Die neue Macht der Creators
Plattformen und Medienkonzerne verzehren sich nach Inhalten. Sie umwerben die „Creators“ dieser Inhalte mit neuen Tools und Bonusprogrammen. Gewinnen freie Autor:innen und Kreative dadurch nie gekannte Macht, Geld und Reichweite?
Von Steady-Gründer Gabriel Yoran. Dieser Text ist zuerst im P!NG (Abre numa nova janela)-Newsletter (Abre numa nova janela) erschienen.
Eine Milliarde Dollar – so viel will Facebook bis Ende 2022 in Creators investieren. Nach Konkurrenten wie TikTok (mit einem Invest von bis zu zwei Milliarden weltweit) sind Facebook und Instagram nun die neuesten Plattformen, die Creators umschmeicheln.
Sie alle locken mit höheren Umsatzbeteiligungen, Vorschüssen, neuen Tools – und tun damit genau das, was Buchverlage und Plattenfirmen seit Jahr und Tag tun: Sie kämpfen um Talente, ihre Währungen sind Cash und Reichweite.
Warum soll die sogenannte „Creator Economy“ nun anders sein? Sind die Creators wirklich in der historisch einmaligen privilegierten Situation, die der Begriff suggeriert?
Das neue Nonplusultra der Karriere
Ich erlebe diesen Trend bei Steady selbst mit: Mehr als 140.000 Menschen zahlen über Steady jeden Monat fast 800.000 Euro an unabhängige Medienprojekte wie das politische Magazin Krautreporter (Abre numa nova janela), den Gesprächspodcast Wochendämmerung (Abre numa nova janela) oder das Medienkritikportal Übermedien (Abre numa nova janela).
Zu den mehr als 1.400 Projekten, die via Steady Geld verdienen, gehören aber nicht nur solche bekannten journalistischen Marken, sondern auch kleine Projekte, einzelne freie Autor:innen, Instagram-Creators und mehr.
Gabriel Yoran ist Steady-Gründer und will unabhängigen Medienmacher:innen ermöglichen, sich durch ihre Community zu finanzieren.
Diese teilweise kleinen, aber professionellen und ambitionierten Medien werden produziert von einer ganzen Generation neuer Medienmacher:innen. Im Branchenjargon heißen sie „Creator“, bei Steady nennen wir sie „Publisher“.
Egal ob Creator oder Publisher – für diese neuen Medienmacher:innen ist die Festanstellung in einer Tageszeitung nicht mehr das Nonplusultra der Karriere. Sie sind Journalist:innen, Podcaster:innen, Künstler:innen, die ihr eigenes Ding machen wollen – und die nebenbei die Demokratisierung der Medienproduktion voranbringen.
Inzwischen kann jede:r Publisher sein. Und Plattformen wie Steady ermöglichen es, aus dem Publishen ein Geschäft zu machen.
Von einer Handvoll bis zu über 100.000 Euro im Monat
Die Finanzierung via Steady funktioniert von Projekt zu Projekt unterschiedlich. Oft ist es aber ein Hybrid aus dem Membership-Modell des öffentlichen US-Rundfunks und klassischem paid content, also Bezahlschranken.
Als wir es 2016 – damals noch unter dem Label Crowdfunding – einführten, glaubte kaum jemand an den Erfolg. Seit 2018 verdoppelt sich der Umsatz unabhängiger Medien (das heißt, Medien ohne großen Verlag im Rücken) auf Steady jedes Jahr. Die Publisher setzen von einer Handvoll bis über 100.000 Euro im Monat um. Die Spanne ist also riesig – was verbindet sie?
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Alle teilen das gleiche Ziel: Sie wünschen sich regelmäßig zahlendes Publikum. Der Wert, den ein Unternehmen in der Creator Economy für diese Leute schaffen kann, bemisst sich deshalb im Wesentlichen an zwei Faktoren:
Wie viel Reichweite verschafft das Unternehmen den Creators?
Wie viel Kontrolle haben die Creators über ihr Schicksal? (Wie verlässlich können sie Aufmerksamkeit in Einnahmen verwandeln? Wie viel Kontrolle haben sie über Kund:innendaten?)
Reichweite unter Vorbehalt
Die meisten Creators gewinnen Publikum zunächst durch Soziale Netzwerke wie Facebook und Twitter, Medienplattformen wie YouTube und TikTok, oder klassisch durch große globale Medienmarken wie die New York Times.
Diese Plattformen haben einen Vorteil: Die Nutzer:innen sind schon da. Durch die schiere Menge der Akteure auf beiden Seiten dieser Marktplätze haben Algorithmen ausreichend Betrachtende und zu Betrachtendes, um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass selbst noch der abseitigste Inhalt dankbare Rezipient:innen findet.
Doch diese Plattformen haben kein Interesse daran, die Medienschaffenden zu ermächtigen. Es gilt die Faustregel:
Je mehr Marktmacht (also Verfügung über Reichweite) eine Plattform hat, desto weniger Kontrolle werden Publisher über die Bedingungen haben, zu denen ihre Inhalte verkauft werden.
Wenn Facebook oder TikTok nun Publishern ermöglichen, Geld zu verdienen, dann tun sie das teils aus Imagegründen. Vor allem aber möchten sie die Publisher nicht an Konkurrenz-Plattformen verlieren, die sie besser behandeln.
Nur ein paar Krümel für Nischenprodukte
Das Geschäftsmodell fast aller Social Networks und der meisten Medienplattformen ist so konstruiert, dass sie die Aufmerksamkeit ihrer Publika an Werbekunden verkaufen – und im besten Fall bekommen die Creators ein paar Krümel ab.
Werbeclips vor YouTube-Videos bringen nur den größten, populärsten Videoproduzent:innen relevante Summen ein. Für Nischenprodukte ist das keine Option.
Die Creator Economy wird sich deshalb auf zwei Flughöhen ausdifferenzieren: Oben, in der Creator-Stratosphäre, sind die erfolgreichsten Creators unterwegs. Ihre Marken sind stärker als die der Plattformen, deshalb brauchen die Plattformen sie.
Diese Superstars sind teils so starke Marken, dass sie ihre Fans überall hin mitnehmen können. Ihnen müssen die Player der Creator Economy einen extrem hohen Mehrwert bieten – oder schlicht mehr Geld. Diese Superstars fungieren aber als Leuchttürme für die jeweilige Plattform – und für die Möglichkeiten der Creator Economy als solcher.
Denn ein Kernelement ihres Erfolgsmodells lässt sich auch von kleineren Publishern anwenden: Sie holen sich die Reichweite bei einer etablierten Plattform und ihre Umsätze (zusätzlich) anderswo, bei den „New Kids“ wie Steady.
Ein kleines Rechenbeispiel
Nehmen wir an, du schreibst einen kurzen Gastbeitrag für eine etablierte Medienmarke, vielleicht die Website einer namhaften Tageszeitung. Dafür wirst du um die 300 Euro bekommen – oder du schlägst einen Deal vor: Den Beitrag gibt es kostenlos, dafür wird dein Newsletter im Artikel vorgestellt und verlinkt.
Du wählst also Reichweite statt Cash für die etablierte Plattform. Wenn du damit zehn Leser:innen für deinen Newsletter gewinnst, die dir je fünf Euro im Monat zahlen, hast du nach etwas mehr als sechs Monaten das Artikelhonorar reingeholt und verdienst langfristig deutlich mehr.
Denn unsere Erfahrung mit Steady zeigt: Die Mitglieder sind treu; einmal gewonnen, ist der Großteil nach drei Jahren noch immer dabei.
Auf die kleinen Creators kommt es an
Wer wirklich eine Demokratisierung der Medienproduktion und -Distribution anstrebt, muss den long tail der Creators im Blick haben, also die vielen kleinen Projekte, von denen es weit mehr gibt als von den großen.
Diese haben keinen Anreiz, die Plattformen zu wechseln – die Umsätze sind klein, die Motivation, wegen ein paar Euro mehr auf eine andere Plattform umzuziehen, ist gering. Und kleine Creators haben oft nur ein Produkt, das sie anbieten.
Während die Stars gebraucht werden, um Aufmerksamkeit auf die Plattform – und die Möglichkeiten der Creator Economy als Ganzes – zu lenken, wird sich an der Behandlung der vielen kleinen Creators zeigen, welchen Plattformen es wirklich daran gelegen ist, die Medienlandschaft diverser zu machen – und wer sich nur mit großen Namen schmücken will.
Du willst dein eigenes Projekt auf Steady starten?
Auf Steady kannst du kostenlos publizieren – egal ob Blog, Podcast oder Newsletter. Oder du bietest für ein bestehendes Projekt Mitgliedschaften an. Und denk dran: Jede:r kann Publisher sein.