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Die Cannabis-Teil-Legalisierung ist gekommen, um zu bleiben.

Bei der diesjährigen Berliner Hanfparade im August habe ich anlässlich Merz’ und Söders Re-Kriminalisierungs-Plänen, sollten sie nächstes Jahr wieder Regierungspartei im Bundestag werden, darüber gesprochen, was zu tun ist, um ihr Vorhaben zu verhindern. (Hier findet ihr die Aufnahme der Rede auf YouTube. (Abre numa nova janela)) Der nachfolgende Text ist eine erweiterte Fassung. Auf der Demo habe ich 3 Länderbeispiele, Oregon, B.C. und Thailand, sehr knapp angerissen. Hier findet ihr sie ausführlicher beschrieben und Quellen zum Weiterlesen verlinkt.

Re-Kriminalisierung?

Friedrich Merz und Markus Söder wollen die Teil-Legalisierung von Cannabis wieder rückgängig machen. Das ist inzwischen eines der Kernversprechen ihres Wahlkampfes für die Bundestagswahl im Herbst nächsten Jahres. Sie werden zwar einen Koalitionspartner brauchen, der das mitträgt, aber ich würde mich nicht darauf verlassen, dass die Ampel-Parteien stabil bleiben oder mächtig genug dagegen halten können. Ohne ausreichend zivilgesellschaftlicher Rückendeckung oder vernehmbarem Interesse aus der Bevölkerung wird man im Parlament beim besten Willen nicht ausreichend gegen die Re-Kriminalisierungspläne der CDU/CSU gegenhalten können.

Aber fangen wir beim Wesentlichen an.

Warum nehmen Menschen illegale Drogen, obwohl sie verboten sind? Warum hat man sich für eine Reform eingetzt? Warum ist Cannabis es wert, sich auf einer Demo zu versammeln?

  1. Spaß

  2. Gute Zeit mit Freunden

  3. Den Kopf mal abschalten

  4. Erleichterung

  5. Schmerzlinderung

  6. Hanf ist schlichtweg eine (wichtige Nutz)Pflanze

  7. Selbstbestimmung, Recht auf Privatsphäre

  8. Aufklärung ohne Mythen und Stigmatierung

  9. Kontraproduktive, schädliche Politik beenden

Markus Söder und Friedrich März finden das nicht gut. Sie würden die Zeit gerne zurückdrehen. Sie würden die Strafverfolgung gerne wieder ins Privatleben von Hundertausenden Menschen schicken. Obwohl nun eigentlich kaum jemand noch über Cannabis spricht, jetzt, wo das Gesetz von 1.4. durch ist und gerade erstmal die ersten Ernten gekommen sind und die ersten Anbauclubs starten, wärmen sie die Debatte immer wieder auf.

Man könnte ihre Agenda als lächerlich abtun und darauf warten, dass sich die positiven Effekte des Cannabigesetzes in den nächsten Monaten eh einstellen werden und sich das Thema so von alleine erledigt. Es gibt aber internationale Beispiele aus den letzten Jahren, wo eine Re-Kriminalisierung nach kürzester Zeit fast, teilweise oder vollständig gelungen ist.

Der Artikel ist ursprünglich am 2.9.2024 mit Paywall erschienen. Als Mitglied erhältst du das Drogenpolitik Briefing für 3€ im Monat (oder mehr für Förder*innen) ohne Verzögerung und zusätzlich exklusive Updates.

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Oregon (USA)

2020 hat der US-Staat Oregon Besitzmengen für die gängigen illegalen Drogen entkriminalisiert und dieses Jahr wieder re-kriminalisiert. (Der legale Cannabismarkt besteht davon unberührt weiter.) Was sich ab 2020 geändert hat, war der öffentlich sichtbare Drogengebrauch infolge dessen, dass die Polizei die Menschen nicht mehr verdrängen konnte, aber vor allem infolge einer extremen Wohnungskrise.

Über Oregon habe ich zuletzt hier schon ausführlicher geschrieben:

https://steadyhq.com/de/philineedbauer/posts/da1a63b6-4467-46a7-9fdb-1624f94a7c3f (Abre numa nova janela)

British Columbia, B.C. (Kanada)

Dass nicht der Konsum in Innenräumen das entscheidende gesellschaftspolitische Problem ist, sondern der sichtbare, mit Elend verbundene im öffentlich Raum, hat B.C. (Kanadische Provinz) gezeigt. Erst Anfang 2023 hat B.C. einen ähnlichen Kurs wie in Portugal und bis vor kurzem Oregon genommen, aber schon dieses Jahr wieder teilweise zurückgedreht. Die Entkriminalsierung des Konsums bleibt, aber nur in Innenräumen (Abre numa nova janela). Verarmte, wohnungslose Menschen müssen und sollen von der Polizei wieder verfolgt werden.

Sowohl in Oregon als auch B.C. hätten womöglich die Law&Order Konservativen nicht ausgereicht, um die Erfolge zurückzudrehen. Ich glaube, das ist eine zentrale Erkenntnis aus den beiden Fällen: Es ist auch die wohlmeinende, bürgerliche, meinungsstarke gesellschafliche “Mitte”, die das Elend nicht vor der Tür haben will und sich letzlich nicht ausreichend hinter die Empfehlungen von Expert*innen stellt.

In der Jung&Naiv-Debatte (Abre numa nova janela) haben wir die Contra-Seite praktisch dazu gebracht, genau diese Positionierungen sichtbar zu machen, also die Vorstellungen jener Leute, die offen auf progressive Vorschläge zugehen und wohlwollend das Beste wollen. In der Debatte ging es ums Gewinnen, deswegen wurden alle rhetorisch vorteilhaften Kaliber rausgeholt... Es ist mitunter für schwer Betroffene des Stigmas und der Voruteile schwer anzusehen, aber das Debattenspiel zeigt, was es brauchte, um gegen uns zu gewinnen: Auf keines unserer Argumente einzugehen, Ängste im Publikum hochzukochen, Verwirrung über Begrifflichkeiten zu stiften, sich moralisch über uns zu erheben und eine vermeintlich moderate Postition vs einer vermeintlich zu radikalen einzunehmen.

Die Positionen der klaren Gegner wie von Merz und Söder sind bekannt, aber hier wurden die eher unsichtbaren, weniger öffentlich ausgesprochenen Einstellungen ausgebreitet. Wenn wir über die tatsächlichen Folgen der Drogenpolitik und die Vorteile des Cannabisgesetzes aufklären, dürfen wir diese große, gesellschaftspolitische Gruppe nicht übersehen. Die Sorgen und Bedenken sind berechtigt, aber es fehlt am Wissen, die Folgen der eigenen Haltungen zu verstehen. Eine informiertere Debatte zu schaffen — das lässt sich aber aufholen.

Thailand – fast :)

Thailand hat vor 2 Jahren Cannabis entkriminalisiert und den Anbau in der breiten Bevölkerung nicht nur zugelassen, sondern proaktiv unterstützt. Tausende Menschen wurden aus der Haft entlassen. Nun sollte das Gesetz wieder teilweise zurückgedreht werden. Aktivist*innen (wie vom Thai Cannabis Future Network) ist es nun zusammen mit vernünftigen Poltiker*innen der Regierung gelungen (Abre numa nova janela), das Vorhaben zu stoppen. Die Motivation zur Re-Kriminalisierung war offenbar (Abre numa nova janela) gewesen, dafür zu sorgen, dass nur noch große Unternehmen die Profite mit Cannabis machen können. Die (eher unwahrscheinliche) Version der Regierung war, dass man zurückdrehen müsse, weil sich zuletzt Drogenprobleme ausgebreitet hätten. Wer mehr erfahren möchte, findet, neben den im Absatz verlinkten Artikeln, hier einen etwas längeren Bericht: “Why Thailand legalized marijuana — and then almost banned it again (Abre numa nova janela)

Wichtige Erkenntnisse für die deutsche Debatte

Genauso wie in diesen Länderbeispielen erleben wir jetzt in Deutschland eine öffentliche Debatte mit Meinungsführern, die die krudesten, entweder unüberprüfbaren oder falschen, Zusammenhänge mit der Gesetzesänderung vom 1.4. konstruieren. 4 Narrative scheinen sich zu wiederholen, daher sei klargestellt:

1. Nein, Cannabis ist nicht Schuld am Anwachsen der Organisierten Kriminalität.

Die Cannabis-Legalisierung sei an so ziemlich allem mit Organisierter Kriminalität Schuld. Nein, die seit über 100 Jahren, also seit Anbeginn, kontraproduktive und schädliche Prohibition, die den illegalen Markt überhaupt erst begründet und befeuert, ist wesentlich. Das ist sowohl logisch als auch das was Expert*innen sagen (z.B. hier im Radio u.a. mit Historikerin Helena Barop (Abre numa nova janela) und hier im Bericht der Global Commission on Drug Policy (Abre numa nova janela)).

2. Nein, Cannabis ist nicht Schuld an der Wohnungskrise und am sichtbar wachsenden Elend im öffentlichen Raum.

Drogen sind nicht Schuld an fehlendem Wohnraum. Wenn man in der Öffentlichkeit weniger Elend sehen möchte, gibt es eine Menge eigentlich simple, sozialpolitische, menschliche Antworten. Drogen sitzen nicht in den Parlamenten, sie treffen keine Entscheidungen, sondern Politiker*innen. Sie müssen ihren Job tun anstatt die Fragen des öffentlichen Raums den Nachbarschaften zuzuspielen, die gar nicht die Hebel für politische Verbesserungen der Wohnsituation und struktureller Verarmung haben.

Die Debatte über den öffentlichen Raum geht auch eigentlich weniger um Cannabis als um den Gebrauch anderer psychoaktiver Substanzen bzw. bestimmte Konsumsituationen. Die Themen werden in der politischen Debatte vermischt, ohne den Menschen gerecht zu werden. (Bspw. über die immer noch kursierende Idee der “Einstiegsdroge”.)

Was Menschen, die im öffentlichen Raum konsumieren, dazu sagen, haben wir hier hörbar (Abre numa nova janela) gemacht (23 Minuten O-Töne).

3. Nein, Cannabis ist nicht Schuld am mangelhaften Jugendschutz.

Die Drogen sind nicht das Problem für den Jugendschutz, sondern der rechtliche und gesellschaftliche Umgang damit, das heißt vor allem, die mangelhafte Umsetzung der Handlungsempfehlungen von Expert*innen. Der Wille zur Drogenpanik ist größer als der Wille, Kindern und Jugendlichen nachgewiesermaßen wirksame Prävention zu bieten. Gerade hängt es von einzelnen Schulleiter*innen und Lehrkräften ab, die wissenschaftlich erstellten Leitfäden (Abre numa nova janela) umzusetzen.

Prävention, die man auch jetzt sicherstellen könnte, Gesetz hin oder her, ist aber kein Problemlöser für die Schäden der gescheiterten Prohibition.

Hinter der politischen Forderung nach “mehr Prävention” in den aktuellen Debatten versteckt sich oft nichts anderes als die Botschaft, es brauche statt einer gesetzlichen Änderung einfach mehr “Keine Macht den Drogen” und “Just say no”- Botschaften. Die alleinige Forderungen nach “mehr Prävention” ist eine Fokusverschiebung: Es geht tatsächlich nicht um eine ja von ihnen selbst mangelhaft betriebene Prävention, die längst verbessert werden könnte, sondern es wird vermittelt, man müsse gar nicht über Politik sprechen, alles könne so bleiben wie es ist. Das ist falsch und nachlässig. Man setzt Minderjährige, die trotz Verbot konsumieren, weiterhin vermeidbaren Risiken und Gefahren sowie staatlicher Repression aus. Das ist das Gegenteil von Jugendschutz.

4. Die “Schuld”-Frage bringt uns nicht weiter.

Es ist bekannt, was zu tun ist, um jene sozialen, ökonomischen und gesundheitlichen Probleme, die es im Zusammenhang mit Drogengebrauch gibt, zu reduzieren und lösen. Dafür gibt es sozial-, wirtschafts-, und gesundheitspolitische Antworten. Die Strafverfolgung und vollständige Illegalität braucht es nicht.

Es braucht den gesellschaftlichen und politischen Willen, sich mit den womöglich erstmal nicht intuitiven Lösungsansätzen, die sich von Drogenpolitik- und Menschenrechts-Expert*innen inzwischen türmen (siehe hier (Abre numa nova janela), hier (Abre numa nova janela)und hier (Abre numa nova janela)), auseinanderzusetzen und sie anzugehen.

Damit das deutsche Cannabis-Gesetz mit der nächsten Bundesregierung nicht zurückgedreht wird, muss es in der Gesellschaft ankommen.

Wenn die neue Legalität bis nächsten Herbst beim Regierungswechsel keine Selbstverständlichkeit wird, wenn der Status quo der Norm der Strafverfolgung noch als legitime Option in den Köpfen bleibt, dann lässt sich das Gesetz zurückdrehen.

Was zur Normalisierung beitragen würde, wäre die Offenheit und Ehrlichkeit der Millionen Cannabis-Nuter*innen und (neu) Anbauenden, dass sie Cannabis und das Gesetz gut finden oder zumindest gut genug, sodass es bleiben soll. Die Stigmatisierung hat bisher dazu geführt, dass nur wenige Nutzer*innen sich offen mit Cannabis gezeigt und sich politisch eingesetzt haben, zu Demos erschienen sind oder in ihrem Umfeld zur Aufklärung beitragen. Was Merz und Söder mit der Drohung bzw. dem Versprechen der Rekriminalisierung erreichen, ist genau das aufrechtzuerhalten. Die Stigmatisierung hält an. Solange der offene, ehrliche Umgang mit dem Konsum Stigmatiserung zur Folge hat, wird man sich zurückhalten Söder, Merz & Co. zu widersprechen.

Was Merz, Söder & Co. außerdem gelingt, ist das Gespräch darüber zu übertönen, welche Schritte nun nach der Cannabis-Teil-Legalisierung die nächsten sein sollten.

Das Selbstverständnis der Prohibition bröckelt weltweit und in Deutschland. Die Logik, dass Cannabis aus Verbraucherschutzgründen legalisiert werden muss, gilt ohne viel Nachdenken, mindestens teilweise, auch für andere momentan illegale Substanzen. Das Wissen über die historische Willkür der Prohibitionspolitik und die Unverhälntismäßigkeit der Strafverfolgung steigt. Diese Fragen stehen nun nach dem 1.4. mehr im Raum als vielleicht je zuvor, aber Merz, Söder und Polizeigewerkschaften übertönen diesen Diskurs mit ihrem Dauerreden über die Cannabis-Legalisierung.

Wir müssen dagegenhalten und mehr Menschen dafür gewinnen, jetzt den Mut zu zeigen, in ihren Familien, am Stammtisch, beim Sport etc. zur Normalisierung von Cannabis als (begrenzt) legaler Droge in Deutschland beizutragen und sich damit gegen die Stigmatisierung, die Mythen und den schädlichen Unsinn in den öffentlichen Debatten zu positionieren. Unser Vorteil ist:

Cannabis ist ein positives Thema.

Wir können mit Offenheit und Ehrlichkeit inspirieren. Das gelingt am besten damit, das mitzuteilen und ins Gespräch zu bringen, worum es im Wesentlichen geht. Bei all den schlechten Nachrichten in der Welt, bei den unsicheren Entwicklungen und Sorgen, die uns umgeben, geht es bei Cannabis vor allem um Erleichterung, Lebensqualität, gute Zeit mit Freund*innen. Und im Fall von Problemen: Um verantwortungsvollen, lösungs-orientierten Zusammenhalt ohne Schuldzuweisungen.

Habt ihr Ergänzungen? Wenn ihr mit euren Familien und nicht-konsumierenden Umkreis über Drogengebrauch und Drogenpolitik sprecht, teilt gern hier unter dem Artikel eure Erfahrungen und Tipps!

Über mich & Anstehende Termine

Seit 2015 setze ich mich für einen Paradigmenwechsel in der deutschen Drogenpolitik ein. 2017 habe ich die My Brain My Choice Initiative als ehrenamtliche Plattform und Thinktank mitbegründet und vertrete unsere Konzepte und Kampagnen gegenüber Medien und Politik. Als Schildower Kreis-Mitglied stehe ich auch nach meinem Studium der Regionalwissenschaften (M.A.) im Austausch mit Expert*innen aus der Wissenschaft.

Die My Brain My Choice Initiative

My Brain My Choice (MBMC) ist eine zivilgesellschaftliche Initiative, die sich der Vertretung der Interessen von Menschen widmet, die Drogen gebrauchen. Wir setzen uns dafür ein, dass deren Perspektiven gehört und respektiert werden. Mit unseren Projekten und Kampagnen arbeiten wir seit 2017 daran, die Stigmatisierung und Diskriminierung von illegalem Drogengebrauch zu verringern und eine aufgeklärte, menschliche Drogenpolitik zu fördern, welche die gescheiterte Drogenprohibition überwindet.

Das Drogenpolitik Briefing

Danke fürs Lesen des Briefings! Die gesellschaftpolitische Aufklärung ist mir ein wichtiges Anliegen, weil wir nur so bessere Entscheidungen über dieses stark stigmatisierte Thema treffen können.

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