Hallo ihr Lieben,
So ganz sicher bin ich mir nicht, wie das alles hier funktioniert, aber ich versuche mich mal heranzutasten.
Ich werde oft gefragt, ob wir nicht schon weit wären. Also mit Geschlechtergerechtigkeit. So richtig weit, mit Vorsprung und quasi über alle Hürden hinaus. Über Männlichkeiten wird ja jetzt endlich gesprochen sagt man mir, es werden Konsequenzen gezogen. Die Welt wird besser, weil cis Männer endlich verstehen, mit welchen Privilegien sie durch das Leben gehen. Sie stehen im Mittelpunkt, weil die Gewohnheit daran zum Problem wurde. Das sind wichtige Schritte, aber wohin soll der Weg eigentlich führen?
Erstmal: Ich glaube so weit sind wir noch lange nicht. Auch wenn viele konservative Politiker und Antifeministen anderer Meinung sind. Ich glaube sogar, wir blicken unterschiedlich auf Realitäten.
Deshalb oder trotzdessen möchte ich gerne ab und zu schreiben - über Männlichkeiten in Politik, Gesellschaft und Popkultur. .
Denn ich habe ein paar Fragen - und ich glaube, sie müssen noch radikaler gestellt werden. Und wer weiß, vielleicht interessieren sie euch auch.
Wo finden überall Männlichkeiten statt? Worin drücken sie sich aus? Wo steckt ein traditionelles Männlichkeitsbild drin, und warum ist es wichtig, es zu kritisieren? Wie hängt Rassismus und Männlichkeit zusammen? Und wie können wir alternative Männlichkeitsperformances sichtbar machen und unterstützen, ohne dabei in die Falle zu tappen und zu denken, dass das Patriarchat dadurch abgeschafft wird?
Ich will nichts neu erfinden. Mich ein wenig darin ausprobieren, berechtigte und notwendige Kritik aus pro-feministischer, cis heterosexueller Perspektive an Performances von Männlichkeit(en) (und patriarchalen Strukturen) zu üben. Vielleicht kommentiere ich wieder einen problematischen Tweet von Politikern (Friedrich Merz ist ein beliebtes Ziel), lese wieder ein problematisches Interview (Warum fragt man Harald Schmidt noch nach seiner Meinung?), entdecke wieder etwas auf Instagram (Mein Algorithmus gehört definitiv verändert) oder beobachte mit euch gemeinsam, wie vieles doch politisch auf der Stelle tritt (Wann wird §218 abgeschafft? Und was ist mit Verhütung für Menschen ohne Uterus?).
Die Performance von Männlichkeit hat viel mit Geschlechterungleichheit zu tun. Und die Anforderungen daran schaden Männern und der ganzen Gesellschaft. Das ist eigentlich keine Neuigkeit, aber es gibt leider noch zu viele Menschen, die an etwas festhalten, weil sie sich ungern von Privilegien lösen. Männlichkeit muss auf gar keinen Fall wiederentdeckt werden, wie Björn Höcke bei einer Rede mal sagte.
Im Gegenteil: Ich bin der Meinung, dass der ständige, schadende und gefährliche Versuch ständig einem bestimmten Bild von Männlichkeit zu entsprechen, heruntergefahren werden muss. Also so richtig.
Irgendwann sollten wir nicht mehr über Männlichkeit sprechen. Nicht mehr denken, dass Jungs und Männer stark, dominant, raumeinnehmend und emotional abgekühlt sein müssen, um es auf dieser Welt weit zu schaffen.
Ich weiß, das ist ein weites Feld, und sogar eines, dessen Ende wir (noch) nicht absehen können. Geschlechtergerechtigkeit wird nach aktuellen Zahlen des World Economic Forum (WEF) in ihrem "Global Gender Gap Report 2021 (Abre numa nova janela)" erst in 135.6 Jahren, wenn überhaupt, Realität sein. Ich finde, das ist ein Skandal. Cis Männer müssen sich deshalb endlich in der Pflicht sehen, sich radikal zu reflektieren, verändern und vor allem zuzuhören. Damit meine ich mich auch.
Das klingt alles sehr ernst, ist es auch. Denn Männlichkeitsperformances steckt in so vielem drin, das uns gar nicht bewusst wird (Lesetipp: Rebekka Endler - Patriarchat der Dinge, Dumont Verlag).
Deshalb will ich manchmal bewusst einen Cut machen und mich Fragen, die ausnahmsweise nichts mit Männlichkeiten zu tun haben, literarisch annähern. Über dies und jenes, Sehnsucht und Unbehagen. Ihr wisst schon.
Ich würde mich sehr freuen, wenn euch das große weite Internet ab und zu hier her führt. Alle 2-4 Wochen werde ich was schreiben, mal schauen, wie es mir dabei geht. Hoffe aber, ihr bleibt gesund.
Mucux
Anıl
Fotocredit: Joanna Legid