Über elegante Lösungen andere Merkwürdigkeiten
Aufmerksame Leser von Reskis Republik haben mir einen Artikel der New York Times (Abre numa nova janela) zugeschickt - in dem das Flutsperrwerk "Mose" als "elegante" Lösung für das Hochwasser beschrieben wird und dabei leider auch die gleiche MOSE-Propaganda wiederholt: "a secure but nearly invisible defense that would cost less to maintain than a fixed, exposed structure" - wiederholt, die bereits vor Jahrzehnten wiederlegt wurde: Das Projekt Mose bekam deshalb den Zuschlag, weil es sich durch »Unsichtbarkeit« definierte – obwohl seine unsichtbaren Werke nur funktionieren, nachdem die sichtbaren die Lagune verwüstet haben: der zubetonierte Küstenstreifen an der Bocca di Porto di Malamocco, die Betonwände der Schleusenkammer, der Stahlbeton an der Punta Sabbioni und die Betoninsel in der Bocca di Porto di Lido.
Mose-Kommissarin Elisabetta Spitz bekommt in dem Artikel die Gelegenheit, hervorzuheben, dass die Immobilienpreise für Erdgeschosswohnungen - "ideal als Air-Bnb" zu nutzen - gestiegen seien. Gänzlich unerwähnt bleiben allerdings die eigentlichen Ursachen für das Hochwasser wie der Kanal für Erdöltanker, wie überhaupt das Ausgraben der Lagune. Indem allein der Anstieg des Meeresspiegels für das Hochwasser verantwortlich gemacht wird, werden die Urheber natürlich entlastet: Von den wirtschaftlichen Interessen und ihren Auswirkungen auf die Lagune ist keine Rede.
Das Lob der New York Times für das "elegante" MOSE-Projekt mag damit zusammenhängen, dass, wie wir seit langem wissen, das MOSE-Projekt jetzt in die ganze Welt, vor allem aber nach New York verkauft werden soll: "Mr. Brugnaro, the mayor, said that New York City officials had contacted Venice because they feared similar high water and “they want to understand how we did it.”
Ja, da können wir aus Venedig den New Yorkern nur viel Glück mit MOSE wünschen (die Kosten, just to say, liegen keineswegs bei 5 Milliarden Euro, sondern bei 6,5 Milliarden - ohne die Ausgleichsarbeiten, die sich auf weitere 2,5 Millarden Euro belaufen - peanuts.)
Aber damit es nicht heißt, dass die Reski immer so negativ ist, hier jetzt das Positive. Wie ich bereits in Reskis Republik berichtete (Abre numa nova janela), hat sich der Bürgermeister von Venedig, anstatt Fundamente zu renovieren, Kanäle von Sedimenten zu befreien oder gar verseuchte Böden zu sanieren, vor allem dadurch hervorgetan, zu beschließen, mit Geldern aus dem Spezialgesetz für den Erhalt von Venedig und EU-Fördergeldern des europäischen Aufbauplans NextGenerationEU ein Sportstadion auf dem Festland zu bauen - dessen Kosten inzwischen auf 308 Millionen Euro angestiegen sind. Dagegen hat Italia Nostra geklagt und darauf aufmerksam gemacht (Abre numa nova janela), dass sich das Gebiet innerhalb der geplanten Pufferzone des Unesco-Gebiets "Venedig und seine Lagune" befindet: "Das Projekt steht im Widerspruch zu den Zielen der EU-Verordnung, wonach alle Maßnahmen in den nationalen Plänen dem Grundsatz entsprechen müssen, "keine erheblichen Schäden an der natürlichen Umwelt zu verursachen". Das ist offenbar in Brüssel nicht auf taube Ohren gestoßen: Die europäische Kommission hat - vorerst - ein Veto für den Bau des Sportstadions eingelegt. Unfassbar, aber wahr!
Das Krötenschlucken der Grünen erinnert mich an unsere Enttäuschung in Italien über das Einknicken der Fünfsterne. Das gleiche Rumrudern, Beschönigen, Sich-in-die-Tasche-Lügen. Ich weiß noch, wie schockiert ich war, als ich kurz nach den Wahlen 2018 miterlebt habe, wie die Fünfsterne ihren Wählern erste Wahlversprechen schuldig blieben, vor allem, was den Umweltschutz und Großprojekte betraf: In Apulien, wo die Fünfsterne aus den Wahlen mit 44 Prozent als stärkste Partei hervorgegangen waren und Stimmen vor allem damit gewonnen hatten, dass sie sich im Wahlkampf gegen die Abholzung der Olivenbäume eingesetzt hatten, verkündeten sie knapp zwei Monate nach den Wahlen plötzlich einen „Zehn-Punkte-Plan“ zur „chirurgischen Rodung der Olivenbäume“ – der mich fassungslos machte. Und meine Begeisterung für die Fünfsterne in sich zusammenfallen ließ wie ein missratenes Soufflé.
Über den Bluff mit der Xylella und den Olivenbäumen habe ich auch bereits in Reskis Republik (Abre numa nova janela) geschrieben, um so mehr freut mich, dass das oberste Verwaltungsgericht Apuliens jetzt der Klage einiger Besitzer jahrhundertealter Olivenbäume stattgegeben, die sich dagegen gewendet haben, dass ihre von der Xylella befallenen Bäume gerodet werden sollten: "Monumentale Olivenbäume dürfen nicht angetastet werden. Ein historisches Urteil zum Schutz von Wissenschaft und Forschung wird den Schutz der jahrhundertealten, vom Bakterium Xylella fastidiosa befallenen Bäume in Apulien revolutionieren. Nachdem Umweltschützer wegen der massenhaften Abholzung infizierter und benachbarter Olivenbäume vor Ökozid und möglicher Wüstenbildung gewarnt hatten, hat nun die Justiz der Entwurzelung Einhalt geboten und den Weg für verfügbare Behandlungsmethoden geebnet" - schrieb dazu Il Fatto Quotidiano (Abre numa nova janela). Ich kann nur hoffen, dass dieses Urteil tatsächlich wegweisend wird - für viele Olivenbäume, die speziell im Salento bereits gefällt oder gar in Brand gesteckt wurden, kommt es allerdings zu spät.
Um so interessanter ist zu beobachten, dass derzeit viele vertrocknete und als "unrettbar" erklärte Olivenbäume in diesem Frühjahr wieder plötzlich ausschlagen - was, wie Ivano Gioffreda, Gründer und Präsident von „Spazi Popolari“, einer Kooperative für organisch- biologischen Anbau, erklärte, damit zusammenhängen kann, dass aufgrund der letzten beiden heißen Sommer die Pilze vertrocknet sind, die den Transport von Flüssigkeit und von Nährstoffen in der Olivenbäumen blockieren.
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Herzlichst grüßt Sie aus Venedig, Ihre Petra Reski
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