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Facebook und der Drogenkrieg

Liebe Leser*innen, liebe Neuen, liebe Mitglieder,

los geht’s also mit diesem neuen Jahr und es hält schon gleich politische Neuigkeiten parat, die schlechte Laune machen.

Dass der Wahlkampf in vielerlei Hinsicht scheußlich wird, war zu erwarten. Aber dass Zuckerberg jetzt auch mit seinem Einfluss auf die USA und Deutschland jeden Skrupel ablegt, wird den schnellen Wertverlust von Wahrheit nochmal um einiges beschleunigen. Anders als Twitter, wird Facebook in Deutschland tatsächlich von einer großen Zahl von Menschen täglich benutzt. So schlimm wie es auf der Plattform schon in der Erosion der Demokratie zugeht, ist leider noch gut Luft nach oben. Was das mit Drogenpolitik zu tun hat, erkläre ich gleich.

Marc Zuckerberg hat sich zu seinen Algorithmen als politischer Waffe gegen Demokratie nicht erst kürzlich von Musk inspirieren lassen, sondern hat längst in anderen Ländern, auf die man von Deutschland aus international nicht so schaut, Erfahrungen gesammelt. Ein prägnantes Beispiel sind die Philippinen. Die renommierte Journalistin und Friedensnobelpreisträgerin Maria Ressa appelliert seit Jahren an westliche Staaten, vor allem zu vielen Anlässen in den USA, die Macht von Facebook nicht zu unterschätzen und nicht zu glauben, dass man als Gesellschaft und Staat über das, was Facebook in den Philippinen angerichtet hat, erhaben sei.

Vielleicht kennt ihr Maria Ressa als wichtige Stimme gegen Duterte’s Drogenkrieg. Sie sollte aber nicht missverstanden werden. Nach meinem letzten Stand würden wir sie drogenpolitisch eher als konservativ einordnen, jedenfalls nicht progressiv. Ihr Widerstand gegen Duterte’s Drogenkrieg gründete sich auf ihren Einsatz für Pressefreiheit und – damit! – die Demokratie. Dutertes Drogenkrieg, der bis heute unter seinem Nachfolger Marcos Jr. munter fortgeführt wird, hat seit 2016 zehntausende Tote gefordert. Für die ersten paar Tage diesen Jahres hat das wichtige Dahas-Projekt (Abre numa nova janela) mindestens 8 Menschen dokumentiert, denen im Namen der “Drogenbekämpfung“ ihr Leben genommen wurde. Das ist aber nur eine Mindestzahl.

Was das mit Facebook zu tun hat: Zuckerberg hatte keinerlei Skrupel, die Aushöhlung der philippinischen Demokratie und die Autokratisierung, bei der die Polizei und Milizen von Armut betroffenen Mitmenschen töten, zu beschleunigen. Hört hier kurz von Maria Ressa selbst:

https://www.youtube.com/watch?v=Ed7s4OL65IA (Abre numa nova janela)

In den Philippinen wurde die Verschärftung der Drogenpolitik als wichtigstes Instrument benutzt, um die Demokratie auszuhöhlen. Zur “Bekämpfung des Drogenelends” ist schließlich ein stärkerer Ausbau von Polizei, ihren Befugnissen und Präsenz nötig, nicht? Es wurden viele Schritte der Autokratisierung von großen Teilen der Bevölkerung, auch Progressiven, mitgetragen, denn man müsse ja wirklich was “gegen die Drogen” tun... Ob Duterte dies ohne Facebook gelungen wäre, ist zu bezweifeln.

Deutschland ist nicht die Philippinen. Ich sehe keinen Drogenkrieg wie den von Duterte und Marcos Jr. kommen. Unter anderem weil wir andere vorrangige Themen haben, die den Armutsbetroffenen, Arbeitslosen und (den “richtigen” vs. “falschen”) Migrant*innen Schuld an der wirtschaftlichen Lage zuschieben, man siehe die Diskussion um die Grundsicherung von Bürgergeld-Empfänger*innen etc. Aber mit schärferer Armutsdiskriminierung und Bestrebungen nach einer Zwei-Klassengesellschaft wie aktuell ganz brisant durch die CDU/CSU (Grundrechte für die einen ja, die anderen nein) wird auch die repressive Drogenpolitik noch weitaus schlimmer werden.

Zwei gefährliche Parallelen und wichtige Lehren will ich heute nochmal hervorheben:

1. Die Entwertung und Entmenschlichung von armutsbetroffenen Drogengebrauchenden

Oben habe ich geschrieben, dass Menschen das Leben genommen wird, indem sie getötet werden. Das sehen die Täter anders.

Das bereits existierende Anti-Drogen-Narrativ, das von Duterte und Facebook’s Trollnetzwerken aufgegriffen und verstärkt wurde, ist, dass die Drogen den Menschen das Leben schon vor ihrem Tod genommen hätten. Und zwar nicht alle illegalen Drogen, über die es der mittelständische Teil der Gesellschaft besser wüsste, sondern auch der philippinischen Drogenkrieg ist, wie immer, nur ein Krieg gegen bestimmte illegale Drogen. Die unter der armutsbetroffenen Bevölkerung am meisten verbreiteste (unter anderem, um fürs Überleben der Familie in extremer Armut länger arbeiten zu können). “Einmal Meth genommen: Das Hirn ist unwiederbringlich kaputt”.

Die Menschen seien keine richtigen Menschen mehr, eine “Belastung” für Gesellschaft, Nachbarschaften und Familien. “Zombies”. Ohne sie ginge es allen besser, so das Versprechen.

Vielleicht erinnert ihr euch daran, dass ich letzten Sommer bei Jung&Naiv’s und Küppersbusch’s Palastrevolution (Abre numa nova janela) so kontfrontativ reagiert habe, als diese Behauptung kurz im Raum stand. Ich konnte mich nicht weiter erklären, aber habe im Anschluss diesen Beitrag hier (Abre numa nova janela) verfasst. Niemand ist verloren. Niemand ist überflüssig. Es sind keine harmlosen Behauptungen, sondern sie haben einen schädlichen bis tödlichen Kontext. Wenn euch gegenüber jemand so etwas äußert, denkt bitte dran, es anzusprechen! Es muss kein Gespräch über Drogenpolitik werden. Aber es nicht nur unangebracht, so über andere zu sprechen, sondern auch neurologisch schlicht falsch. Der bekannte US-Neurologe Dr. Carl Hart und Drogenpolitik-Kritiker, der unter anderem auf die Wirkung von Methamphetamin im Hirn spezialisiert ist, war zu Duterte’s Präsidentschaft in die Philippinen gereist und spricht hier im Interview in Maria Ressa’s News Outlet Rappler über die Fakten und seine Beobachtungen:

https://www.youtube.com/watch?v=apHjsOeW_L0 (Abre numa nova janela)

2. Öl ins Feuer des gescheiterten, destabilisierenden Drogenkriegs

Die andere große Parallele ist der parteiübergreifende Trend zur weiteren Intensivierung der “Bekämpfung des Drogenhandels”, angeblich jetzt aber wirklich erfolgreich, wenn wir nur weiter in den Ausbau und die Ausstattung der Behörden investieren. Auch der Programmentwurf der Grünen enthält solch eine Formulierung.

Die Investition in ein repressives System, das die Mächtigen unter den illegalen Akteuren zur Aufrüstung und Korruption motiviert, ist prinzipiell destablisierend für Demokratien. Was für eine schlechte Idee, Öl ins Feuer zu gießen, auch noch gerade jetzt, wo es stabile und verlässliche Institutionen zum Schutz von Grundrechten braucht. Aber es ist ein populäres Thema und hier möchte ich der Politik nicht unbedingt mehr Verantwortung zuschieben als der Presse und Gesamtbevölkerung. Die längst ausgearbeiteten Auswege aus der “Drogenbekämpfung” von Expert*innen-Gruppen und die Appelle von Menschenrechtsexpert*innen finden ganz allgemein kaum Beachtung. Deswegen ist es gerade umso entscheidender, dass einzelne Personen hier Verbesserungen anstreben und die Aufklärung fördern und einfordern. Mehr Aufmerksamkeit für eine fachlich fundierte Debatte wird dem folgen.

Die Global Commission on Drug Policy, das internationale Gremium von ehemaligen, hochrangigen Regierungsmitgliedern, hat einen neuen Bericht herausgebracht, in es erneut die Evidenz und Handlungsempfehlungen zusammenfasst. Der 2020-Bericht behandelt speziell die Frage des Umgangs mit dem Drogenhandel. Zusammengefasst: Regulieren und deeskalisieren statt befeuern. Die Berichte im Überblick:

https://www.globalcommissionondrugs.org/reports (Abre numa nova janela)

Zwei weitere Stellungnahmen:

  • Als My Brain My Choice Initiative haben wir letztes Jahr das EU-Statement der zivilgesellschaften Organisationen unterzeichnet, initiiert vom European Harm Reduction Network Correlation. Auch hier heißt es: “Es ist an der Zeit, die Politik der Drogenbekämpfung aufzugeben, die zwar Milliarden gekostet hat, aber weder die Größe der illegalen Drogenmärkte noch die Macht des organisierten Verbrechens oder die Gewalt verringert hat.”

https://mybrainmychoice.de/manifest-eu-2024/ (Abre numa nova janela)
  • Der Schildower Kreis erklärt im Statement vom Dezember: “Der weltweite Drogenkrieg führt zu einem Erstarken krimineller Strukturen, wachsender Korruption und zunehmender Militarisierung der Innenpolitik.” (Hauptautor ist Ev. Pfarrer Michael Kleim i.R. Ich habe den Quellenapparat ergänzt und zitiere mich hier also nicht selbst.)

https://schildower-kreis.de/tag-der-menschenrechte-2024/ (Abre numa nova janela)

Fazit

Zu den beiden Anti-Drogen-Narrativen – a) Menschen seien wegen bestimmten Drogen “verlorene” “Zombies” und b) die “Drogenbekämpfung” müsse nur intensiviert werden, dann würde sie funktionieren – deren schädlichen und destabilisierenden Folgen eh schon schmerzlich brennen, kommt nun mit Facebooks neuem Schritt an Skrupellosigkeit ein Brandbeschleuniger hinzu. Yay.

Was das in Deutschland (und weltweit) konkret bedeutet, wird sich in den kommenden Wochen andeuten oder schon zeigen. Sich diesen beiden Behauptungen entgegenzustellen, gehört jedenfalls zum Rezept, dagegenzuhalten!

Ein Neujahrs-Geschenk!

Besser schaffe ich es heute nicht zu enden. Aber ich habe etwas Schönes für euch. In den letzten Tagen habe ich die My Brain My Choice Website umgestaltet. Ganz fertig ist sie noch nicht (unter anderem fehlt noch das Feedback der Initiative), aber die Inhalte sind nun viel besser zugänglich und die Website ist viel schneller, was sie in den Suchmaschinen höher ranken wird. Wie findet ihr sie?

https://mybrainmychoice.de/ (Abre numa nova janela)

Ich hoffe, ihr konntet gut ins neue Jahr starten! Die politische Lage ist ein Dämpfer, aber ansonsten freue ich mich drauf. Das Briefing erreicht euch nun in der Regel immer freitags.

Beste Grüße
Eure Philine

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Über mich & Anstehende Termine

Seit 2015 setze ich mich für einen Paradigmenwechsel in der deutschen Drogenpolitik ein. 2017 habe ich die My Brain My Choice Initiative als ehrenamtliche Plattform und Thinktank mitbegründet und vertrete unsere Konzepte und Kampagnen gegenüber Medien und Politik. Als Schildower Kreis-Mitglied stehe ich auch nach meinem Studium der Regionalwissenschaften (M.A.) im Austausch mit Expert*innen aus der Wissenschaft.

Die My Brain My Choice Initiative

My Brain My Choice (MBMC) ist eine zivilgesellschaftliche Initiative, die sich der Vertretung der Interessen von Menschen widmet, die Drogen gebrauchen. Wir setzen uns dafür ein, dass deren Perspektiven gehört und respektiert werden. Mit unseren Projekten und Kampagnen arbeiten wir seit 2017 daran, die Stigmatisierung und Diskriminierung von illegalem Drogengebrauch zu verringern und eine aufgeklärte, menschliche Drogenpolitik zu fördern, welche die gescheiterte Drogenprohibition überwindet.

Tópico Diskursanalyse

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