Marty Scurll nach #SpeakingOut wieder in Deutschland

Aufmerksamkeit um jeden Preis

(c) Mike Kalasnik (Abre numa nova janela), CC BY-SA 2.0 (Abre numa nova janela), via Wikimedia Commons

Wrestling-YouTuber Martin Guerrero holt Marty Scurll nach #SpeakingOut wieder nach Deutschland. Ein gezielter Akt auf der Suche nach Aufmerksamkeit.

Wenn es eines ist, was wir in letzten Jahren gelernt haben, dann dass mit großer Reichweite eine große Verantwortung einhergeht. Influencer:innen oder YouTube-Stars sind die Werbegesichter von heute und beeinflussen die Meinung ihrer Fans maßgeblich. Umso wichtiger ist es, das eigene Verhalten nach gewissen moralischen Grundsätzen auszurichten. Bei Martín Guerrero - seines Zeichens erfolgreicher Wrestling-YouTuber und selbsternannter Wrestling-Trainer - scheint dies nicht zu gelten.

Nicht nur nutzt Martin Behrens, so sein bürgerlicher Name, mit „Guerrero“ den Nachnamen einer der berühmtesten Wrestlingfamilien zu eigenen Zwecken, was alleine schon fragwürdig wäre. Nicht nur ist er - als jemand, der von seinem wrestlerischen Können im unteren Drittel der Talentebene in Deutschland anzusiedeln ist - aus mystischen Gründen trotzdem selbst ernannter Wrestling-Trainer. 

Nein, Martin Guerrero scheint auch in Sachen Wrestling-Community primär auf eines zu setzen: Reichweite um jeden Preis.

Scurll wurde 2020 im Rahmen von #SpeakingOut beschuldigt

Der Twitcher aus Halberstadt, der seit 2019 auch Promoter einer Wrestlingliga ist, verpflichtete jüngst für eine Show nun Marty Scurll. Marty Scurll ist unbestritten ein größerer Name in der Welt des Wrestlings, war lange Zeit bei New Japan, Ring of Honor oder auch wXw aktiv. Doch das ist Vergangenheit. Aus gutem Grund: Spätestens seit 2020 hat sich das Verhältnis der Wrestling-Welt zu Scurll auch offiziell verändert. #SpeakingOut ist dafür verantwotlich. Durch die wohl wichtigste Bewegung der letzten Jahren im Wrestling trat zutage, was man sich unter vorgehaltener Hand schon lange sagte: Scurll soll mit einer damals 16-jährigen Frau sexuellen Kontakt gehabt haben - unter Einfluss von Drogen bzw. Alkohol (Abre numa nova janela). Scurll selbst bestätigte das, gab allerdings an, es wäre einvernehmlich gewesen (Abre numa nova janela). Unzählige weitere Vorfälle wurden in der Folgezeit laut, Scurll gab zu diesen kein Statement mehr ab. In der Folge distanzierten sich viele Ligen von ihm, er verlor seinen Job als Booker (Schreiber) bei Ring of Honor. Allen im Wrestling war klar, dass der Name aufgrund der unzähligen Traumata, die Marty Scurll mit seinem jahrelangen Verhalten ausgelöst hatte, verbrannt war. 

Martin Guerrero holt Scurll zurück - und freut sich 

Bis zum 13. November. In den Tagen um dieses Datum herum muss dem ehemaligen Titelträger des GWF Loserweight-Titles gekommen sein, dass es eine tolle Idee sein könnte, Marty Scurll wieder als Wrestler zu reaktivieren. Als Überraschung. Ohne dass irgendwie auch nur die Möglichkeit betanden hätte, dass sich jemand seinetwegen ein Ticket kaufen könnte. 

Warum? Es geht offenbar um Aufmerksamkeit. Und viel Selbstgerechtigkeit. In seiner Instagram-Story nach dem livegestreamten Event schrieb Guerrero, es brauche "immer einen Mutigen, der die Wahrheit ausspricht“. Nun ist nicht überliefert, was Guerrero sonst so ausgeprochen hat, aber seinem Ruf in der Szene hat er mit der Verpflichtung von Scurll einen Bärendienst erwiesen. 

Ein fatales Signal

Fraglich, ob Guerreros Liga im Harz durch Marty Scurll auch nur ein Ticket mehr verkauft. Klar ist allerdings das Signal an die Wrestler:innen der Liga: Eure Geschichte ist egal, ihr könnt euch verhalten, wie ihr wollt. Hier geht es nur um Aufmerksamkeit und Klicks. Und das Signal an die Schüler:innen von Martin Guerreros Wrestlingschule? Die können sich nun sicher sein, dass es dem Besitzer egal ist, ob in ihren Reihen ein mutmaßlicher Abuser herumläuft. Guerrero nimmt dies mehr als nur billigend in Kauf. Ein dringend benötigter Safe Space für junge Menschen, die ihrem Hobby nachgehen und dieses erlernen wollen, sieht anders aus. #SpeakingOut hat vielen Menschen die Augen geöffnet, doch einige andere wollen selbige wohl nur dann öffnen, wenn es ihnen genehm ist.