Der Aufbau von Papa Unterricht

Aufbau von "Papaunterricht"
Wir werden folgendermaßen beginnen: Einmal pro Woche erhaltet ihr Anleitungen zu Experimenten, Beobachtungen und sonstigen Aktivitäten, die ihr mit euren Kindern z.B. am Wochenende durchführen könnt. Es werden in loser Folge Inhalte für jüngere Kinder, für ältere Kinder, sowie unsere Erfahrungen und Beobachtungen der letzten 15 Jahren zu lesen und zu sehen sein - mal als Text, mit Bildern oder als Video. Die Struktur soll immer gleich sein - einfacher Versuchsaufbau, mögliche Erkenntnisse, kleiner wissenschaftlicher Hintergrund, benötigte Gegenstände sowie sich daraus ergebende Alltagserfahrungen und -beobachtungen. Jeder kann also diese wöchentlichen Erfahrungen mit den Kindern, die ihm am Herzen liegen, machen - wenig Vorbereitung, wenig Zeitaufwand - viel Freude. Nimmt man sich dafür die Zeit, entsteht über Monate - oder idealerweise über Jahre - ein Wissensschatz, ein guter Beobachter und ein wissbegieriger Mensch, der immer mehr in der Lage sein wird, sein spielerisch erworbenes Wissen anzuwenden und mit neuen Erfahrungen zu verknüpfen.
Was hat uns dazu gebracht diesen Versuch zu unternehmen, den Kindern von heute zu einer Menge wichtiger, eigener Erfahrungen und Beobachtungen zu verhelfen?
Wie in der Beschreibung bereits ausgeführt, kann jeder Erwachsene über 30/40 feststellen, dass seine Kindheit noch eine ganz andere war als das heute üblich ist. Es ist natürlich nicht alles schwarz oder weiß, aber es macht schon einen Unterschied ob man in der 70/80ern aufgewachsen oder 2010 auf die Welt gekommen ist. Es soll hier auch nicht um eine Verherrlichung des Alten gehen oder ein „früher war alles besser“ vertreten werden. Das ist nicht unser Ziel - ohne Folgen bleiben Veränderungen jedoch auch nicht.
Wir Menschen sind auf eine ganz bestimmte Weise „konstruiert“ - wir sind keine Hunde und schon gar keine Fische. Wir haben einen Körper, den nur ein Mensch hat und viel entscheidender - wir haben ein Gehirn, das nur ein Mensch hat - kein anderes Lebewesen hat ein mit uns vergleichbares Gehirn. Es hat der Evolution viel Mühe und Anpassungen abverlangt, uns mit diesem unglaublich komplexen Organ auszustatten. Eine der größten Anpassungen war die Flexibilität, mit der das neugeborene Kind sich auf seine Umgebung einstellen kann - aus diesem Grund ist bei der Geburt wenig vorprogrammiert. Auch die nach der Geburt immer noch stark wachsende Gehirngröße hat dazu geführt, dass ein Menschenkind lange Jahre von seinen Eltern versorgt werden muss, bis es auf eigenen Füßen steht und sich selbst reproduzieren kann. Dies hat zu völlig anderen sozialen Bindungen zwischen Vater und Mutter und der sozialen Gruppe, in der solche schutz- und hilflosen Kleinkinder leben, beigetragen.
Als Ergebnis haben wir ein Gehirn, das wahre Wunder vollbringen kann - jedes anders, aber immer erstaunlich, beeindruckend und kreativ. Diesen Startvorteil hat die Natur uns mitgegeben. Was daraus wird, hängt von der (früh-) kindlichen Entwicklung, dem Umfeld, in dem diese stattfindet, und der Art der Nutzung des Gehirns ab. Eigene aktive Erlebnisse und Handlungen führen zu anderen Ergebnissen als Passivität und Abwarten.
Auch hier hat die Natur noch gewisse Vorgaben gemacht: viele Erfahrungen / Entwicklungen müssen idealerweise in einem gewissen Zeitfenster erfolgen. Wie spielerisch ein Kind mit zwei Sprachen aufwächst, diese passend, in schneller Folge abwechselnd anwenden kann, mühelos erlernt aber nie unsinnig vermischt, ist für jeden beeindruckend zu beobachten, der als Erwachsener einmal auf die Idee kam, eine Fremdsprache zu erlernen.
Fingerfertigkeit, Geschick im Umgang mit seinem eigenen Körper, die Fähigkeit hinzusehen und sich seine eigenen Gedanken über die Welt zu machen, müssen auch in passenden Zeitfenstern erlernt und angewendet werden. Es gibt hierbei eine strenge Regel - was nicht benutzt wird, wird „zurückgefahren“ bzw. verkümmert - ein Auge, das aufgrund einer Hornhautverkrümmung viel schlechter sieht als das andere, wird kaum noch vom Gehirn als Signalquelle angenommen und verkümmert - gleiches gilt für benutze und ungenutzte Muskeln. Die Muskeln kann man immer trainieren bzw. sie passen sich an die aktuelle Nutzung an. Neue oder intensivere Bewegungen führen dabei oft zu Muskelkater, der sich aber verflüchtigt, wenn man bei diesen Bewegungen bleibt - das sichert uns viele Freiheiten und gilt bis ins hohe Alter. Das nicht verwendete Auge lässt sich nach einer gewissen Zeit nicht mehr reaktivieren und auch im Gehirn verlaufen Entwicklungsprozesse, die nicht mehr umkehrbar sind. Die zweite Fremdsprache, die man in der weiterführenden Schule lernt, wird sogar in einem anderen Gehirnareal abgespeichert als die beiden Muttersprachen eines zweisprachig aufgewachsenen Kindes.
Zurück zur unterschiedlichen kindlichen Entwicklung im Verlauf der jüngeren Vergangenheit.
Kinder wachsen schon lange nicht mehr so auf wie ihre Eltern - dafür ändern sich die Zeiten zu schnell. Vor hundert bis zweihundert Jahren war das Leben noch viel gleichförmiger als heute. Über Generationen haben die Kinder das gemacht, was ihre Eltern im gleichen Alter gemacht haben.
Das Wissen wurde von Generation zu Generation weitergegeben und hat sich dabei nur leicht weiterentwickelt und verändert. Diese Veränderungen haben stark zugenommen und die Unterschiede sind mittlerweile schon von einer Generation zur nächsten spürbar. Mit meinem Opa war ich angeln und habe Baumhäuser gebaut. Er hat mir gezeigt wie man Tomaten aussäht, Obstbäume veredelt und Stecklinge schneidet. Wir haben zusammen Feuer gemacht, Wurst und Käse hergestellt und viele Abenteuer erlebt. Für die heutigen Enkel sind Opas schnell Menschen, die ihr Handy nicht richtig bedienen können und der Wissenstransfer verläuft auch von jung zu alt im Bezug auf die Nutzung von Internet und der Handys und Tablets. Das coole Zeug, das mein Opa zu bieten hatte, zieht heute offensichtlich nicht mehr - oder wird vielleicht nicht mehr so angeboten wie damals. In den ersten Kinderjahren funktioniert es oft noch gut und wie gewohnt - mit dem Schulalter nimmt es stark ab.
Wo verläuft die Bruchlinie, gibt es diese überhaupt oder ist alles doch nur das Jammern der Alten über die Jungen?
Ein großer Unterschied und eine völlig neue Entwicklung ab den 80er Jahren ist die Möglichkeit sich selbst zu beschäftigen, abzulenken und sich zu unterhalten ohne auf andere Menschen angewiesen zu sein.
Der jammervoll ausgesprochene Satz: Mir ist langweilig (gerne in den großen Sommerferien), ist mir noch aus meiner Kindheit und Jugend bekannt - von meinen Kindern kenne ich ihn so nicht mehr. Langeweile entstand immer dann, wenn kein Programm zur Verfügung stand - keine Aufgabe, keine Verabredung, kein Plan.
Bei mir war es in den 80ern so: drei Fernsehprogrammen, eine kleinen Schwester und Eltern, die zwar im eigenen Betrieb in greifbarer Nähe waren, aber natürlich meistens arbeiteten und denen nicht in den Sinn gekommen wäre, uns rund um die Uhr zu bespaßen. Damals war es auch immer mal langweilig. Ein unangenehmes, zähes Gefühl, welches man schnell loswerden wollte - nur wie?
Als möglicher Zeitvertreib kamen neben dem besagten mageren TV Angebot, dem Spielen mit Freunden, erste Videospiele (Pong 😂), manuelles Spielzeug, die ländliche Umgebung meines Heimatortes oder die Werkstatt meines Vaters in Betracht. Mit dem Fahrrad konnte man die nähere Umgebung im Umkreis von 5 km selbstständig erkunden. Bei diesen Ausflügen wussten die Eltern nie so genau wo man war - und das war auch gut so - „um 18h wenn die Kirchenglocken läuten bist du zuhause, dann gibt es bald Essen“ - „alles klar“ - Freiheit - super.
Langeweile war also ein eher temporäres Phänomen- ein Problem, dem man Herr werden konnte - eigene Kreativität vorausgesetzt und die kam schon, wenn es zu schlimm wurde.
Es verlief immer gleich: Langeweile kam auf und sie musste vertrieben werden. Dies geschah mit Hilfe eines begrenzten Angebots bzw. begrenzter Möglichkeiten und sehr oft ohne die Hilfe der Eltern - Ist man als zu gelangweilt aufgefallen oder hat sogar gejammert, gab es Aufgaben wie Aufräumen des Zimmers, Übungsaufgaben oder Schlimmeres - na dann lieber raus - am besten mit anderen Kindern - die gab es damals noch häufig und auch im passenden Alter gleich in der Nachbarschaft (auch ein Wandel der Zeit).
Ich möchte niemanden mit meinen Kindheitserinnerungen langweilen. Zusammengefasst kann man festhalten, dass wir im persönlichen Kontakt mit anderen Kindern, meistens draußen und frei gespielt haben.
Ich glaube auch, dass die Natur das irgendwie so vorgesehen hat und so war es auch bis in die letzten Jahrzehnte hinein. Dadurch hat man die Erfahrungen und Beobachtungen machen können, die man in der jeweiligen Entwicklungsstufe gebraucht hat, man hat sich bewegt, ist auf Bäume geklettert und auf schmalen Mauern balanciert - da kam ganz automatisch ein gewisses Geschick im Umgang mit seinem Geist und Körper auf. Die eigene Neugier hat uns angetrieben und wir konnten diesem Drang nachgehen und uns frei ausprobieren.
Wie ist es heute?
Große Teile des Tages eines Kindes sind verplant. Viel kindgerechtes Programm und Möglichkeiten zum Schnuppern und Ausprobieren sind dazugekommen. Was früher der Turnverein und der Bolzplatz war ist heute: Taekwondo, Ballett, Tennis, frühkindliche Spracherziehung, Töpfern…. Vieles davon im Kurssystem oder Verein. Mit Schule und Nachmittagsunterricht bleibt da nicht mehr viel Zeit. Hop Hop der nächste Termin wartet. Als Lückenfüller oder für Momente, in denen man zwischen zwei Terminen ist bzw. die Kinder "mal runter kommen müssen", gibt es das Handy mit Spielen, Videos und Social Media.
Freies, nicht vorkonfiguriertes, kreatives Spiel findet wenig Raum. Sich mit dem zu begnügen, was vorhanden ist und daraus das Beste zu machen, kennt man nicht mehr. Der nächste Reiz, der nächste Kick stehen bereit und müssen nur aus der Verpackung genommen oder angeklickt werden. Insbesondere Social Media liefern diese Reize bzw. Belohnungen ganz automatisch. Wo der Fernseher nichts zurückgegeben hat und daher auch irgendwann langweilig wurde, ist das interagieren auf den verschiedenen Plattformen und insbesondere das "liken" eine permanente Motivationsquelle, immer wieder dort aktiv zu werden und möglichst oft das Handy in die Hand zu nehmen. Wirkt ja sogar bei uns Erwachsenen hervorragend. Das darf aber in den kritischen Entwicklungsphasen nicht zu dominant werden.
Hier setzen wir ein mit unserem Angebot - als Hilfe zur Selbsthilfe. Der Anfang ist natürlich auch wieder betreut und von den Eltern vorgegeben, aber die Eltern sollen sich mehr und mehr zurücknehmen und die Kinder alleine mit den Experimenten lassen. Der Wunsch in Dinge zu hinterfragen, zu begreifen und zu verstehen wird sich verselbstständigen und Teil des individuellen Lebens des Kindes werden. Wenn man das dann zum Teil auch mit den üblichen sozialen Medien wie YouTube und tiktok weiter betreibt, ist das ja völlig in Ordnung - alles besser als das übliche Zeug, mit dem man sich dort berieseln lassen kann… Eigene Interessen finden, weiter zu entwickeln und gut und immer besser darin zu werden, ist eine Erfahrung, die Menschen in jungen Jahren machen müssen. Das Leben entwickelt sich in kleinen Schritten - heute warten viel zu viele Jugendliche auf den großen Sprung, der sie an das Ziel ihrer Wünsche bringt - große Sprünge sind äußerst selten und demotivieren in aller Regel.
