Wisst Ihr noch ... Fitnessstudios?
Muckibude, Testosterontempel, Indoorspielplatz für Erwachsene und Fußpilztauschbörse - ach, ich vermisse Fitnessstudios.
Schon die alten Griechen trafen sich im „Gymnasion“, einer Fitnessstudio-ähnlichen Anlage, wo sie Steine warfen, Weinfässer stemmten und bei Blitzschlag an nassen Fröschen leckten um mit dem Stromimpuls ihre Muskeln zu stimulieren.
Was haben wir im Studio nicht für tolle Momente erlebt. Der Zauber der Erstanmeldung, wo ein muskulöser Trainer dich von oben bis unten skeptisch mustert und dann fragt, ob dir der Begriff „Bewegung“ prinzipiell was sagt.
Das erste Mal, wenn du die Umkleide betrittst und dich schon vor der ersten Trainingseinheit fühlst wie eines dieser göttergleichen Chris Hemsworth-Double, die an keinem Spiegel vorbeikommen ohne den Bizeps, den Trizeps und die tiefliegende Nasenmuskulatur zu flexen.
Das erste Mal in einem BodyPump-Kurs, wenn du mit einer Langhantel auf der Schultern stehst, der DJ Bobo-Musik lauschst und in diesem Moment tief in deinem Inneren weißt: Ja, we can make it a better place, if we pray for freedom!
Oder wenn du zum ersten Mal aus Versehen in einen Pilates-Kurs gerätst, dich die ganze Stunde gönnerhaft über diese „Frauengymnastik“ lustig machst und dich danach drei Wochen vor lauter Muskelkater nur auf einem Rollbrett zwischen Couch und Kühlschrank hin- und herschieben kannst.
Und dann erst die neuen Trainingsmethoden! Workout im Vakuum-Anzug! Da werden die Kalorien nicht verbrannt, die werden quasi Sous Vide gegart!
Fast ein Dreivierteljahr haben wir jetzt alle coronabedingt in Fläz-Klamotten auf der Couch verbracht. Aber so wie der Braunbär in die Wälder Brandenburgs zurückgeführt wird, so ist es Zeit, die Jogginghose in ihr natürliches Habitat zurückzuführen. Der Geruch ist ja ähnlich.
Klar, man könnte auch einfach joggen oder Outdoorfitness betreiben, aber es ist kalt! Und dunkel! Wir haben uns doch nicht für teuer Geld im Sport Scheck mit grellbunten Microfaser-Klamotten eingedeckt, um jetzt mit Omas kastanienbrauner Strickwäsche im stockdunklen Park an der Klimmzugstange festzufrieren!
Und ich habe auch keinen Bock mehr auf Fitness-Übungen zuhause. Ich will mir nicht mehr zu Youtube-Videos auf dem heimischen Teppich in der Planke die Ellbogen wundscheuern, während sich die Nachbarin von obendrüber mit ihren Zumba-Pirouetten langsam durch die Betondecke schraubt.
Ich gebe ja zu: Vor Corona war ich eher ein … Fördermitglied im Fitness-Studio. Ich habe regelmäßig meinen Beitrag bezahlt, aber selten aktiv ins Geschehen eingegriffen.
Wenn überhaupt habe ich das klassische Ü-40-Training absolviert: 5 Minuten aufwärmen, 5 Minuten Geräte, 50 Minuten Sauna.
Aber jetzt wo ich nicht mehr kann - mein Gott, würde ich da gerne ins Studio gehen! Das ist ja das eigentliche Drama der Menschheit: Wir wollen nie das, was wir können, wir wollen immer das, was wir mal konnten.
Ich will mit dem Aufzug ins Studio fahren, um dann eine halbe Stunde auf dem Stepper so zu tun, als würde ich Treppen steigen.
Ich will grobgeflochtene Seile sinnlos auf Matten schlagen und mir dabei einen verstörenden Rorschachtest ins T-Shirt schwitzen.
Ich will mal wieder Proteinshakes in meiner Sporttasche vergessen, die dann innerhalb weniger Tage einen Duft entwickeln, den man sonst nur von fermentierten schwedischen Fischkonserven kennt.
Ich will mich mit der Sybille und der Heidrun im Hatha-Yoga-Kurs achtsam in den Hüftöffner schieben und dann die Eidechse machen bis das Kniegelenk knackt.
Ja, ich freue mich sogar darauf, auf dem Crosstrainer zu stehen und mit dem Gesichtsausdrucks eines desillusionierten Kirmesponys auf einen Bildschirm zur starren, auf dem die Big Bang Theory, das ZDF Mittagsmagazin oder die NTV-Doku: „Hitlers leckerste Spargelrezepte“ läuft, während der Mann auf dem Laufband vor mir mit schwungvollen Armbewegungen seinen Achselschweiß in mein Gesicht schlenzt.
Dann werde ich selig lächelnd eine Sprühflasche nehmen, mich selbst und das Gerät großflächig einnebeln und mir dabei denken: „Wir Fitness-Studio-Besucher - wir haben schon desinfiziert, bevor das cool war!“
Ich freu mich drauf.