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Liebe Pfefferhasen, 

ich melde mich am Ende einer langen Woche mit dem ersten Newsletter dieser neuen Reihe bei euch. Die Zusammenstellung der Nachrichten für den Wochenrückblick hat mich fast an meine Grenzen gebracht, so viel Mist ist passiert, und Freude und Entsetzen lagen manchmal nur eine neue Push-Benachrichtigung der Tagesschau auseinander. Die Gleichzeitigkeit von Ereignissen ist etwas, das mich diese Woche beschäftigt hat. Während sich das bloße Grauen an den EU-Außengrenzen ereignet, freue ich mich über einen Eistee im Schatten zwischen Büroarbeit und Schicht im Buchladen. Es ist schwer, das zu fassen, noch schwerer, es auszuhalten und nicht zu verzweifeln. Aber wir dürfen uns freuen, auch wenn es sich manchmal zynisch anfühlt. 

Zum Beispiel über die Streichung des § 219a StGB, auch wenn es nur ein kleiner Schritt in die richtige Richtung ist. Über Schwangerschaftsabbrüche zu informieren, gilt nicht mehr länger als Werbung für Abtreibungen. (Abre numa nova janela) Zu dieser bahnbrechenden Erkenntnis kamen die Parteien der selbsternannten „Fortschrittskoalition“ (Marco Buschmann) aus FDP, Grünen und SPD, und am Freitag stimmte der Bundestag dafür, den Paragrafen 219a StGB zu streichen. Das sogenannte „Werbeverbot“ ist Geschichte. Insbesondere Politiker*innen von Grünen und SPD überschlugen sich vor Begeisterung. Ein „Triumph“ (Lisa Paus) sein gelungen, es sei „Geschichte geschrieben“ worden – „Was für ein Tag“ (Katja Mast) und „ich fasse es nicht“ (Jessica Rosenthal) war zu lesen. Und ja, es ist in der Tat ein Erfolg! Aber eben doch in erster Linie für Ärzt*innen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Denn nur um sie ging es beim Paragrafen 219a.

Die Ärztin Kristina Hänel wurde auf Basis von § 219a immer wieder angezeigt.

Versteht mich bitte nicht falsch, ich freue mich sehr, dass nun endlich nach Jahrzehnten feministischer Kämpfe dieses absurde Repressionsinstrument abgeschafft wurde, dass Mediziner*innen kriminalisiert, wenn sie öffentlich darüber informieren, welche Form(en) des Schwangerschaftsabbruchs sie durchführen. Insbesondere die Ärztin Kristina Hänel wurde immer wieder von rechten Inceltrolls angezeigt und musste sich vor Gericht verantworten – alles auf Basis von § 219a. Das geht jetzt nicht mehr – Hurra! Aber was ändert sich dadurch für ungewollt Schwangere? Nicht viel, denn Abtreibungen bleiben in Deutschland weiter verboten. In § 218 des Strafgesetzbuchs sind Abtreibungen geregelt. „Wer eine Schwangerschaft abbricht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft“, heißt es darin. Kein Witz, guckt nach (Abre numa nova janela). Nur unter bestimmten Bedingungen sind Abtreibungen straffrei, illegal bleiben sie. Damit verstößt Deutschland gegen die Menschenrechte. Bereits 1994 hat die UNO festgestellt, dass die freie Entscheidung, eine Schwangerschaft auszutragen oder nicht, ein Menschenrecht ist. Dem deutschen Staat ist das egal. Und auch der „Fortschrittskoalition“ offenbar, denn der § 218 soll auch weiterhin bestehen bleiben. So sehr ich mich für Kristina Hänel und ihre Kolleg*innen freue: ein echter Erfolg ist das noch nicht. Denn selbst wenn zukünftig Ärzt*innen auf ihren Webseiten schreiben, welche Abbrüche sie durchführen, sind es immer noch viel zu wenige, die überhaupt Schwangerschaftsabbrüche anbieten. Deutschlandweit gibt es nur 1.110 sogenannte „Meldestellen“, also Praxen und Kliniken, die Abtreibungen durchführen. Im Jahr 2003 waren es fast doppelt so viele. Der Rückgang hat auch damit zu tun, dass Schwangerschaftsabbrüche im Medizinstudium selten überhaupt thematisiert werden. Im Jahr 2020 wurden in Deutschland rund 100.000 Schwangerschaften offiziell abgebrochen. Die Versorgungslage ist verheerend. Insbesondere im ländlichen Raum müssen Schwangere oft sehr weit fahren und die Kosten selbst tragen – die Krankenkassen zahlen natürlich nicht für etwas, das illegal ist. Also Sorry not Sorry, dass ich nicht in den allgemeinen Jubel einfalle. Das Feiern hebe ich mir für den Tag auf, an dem Schwangerschaftsabbrüche als normaler Teil der medizinischen Versorgung gelten, legal, sicher und von den Krankenkassen finanziert.

Während sich hierzulande Feminist*innen über eine Etappensieg freuten, wurde ich den USA das schlimmstmögliche Realität: Der Supreme Court kippte Roe v Wade, also das geschichtsträchtige Urteil, das ungewollt Schwangeren das Recht auf einen Abbruch garantiert. (Abre numa nova janela) Das bedeutet, dass es in mindesten 25 Bundesstaaten, insbesondere im Süden und Mittleren Westen, keinen Zugang zu legalen und sicheren Abtreibungen mehr geben wird. Obwohl eine Mehrheit, zwei Drittel der US-Amerikaner*innen, für die Beibehaltung von Roe v Wade war, hat das höchste Gericht die Entscheidung kassiert. Und das bedeutet nicht nur, dass zukünftig insbesondere arme Frauen und schwangere Personen für eine Abtreibung gefährliche Prozeduren durchlaufen müssen (Stichwort „Kleiderbügel“), sondern auch, dass die Kriminalisierung derjenigen, die einen Abbruch haben oder dabei helfen ernste juristische Konsequenzen fürchten müssen. „Wir sind in eine Ära eingetreten, in der es nicht mehr um unsichere Abtreibungen geht, sondern um eine weit verbreitete staatliche Überwachung und Kriminalisierung – von schwangeren Frauen natürlich, aber auch von Ärzt*innen und Apotheker*innen, Klinikpersonal, Freiwilligen, Freund*innen und Familienangehörigen, von jedem, der mit einer Schwangerschaft in Berührung kommt, die nicht mit einer gesunden Geburt endet“, schreibt die Autorin Jia Tolentino in einem sehr lesenswerten Beitrag für den New Yorker (Abre numa nova janela). Die USA gehen nicht „zurück ins Mittelalter“, wie manche Kommentator*innen meinen, sie gehen einen großen Schritt weiter in eine Zukunft, in der christlich-fundamentale Gruppen mehr und mehr Einfluss bekommen und die Freiheit und Demokratie zugunsten eines patriarchalen Gottesstaates untergraben.

Was sonst noch so passiert ist in der vergangenen Woche, könnt ihr im Wochenrückblick aus feministischer Perspektive nachlesen. Darin geht es u.a. um mehrere Fälle von Polizeigewalt, die unterschiedlichen Entscheidungen von Sportverbänden zur Teilnahme von trans Athlet*innen und das Massaker von EU-Grenzschützern an Geflüchteten in Marokko. 

Ich hatte hier vergangene Woche eine kleine Verlosung angekündigt für alle, die mir in einer kurzen Mail geschrieben haben, warum sie diesen Newsletter abonniert haben. Soeben habe ich die  Gewinnerin ausgelost: Herzlichen Glückwunsch, Shakira, Du bekommst das Pfefferhasi & Friends Überrschungspaket! Allen anderen vielen Dank fürs Mitmachen und eure Mails.  Ich konnte aus euren Rückmeldungen viel mitnehmen, das mir hilft, den Newsletter zu verbessern. 

Ich selbst empfange drei Newsletter, die ich euch von Herzen empfehlen kann:

Sibel Schick verschickt monatlich "Saure Zeiten" (Abre numa nova janela), einen Newsletter, in dem sie unterschiedlichen Autor*innen einen (bezahlten!) Kolumnenplatz gibt, deren Perspektive in der traditionellen deutschsprachigen Medienlandschaft zu kurz kommt.

Marija Latković schreibt alle 14 Tage über gemište Gefühle (Abre numa nova janela), die bestimtme aktuelle Themen bei ihr auslösen.  Das ist oft richtig poetisch, auf jeden Fall immer sehr treffend, erhellend und manchmal schmerzhaft. Aber auf die gute Art!

Daniel Schreiber, dessen Essay-Bände "Nüchtern", "Zuhause" und "Allein" kleine Meisterwerke sind, schreibt in "Dear Daniel" (Abre numa nova janela)jede Woche über Fragen, die wir uns oft nicht zu stellen trauen. Das ist jedes Mal sehr lesenswert und ganz oft auch tröstlich. 

Ich freue mich, wenn ihr diese Newsletter abonniert, denn die sind keine Konkurrenz zu meinem, sondern eine Bereicherung für euch. Ich freue mich, wenn ihr meinem Newsletter treu bleibt und wenn ihr könnt und mögt, eine Steady-Mitgliedschaft abschließt. Das geht ab 3€ im Monat und finanziert meine Arbeit. Aber keine Sorge, der Wochenrückblick bleibt kostenfrei zugänglich für alle. 

Das war's für heute. Passt auf euch und einander auf

Eure Ulla


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