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Der andere Name

Geschichten vom Krieg/ Zuviel Zeug/Keine Angst vor Pasta

Die Zeiten wenden sich, aber wohin wenden wir uns?  Oft zu besonderen Geschichten in der eigenen Familie. 

Mein Blick fällt dann auf den ledernen Fliegerhelm meines französischen Großvaters – Pilot im Zweiten Weltkrieg. Es handelt sich um ein Ding, mit dem man heute kein Kind zum Skaten rausschicken würde, so weich wirkt es, eher wie eine lederne Mütze. Der Witz an dem Helm ist ein in das Leder geritzter Nachname. Es ist nicht der meines  Großvaters, sondern der eines Kameraden: Sie hatten vor dem Abflug ihre Helme vertauscht. Im Laufe des Tages wurde der andere abgeschossen, seine Leiche geborgen und anhand des Helms identifiziert. Als mein Großvater wohlbehalten vom Einsatz zurückkehrte, fand er seine Freunde, denen der falsche Tote gemeldet worden war, in frischer Trauer vor.

Seine Lektion war: Krieg ist absurd. Man darf es nicht so weit kommen lassen. Er war aber kein Pazifist, sondern  wütete bis zu seinem Tod über die Unfähigkeit der französischen Eliten, die der deutschen Aufrüstung so lange zugeschaut hatten. Er verdächtigte sie rechtsradikaler Sympathien: Statt der linken Volksfrontregierung, so sein Verdacht,  wollten sie lieber Hitler. Hätte man Hitler früher gestoppt - bei der Remilitarisierung des Rheinlands- wäre der Krieg gar nicht erst nötig geworden. 

Die französische Armee war 1940 mit der Ausrüstung des vorigen Kriegs unterwegs  - die Infanterie mit Wadenbändern statt Stiefeln. Schließlich hatte man den "großen Krieg" ja gewonnen, wozu also etwas verändern?  In Frankreich feierte man 1918 als Zeitenwende – nie wieder Krieg! Unter dem Arc de Triomphe in Paris wurde 1921 das Grabmal des unbekannten Soldaten eingerichtet. Nie wieder sollten hier siegreiche Armeen Paraden mit Durchmarsch abhalten können. Leider zogen reaktionäre Kreise  im deutschen Reich aus derselben Zeitenwende die umgekehrte Folgerung: Rache. 

Weil mein Großvater mir diverse Geschichten vom Krieg aufgetischt hat, die sich allesamt als frei erfunden herausstellten – unter anderem eine Haftstrafe, weil er mit der Dienstwaffe einen  Hasen geschossen, gebraten und zum Frühstück verzehrt hat –  habe ich bezüglich des Helms einmal nachgesehen - die Akten sind online zugänglich. 

Charles François Berges aus Toulouse fiel am 21. Juni 1940 in Lothringen, er wurde 28 Jahre alt. Es ist das Datum des Waffenstillstands. Der sah vor, dass die verbliebenen französischen Flugzeuge der Luftwaffe übergeben werden. Die Piloten versuchten also, nach Nordafrika zu entkommen. Einer schaffte es unter diesem  Helm  bis Tunesien –  sonst könnten Sie dies nicht lesen: Erst vier Jahre später wurde dieser Pilot der Vater meiner Mutter. 

Wer noch ein wirklich gutes Interview zu unserer Lage lesen möchte, dem sei das Gespräch von David Remnick mit dem Historiker Stephen Kotkin empfohlen: 

https://www.newyorker.com/news/q-and-a/stephen-kotkin-putin-russia-ukraine-stalin (Abre numa nova janela)

Also ein Weltkriegshelm fliegt in meinem Arbeitszimmer herum, ein nepalesisches Kukri-Messer, ein Fernrohr aus Messing und jede Menge anderes Zeug. Unser Sohn ist da  ganz ähnlich - falls das Bernsteinzimmer oder Elvis Presley noch irgendwo aufzutreiben sein könnten, dann vermutlich im Zimmer von Minkmar junior. Im Frühjahr werden wir wieder Aktionen starten, um all der Dinge Herr zu werden und bleiben doch Sklaven des Zeugs. 

Dass das auch eine politische Dimension hat oder haben kann, war mir nur vage bewusst. Ein Text des  amerikanischen Ökonomen Robert Reich entwickelt einen verblüffenden Gedanken: Kann man sich eine Ökonomie  vorstellen, in der sich nicht alle immerzu etwas Neues kaufen müssen ? In der die Dinge anders von Hand zu Hand wandern als durch An- und Verkauf, durch Anschaffen und Wegwerfen? 

Robert Reich zu verfolgen lohnt sich übrigens immer. Er ist ein seltenes Exemplar: Ein linker Intellektueller mit unverbrüchlich guter Laune. 

https://robertreich.substack.com/p/how-to-overcome-the-tyranny-of-stuff?s=r (Abre numa nova janela)

Liest man die täglich neuen Erkenntnisse bezüglich gesunden Essens kann man nur verzweifeln. Galt früher der Konsum von Heroin als wahnsinnig grenzwertig, ist es heute das im Sitzen genossene Salamibrot. Der Schulhausmeister, der uns Schülern weiße Brötchen wahlweise mit Leberkäse oder Schokoküssen belegt verkaufte, wäre heute in Guantanamo.

Die Zeiten sind kompliziert, aber "Le Monde" weiß, was gut ist: 

https://www.lemonde.fr/les-recettes-du-monde/article/2022/03/11/les-pates-une-valeur-sure-en-six-recettes-inedites_6117000_5324493.html (Abre numa nova janela)

Kopf hoch, 

ihr

Nils Minkmar

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