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Mad Heidi (Johannes Hartmann & Sandro Klopfstein)

Als erster und bislang einziger Vertreter des Swissploitation Genres, wurde Mad Heidi als Fanprojekt über Crowdfunding finanziert und suhlt sich in Trash und Anspielungen diverser Kultfilme, wie Apocalypse Now und Starship Troopers. Wir folgen Heidi (Alice Lucy), wie sie ihren blutigen Rachefeldzug gegen den Diktator Meili (Casper Van Dien) startet und die imperialistische Schweiz dem Volk zurückgibt.

Swissploitation

Der Name legt es schon nahe, dass der Film den Genre-Fußstapfen des Exploitation Kinos, das Hollywood in den 1960ern zu neuem Aufwind verhalf, folgt. Mit der Einführung des Fernsehens in quasi sämtliche mittelständische Haushalte Ende der 50er stürzte das Kino in den USA in eine wirtschaftliche Krise. Große Studioproduktionen lohnten sich nicht mehr, wenn die Zielgruppe einfach zu Hause bleiben und sich auf der Couch die Filme anschauen konnte. Ironischerweise waren Kinos in strukturschwachen Gebieten von der Krise relativ verschont geblieben, da sie sich die teuren Blockbuster sowieso nicht leisten konnten. Stattdessen zeigten diese Exploitation Filme und miserabel übersetzte Actionfilme aus Hong-Kong. Die Klientel, die meist aus innerstädtischen Jungs aus prekären Verhältnissen bestand, erfreute sich an Sex und Gewalt.

Zu der Zeit hatte der Hays Code Hollywood noch fest im Griff, wodurch die Studios sich selbst zensierten und alles, was zur Verrohung der Gesellschaft beitragen konnte, verboten war. Dazu gehörten Gewalt gegen die Polizei, Drogenkonsum und Sex. Exploitation Filme sahen das eher als Aufforderung, genau das zu zeigen und trafen damit einen Nerv, der eine Gegenkultur startete, die später die Gründer von New Hollywood, wie Martin Scorsese oder Oliver Stone, inspirierte.

Auch ein emanzipatorisches Element für Frauen und Schwarze entstand dadurch. Besonders die Afroamerikaner verliehen ihrem Frust über das ungerechte System in ihrer Version des Genres Blaxploitation Ausdruck, wo typische Schwarze Vorurteile als heroisch stilisiert wurden und oft die weiße Obrigkeit bekämpft wurde.

Mad Heidi beginnt als Blaxploitation. Wir sehen Geissen-Peter (Kel Matsena) als typischen Protagonisten eines Blaxploitation Films. Er ist schwarz, potent und bietet dem weißen System die Stirn, indem er mit Drogen (hier: verbotener Ziegenkäse) handelt. Mit Nerzmantel und Lederhose vereint er die Zuhälter- mit der Alpen-Ästhetik. Durch Geissen-Peters Tod allerdings verlässt Mad Heidi das Blaxploitation-Genre. Mit Heidi als Protagonistin ist der Film viel mehr dem Women-In-Prison und dem Rape-and-Revenge Subgenre des Exploitation-Films zuzuschreiben. Heidi muss die brutale Tortur im Gefängnis überstehen, um dann Rache an ihren Peinigern üben zu können.

Kapitalismus oder Nationalismus?

Präsident und Käsemagnat Meili herrscht mit eiserner Hand über die Schweiz. Sein Käse ist der einzige, der in der Schweiz verkauft und konsumiert werden darf. Mehr noch, Laktose-Intoleranz erfährt maximale Intoleranz. Alle Bürger, die Käse nicht vertragen, müssen vernichtet werden. Wir sehen eine kleine Gruppe Demonstranten, die sich bei der Machtübernahme versucht haben, zur Wehr zu setzen. “Stop the Monopoly” lesen wir auf einem Schild. Die Uniformen der Staatsgewalt erinnern stark an Nazi-Deutschland und ein Propaganda Video hält die Bevölkerung dazu an, Laktose-Intolerante Menschen zu melden. “I am doing my part”, lautet der Slogan, der so auch in den Propagandavideos der Satire Starship Troopers (Casper Van Dien’s bekannteste Rolle) gepredigt wurde.

Wir haben also einen Kapitalisten, der in der freien Marktwirtschaft so groß geworden ist, dass er seine Macht missbrauchen und das ganze Land unterjochen kann. Ihm geht es nicht mehr um den finanziellen Erfolg seines Käses, sondern um politische Macht. Erst einmal an der Spitze des Landes angekommen, schafft Meili den freien Markt ab, indem er sämtliche Konkurrenz verbietet. Dass das kein Widerspruch zum Kapitalismus darstellt, sondern vielmehr die zwingende Konsequenz stetigem Wachstumsdruck ist, liegt auf der Hand. Das sehen wir überdeutlich an den Bemühungen, die Macht von Global Playern wie Apple, Google oder Microsoft wieder einzuhegen. Haben diese Konzerne erstmal den Markt übernommen, gibt es keinen Grund mehr, dass sie das beste, günstigste oder benutzerfreundlichste Produkt anbieten, es genügt, wenn sie die Konkurrenz mit finanzieller Macht und politischem Einfluss klein halten.

Entsprechend ist Meili auch mehr Kapitalist als Imperialist oder Diktator. Er muss als einziger keine Uniform tragen, man sieht ihn nur in Tracksuit mit Adiletten oder im Bademantel. Das Bedürfnis nach der großen, zeremoniellen Geste finden wir zwar sowohl im Nationalismus als auch im Kapitalismus, aber wenn der Vertrag zwischen Frankreich und der Schweiz dann ganz hemdsärmelig in der Fabrik unterschrieben wird, hat das mit staatstragendem Prunk nicht mehr viel zu tun.

Death to the Fatherland, long live the Motherland

Das ist die Kampfparole in Mad Heidi. Doch was bedeutet das genau? Einerseits geht es natürlich um das Patriarchat, gegen das sich der Feminismus auflehnen muss. Heidi selbst wird als emanzipiert dargestellt: Sie widerspricht ihrem Großvater, initiiert den Sex mit Geissen-Peter und lässt sich auch sonst nichts sagen. Später wird sie von Frauen trainiert, was ihr die Kraft verleiht, das Imperium zu zerschlagen.

Das Patriarchat hingegen hat es sich zur Aufgabe gemacht, Frauen zu unterdrücken. Ausser den Gefängniswärterinnen, sehen wir in dem Film keine weibliche Person in den Reihen von Meili, ausser als Ausstellungsobjekt. Das Dessert wird von einer barbusigen Dame serviert und Meili’s Interesse an Heidi liegt einzig daran, sie auf dem Schwingfest den französischen Abgeordneten zu präsentieren.

Eine zweite Lesart liegt in dem Konflikt Technik gegen Natur. Die Käsefabrik Meilis sieht aus wie ein industrieller Albtraum, überall sind kalte Stahlrohre, Pumpen und Zahnräder. Der Käse auf dem Gebäude ist nur das Symbol, das Produkt, das hergestellt wird, hat mit einem natürlichen Käse nichts mehr zu tun. Auf die Frage, warum Geissen-Peters Käse so lecker ist, sagt er nur: “Happy Goat, happy cheese.” Der natürliche Käse ist geschmacklich dem industriellen Käse überlegen. Das Training Heidi’s findet in der naturbelassenen Kulisse der Alpen statt. Wir sehen Berge, Wasserfälle und grüne Wiesen. Der Gegenentwurf zum blechernen Kampfanzug der Neutral-Izers, der ihr größter Widersacher ist. Und auch die Frauen in Meilis Reich werden der Maschine unterworfen, beziehungsweise die Natürlichkeit des Frauenkörpers wird maschinell ausgebeutet. So werden sie wortwörtlich in der Käsefabrik gemolken, um den ultimativen Käse herzustellen.

Diese Naturästhetik findet auch in der neuen Rechten viel Anklang. Schon in Rocky IV, Ronald Reagans Lieblingsfilm, ging es um die Maschine Sowjetunion gegen den amerikanischen Naturburschen. Coachings und Survival Trips werden bei jungen, rechten Männern immer beliebter, mit einem Fokus auf die Rückbesinnung auf die Natur und die natürliche Ordnung. Nicht umsonst sieht man auf den meisten KI-Bildern der AFD und Identitären Bewegung eine Familie in den Bergen, am See oder beim Campen im Wald. Nur wenige Anhänger der neuen Rechten wollen zurück in den Nationalsozialismus, wie in Deutschland ab 1933. Vielmehr wird propagiert, dass vor allem in den größeren Städten etwas propagiert und erzwungen wird, was wider der Natur des Menschen sei.

Auch das Männlichkeitsbild entspricht den Identitären Alpha-Males. Kommandant Knorr (Max Rüdlinger) steht drauf, wenn er von Fräulein Rottweiler (Katja Kolm) dominiert und einer Bratwurst penetriert wird, Meili findet sein unrühmliches Ende mit einem Käseschlauch im Arsch und der Neutral-Izer ist eigentlich ein pummeliger Bürokrat, der es nicht einmal bemerkt, wenn ihm die Hoden abgeschnitten werden. Das sind alles Männer, gegen die auch Andrew Tate oder Jordan Peterson liebend gerne in den Krieg gezogen wären.

Fazit

Die Erzählung der Überlegenheit der Natur wird am Ende noch ein bisschen aufgebrochen, wenn Heidi sich in moderner Lederjacke und Jeans vom Lagerfeuer wegbewegt und mit dem Motorrad, das mit einer Minigun verstärkt wurde, ihren Rachefeldzug beendet. Dennoch bleibt der Tenor einer, der auch den falschen Leuten gefallen dürfte. Schließlich ist der Schritt ein kleiner, von der natürlichen Ordnung des Käses zu der natürlichen Ordnung von Frauen und Männern.

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