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Drei Sprünge

Marine Le Pen family values / DeGaulle am Strand/Doku zum Fall Cantat/ Etchebest

 5 Kilometer sind es von der Maison du Surf, wo ich mein Fahrrad abstelle, zu den Resten des Bunkers. Er ist nicht zu verfehlen, immer geradeaus, den Strand entlang nach Norden. In der Nähe des Orts ist auch außerhalb der Saison noch ein wenig Strandbetrieb: Rettungskräfte üben für die Einsätze im Sommer, Metallsucher lassen ihre Detektoren schweben und Surfschulen halten dort ihren Unterricht ab, führen die Novizen in die Kunst des Wellenreitens ein.  Das alles lässt man bald hinter sich, bis man nach einer halben Stunde an einem Wrack aus Stahl ankommt. Die Reste eines Flüchtlingsschiffs, mit dem Menschen aus Spanien vor Franco nach Norden geflohen sind. Anlegen kann man hier nirgends, etwas muss schiefgelaufen sein, aber niemand kam zu Schaden.

Der Bunker wurde einige Jahre später errichtet, Teil des berüchtigten Atlantikwalls. Hier war ein Regiment mit Männern aus Indien stationiert. Sie hatten sich in Nordafrika dem Feldmarschall Rommel angeschlossen, um gegen die Engländer zu kämpfen. Viel zu tun bekamen sie nicht, denn bekanntlich fand die Invasion woanders statt.

Die Männer zogen wieder heim, ihr kleiner Bunker versinkt seitdem langsam im hellen Sand. Das Geschütz ist noch drin geblieben. Durch die Bewegungen der Düne und vergebliche Sprengversuche zeigt es jetzt aber direkt nach Norden, wo erst recht nichts zu beschießen ist.  Die Betonteile sind bemalt, dienen als Picknick-Möglichkeit und werden zum Klettern genutzt. Sie werden bestaunt wie die Pyramiden.

Die Menschen, die sie erbaut und genutzt haben, sahen die Welt anders als wir: Kampf der starken gegen die schwachen Rassen, deutsch-französische Erbfeindschaft, Hass auf die Juden und die Kommunisten, und so weiter. Aber wie das mit der Geschichte so ist: Nur zwei, drei Hüpfer braucht der flache Kiesel über den Strom der Zeit und wir sind wieder da.

In der Bunkerzeit wurde Frankreich außer dem deutschen Statthalter in Paris noch von Philippe Pétain in Vichy regiert. Der Alte, ein Held des Ersten Weltkriegs, machte jede Schweinerei der Nazis mit. Ein Politiker hat behauptet, Pétain habe die französischen Juden beschützt und wurde wegen diesem Unsinn zu einer Strafe von 10.000 Euro verurteilt – das war erst letzte Woche.

Pétain musste nach dem Krieg vor Gericht, stellte sich im Sommer 1945 allen Verhandlungstagen. Einer seiner Verteidiger war Jacques Isorni, damals Mitte 30. Später verteidigte Isorni auch die Attentäter gegen Charles de Gaulle und versuchte, die Unabhängigkeit Algeriens zu verhindern.  Isorni kandidierte auch selbst als Politiker, wurde Anfang der fünfziger Jahre Abgeordneter. Sein Wahlkampfmanager damals war ein junger Mann mit stramm rechtsradikaler Gesinnung und großen Ambitionen, ein gewisser Jean Marie Le Pen.

Seine Tochter dominierte in dieser Woche aus bekannten Gründen die Nachrichten. Dazu wurden viele alte Aufnahmen von ihr gezeigt, denn ihre Familie turnt ja seit Jahrzehnten vor den Fernsehkameras herum. In vielen Szenen redet Marine in Form einer Dopplung: “Als Politikerin und als Tochter“ bedankt sie sich für das Vertrauen, nach ihrer Wahl zur Vorsitzenden der vom Vater gegründeten Partei. Und als ihre Nichte Marion gewählt wird, gratuliert sie ihr “als Tante und als Parteivorsitzende.”

Manchmal kommt sie mir vor wie eine Vegetarierin, die die Pferdemetzgerei der Familie übernommen hat. Es ist nicer dekoriert, aber das Angebot ist gleich geblieben: Rassismus, im Wesentlichen. Antisemitismus gibt es im RN nun weniger, der Alte war noch durchdrungen davon. Marine musste den Vater ausschließen, als Vorsitzende. Das hat sie sich als Tochter nie verziehen.

Ihre Taktik im Europäischen Parlament ist wohlbekannt, zumal in Deutschland. Es ist die alte Idee von Joseph Goebbels, den Parlamentarismus unter Ausnutzung seiner Mittel zu bekämpfen. Damit kam sie nicht durch. Es war Martin Schulz, der vor zehn Jahren Anzeige erstattet hat. Gut gemacht.

Ich glaube, Marine Le Pens politische Karriere ist beendet. Das Berufungsgericht wird, wenn die Fristen überhaupt zu schaffen sind, das Urteil aufrechterhalten. Ihr Kollege Jordan Bardella und die Nichte Marion werden sich um das Erbe streiten. Andere Rechtsausleger werden kandidieren und eine Koalition der konservativen und rechtsradikalen Parteien befördern. Der Innenminister Bruno Retailleau ist sehr beliebt, stramm rechts, aber gesetzestreu und bereitet genau das vor. Bardella könnte dann Premierminister werden. Toll wäre das nicht, aber immer noch besser als die Partei der Familie Le Pen. Wie das mit denen endet, erzählen uns die Bunker.

Es ist das politische Comeback des Jahres. Lange war es still geworden um Charles de Gaulle und seine Ideen. Die Globalisierung, das nette Amerika der Herren Obama und Biden, die Europäische Union, die allseitige Verflechtung und Abrüstung - das gaullistische Ziel einer kerneuropäischen Souveränität unter französischer Führung schien ein Fall für die Tiefen des Archivs. Was von seiner Partei noch übrig ist, fiel eher durch Skandale und Prozesse auf, als durch besondere Politik. Der Mann, der darauf bestand seine Stromzählung im Élyséepalast privat zu begleichen, dürfte über die Herren Fillon und Sarkozy nur staunen. Niemand hat in den letzten Jahren die Möglichkeit einer doppelten und zeitgleichen Feindseligkeit gegen Europa durch Washington und Moskau erwogen, er damals aber schon.

Zu seiner neuen Aktualität passt gut etwas Humor - hatte er manchmal auch - und diese Kombi bietet nun eine amüsante kleine Serie auf Arte.

https://www.arte.tv/de/videos/RC-020264/de-gaulle-am-strand/ (Abre numa nova janela)

 Die Aufklärung bezüglich sexistischer Gewalt prägt das gesellschaftliche Leben in Frankreich. Fälle wie jene von Gisèle Pelicot, der Prozess gegen Gérard Depardieu und jene Morde, die als Femizide diskutiert werden, beschäftigen das Land und führen zu neuen Werken der Kultur. Ein besonders brisanter Fall war der Mord an der Schauspielerin Marie Trintignant durch ihren damaligen Freund, den Sänger Bernard Cantat.

Weil Cantat ein großer Künstler ist, sympathisch und engagiert, wollten viele nicht so genau hinsehen. Gewalt gegen Frauen, sowas machen doch nur fiese Typen – bei ihm war man rasch bereit, zwei Augen zuzudrücken. Dabei nutzte ihm die üble Legende, dass wahre Leidenschaft verbunden mit rasender Eifersucht eben auch mal durch Haue ausgedrückt werden darf. Eine neue Dokumentation, inspiriert durch das Buch der Journalistin Anne-Sophie Jahn, nimmt sich nun nochmal des Falles an. Und man erkennt: der längst erledigte Fall ist das noch längst nicht: Viele Zeugen schweigen nach wie vor und es gibt möglicherweise noch mehr Opfer.

https://www.netflix.com/fr/title/81517758 (Abre numa nova janela)

 Es war keine große Überraschung, dass Philippe Etchebest am Montag mit einem zweiten Michelin-Stern ausgezeichnet wurde. Der Mann ist rund um die Uhr im französischen Fernsehen, bespielt gleich mehrere auch in Deutschland bekannte Formate wie Top Chef und den Restauranttester und entwickelt sich zum Gesicht der französischen Gastronomie überhaupt. Die Vergabe der Michelin-Sterne ist ohnehin undurchsichtig und folgt, wie Schulnoten, keinen klaren Formeln, sondern, wenn man es freundlich formuliert, pädagogischen Erwägungen. Sein Stil ist nicht dekonstruierend und minimalistisch, eher regional und handfest und in diesen Zeiten nicht verkehrt. Es gibt sicher klügere, inspirierende, sogar geniale Köchinnen und Köche – aber der pure Fleiß, die Sturheit eines Etchebest führt eben auch zum Ziel.

Als kleiner Gruß daher sein Standardrezept zum Sonntag:

https://philippe-etchebest.com/le-poulet-roti/ (Abre numa nova janela)

 Ohne Fleisch kann er natürlich auch:

https://philippe-etchebest.com/les-legumes-braises/ (Abre numa nova janela)

 

Kopf hoch,

ihr

Nils Minkmar 

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