0tdrKh2RJu8 (Abre numa nova janela)Das Stück im Streaming: 1. Satz (Abre numa nova janela), 2. Satz (Abre numa nova janela), 3. Satz (Abre numa nova janela).
Als absurden Bonus gibt es hier noch eine Fassung für Militärkapelle, gespielt vom Militärkorps der Bundeswehr und vom Klavier aus geleitet von einem sehr gut gelaunten Bundeswehrkapellmeister Walter Ratzek.Es ist komplett gaga und komplett toll:
https://www.youtube.com/watch?v=-SjKG2WB4mE (Abre numa nova janela)Schöne Grüße aus Berlin
Gabriel
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