Trumps nicht ganz perfekter Durchmarsch

Donald Trumps Partei gewann bei den Wahlen am 6. November alle Zentralen der Macht und trotzdem könnte Trump Probleme bekommen, seine Agenda durchzusetzen
Donald Trump wurde am 6. November zum neuen US-Präsidenten gewählt und konnte sich überraschend deutlich gegen seine Kontrahentin von den Democrats, Kamala Harris, durchsetzen. Aber nicht nur das, seine Partei (die Republican Party) gewann auch die zeitgleich stattfindenden Wahlen zum amerikanischen Kongress, womit seine Partei nun alle 4 Teile der Regierung, Präsidentschaft, Parlamentsoberhaus, Parlamentsunterhaus und Oberster Gerichtshof kontrolliert.
Hier werdet ihr herausfinden, was das nun bedeutet und warum Trumps Sieg doch nicht so vollständig sein mag wie er zunächst erscheint.
Fangen wir also mit den 4 Organen an, die Trump nun kontrolliert.
Der Oberste Gerichtshof
Der Oberste Gerichtshof, auf Englisch “Supreme Court”, ist das höchste Verfassungsgericht der Vereinigten Staaten von Amerika. Die Mitglieder des Gerichtshofs standen 2024 nicht zur Wahl, sondern setzen sich aus politischen Ernennungen zusammen, die auf Vorschlag des Präsidenten vom Senat bestätigt werden müssen. Sie gelten auf Lebenszeit und werden daher immer nur unregelmäßig frei, nämlich dann, wenn Richter:innen an Altersschwäche oder an Krankheiten sterben oder freiwillig ihr Amt aufgeben. In einem solchen Fall werden die freigewordenen Sitze dann vom amtierenden Präsidenten und Senat neubesetzt, sodass es in einem solchen Fall immer sehr wichtig ist, wer gerade Senat und Präsidentschaft kontrolliert. Die lebenslange Amtszeit der Mitglieder des Gerichts führt dazu, dass Richtende des Obersten Gerichtshofs zu den am gesündesten lebensten Menschen der Welt zählen, da eine kleine Grippe zu einer massiven Veränderung der Machtverhältnisse und zu einer ernsten Staatskrise führen kann.
Im Gerichtshof haben die Republicans bereits seit Jahren eine komfortable 6-3-Mehrheit und könnten diese in den nächsten Jahren wahrscheinlich weiter ausbauen.
Der Senat
Das Oberhaus des amerikanischen Parlaments, der Kongress, wird Senat genannt, er besteht aus je 2 gewählten Mitgliedern jedes der 50 US-Staaten. Alle 2 Jahre wird ein Drittel der 100 Sitze des Senats neugewählt, sodass jeder Senatssitz eine Amtszeit von 6 Jahre besitzt. Auch dieses Jahr war dies der Fall, 34 Sitze standen zur Abstimmung. Dabei hat die republikanische Partei nun (Stand Mittwoch, dem 20. November) eine Mehrheit von 52 der 100 Sitzen gewinnen können, nachdem bis dahin die Democrats noch eine knappe Mehrheit hatten. Nur einer der Sitze ist noch nicht ausgezählt, geht aber vermutlich an die Republicans. Der Senat ist damit ebenfalls fest in republikanischer Hand und könnte frühestens bei den Midterm Elections (Zwischenwahlen) 2026 wieder eine demokratische Mehrheit bekommen, wo dann jedoch nur ein Drittel der 100 Sitze zur Wahl stehen.
Das Repräsentantenhaus
Das Unterhaus des Kongresses, das House of Representatives, steht alle 2 Jahre zur Wahl, dort hatten die Republicans bisher eine knappe Mehrheit. Alle 435 Mitglieder des Repräsentantenhauses werden alle 2 Jahre aufs Neue gewählt und repräsentieren ihren jeweiligen Wahlkreis. Diesen gewinnen sie, indem sie die meisten Stimmen dort auf sich verbuchen können. Diese Wahlkreise müssen immer wieder neu gezogen werden und werden dabei oft unfair zugeschnitten, um einer bestimmten Partei einen besonders großen Vorteil zu erlauben. Dieses sogenannte “Gerrymandering” führt dazu, dass manche der Kreise so zugeschnitten sind, dass sie sog. “safe seats” sind, in der eine Partei nahezu immer gewinnt.
Auch dieses Jahr wurden alle Mitglieder des Unterhauses gewählt. Das Repräsentantenhaus konnte bei diesen Wahlen von den Republicans verteidigt werden, deren Mehrheit wird aber genau wie bisher sehr dünn sein. Die Partei hat (Stand 18.11.) derzeit 218 der 435 Sitze sicher gewonnen, also einen mehr als nötig. Die Democrats haben 212 gewonnen, 5 stehen noch nicht fest, mindestens 2 Sitze werden aber vermutlich an die Republicans gehen, sodass die republikanische Mehrheit hier aber zumindest feststehen dürfte.
Die US-Präsidentschaft
Der US-Präsident wird alle 4 Jahre an einem Dienstag Anfang November auf 4 Jahre gewählt. Die Wahl ist keine Direktwahl, die Präsidentin wird von Wahlleuten gewählt, die von den allermeisten der 50 US-Bundesstaaten nach dem Mehrheitsprinzip gewählt werden. Das bedeutet, dass die allermeisten Staaten geschlossen für die siegreiche Kandidatin stimmen und alle Wahlstimmen der unterlegenen Seite dann entfallen. Das führt dazu, dass die Wahl von wenigen Staaten entschieden werden und dort besonders viel Wahlkampf gemacht wird. Diese wichtigen Staaten nennt man “swing states”, von denen es derzeit 7 Bundesstaaten gibt.
Der Präsident ist der Kopf der Regierung und ernennt das Kabinett, ist aber strikt vom Parlament getrennt. Das ist in Deutschland beispielsweise anders, da dort die Mitglieder der Regierung auch im Parlament sitzen müssen. Es gibt eine amerikanische Tradition, dass US-Präsidentinnen nur 2 Amtszeiten hintereinander im Amt bleiben, dies ist jedoch kein Gesetz.
Wie die meisten sicher wissen, hat Trump die Wahl klar gewonnen und alle swing states auf sich verbuchen können.
Wo ist für Trump also das Problem?
Was hier erst einmal wie ein absoluter Durchmarsch klingt und die Republicans im Sinne von Trump alle Teile der Regierung besetzt halten, wird Trump trotz dieser Mehrheit Probleme haben, seine Agenda umzusetzen.
Dafür gibt es drei große Gründe:
Einer hat mit Trumps eigenem Verhalten zu tun, ein anderer mit den Besonderheiten des House of Representatives, des Unterhauses des Kongresses, ein letzter mit Uneinigkeit innerhalb der Republican Party.
Grund 1: Der Präsident kämpft nur für sich
Trump gefährdet mit seinen Ernennungen die eigene Mehrheit
In den USA ist es nicht möglich, gleichzeitig im Kongress zu sitzen und ein Regierungsamt innezuhaben. Das liegt daran, dass die USA ein Präsidialsystem besitzt, in der Exekutive (in Form der Regierung mit dem Präsidenten an der Spitze) und Legislative (die beiden Kongresskammern) strikt getrennt sind.
Das heißt, dass Mitglieder des Kongresses nicht gleichzeitig Minister:innen der Regierung sein dürfen und diese bei Berufung in ein Ministerium ihren Kongresssitz abgeben müssen. In einem solchen Fall gibt es eine sogenannte “special election”, eine außerordentliche Wahl, in der die Kongresssitze jeweils nachbesetzt werden müssen. In einem solchen Fall werden also nicht Nachfolger ernannt (wie es in Deutschland eher üblich wäre, wenn eine Person auf einer Landesliste ein Mandat nicht wahrnimmt, da rückt die nächste Person einfach nach), sondern die frei gewordenen Sitze müssen erneut gewählt werden. Das bedeutet, dass die Democrats die frei gewordenen Sitze doch noch gewinnen können und somit die Trump-Mehrheit wieder auflösen können.
Wie zu erwarten, macht Trump eben, was er macht und lässt sich in seine Entscheidungen wenig hineinreden. Er ernannte deswegen eine ganze Reihe an Minister:innen, die derzeit noch Kongresssitze innehaben und nagt damit an seiner eigenen Mehrheit.
Wessen Sitze erneut zur Wahl stehen könnten
Trumps Vorschläge für Ministerämter sind noch nicht bestätigt worden, sie sind jedoch wahrscheinlich, da Trump große Macht innerhalb der Republicans hat.
Marco Rubios Sitz im Senat für Florida wird nun frei und könnte in der “special election” durchaus an die Democrats gehen. Das Amt als Außenminister könnte seiner Partei damit schaden.
Elise Stefanik, Trumps vorgeschlagene UN-Botschafterin, verlöre ihren Sitz im Repräsentantenhaus, dieser ist ebenfalls kein “safe seat” für die Republicans, mit so einer republikanischen Mehrheit, dass die “special election” mit Sicherheit im Sinne der Republicans ausgehen würde.
Matt Gaetz verlöre im Falle seiner Ernennung ebenfalls seinen Sitz im Repräsentantenhaus, sein Sitz ist jedoch ein “safe seat”.
Und auch Michael Waltz als vorgeschlagener nationaler Sicherheitsberater müsste seinen Sitz aufgeben. Sein Wahlkreis ist jedoch ebenfalls relativ sicher.
Somit könnten die Demokraten möglicherweise einen Senatssitz und einen bis zwei Unterhaussitze zurückgewinnen und die Mehrheit im Unterhaus daher noch dünner machen. Dies ist aber allem Anschein nach zumindest nicht so ein großes Problem, dass die Mehrheit droht, verloren zu gehen.
Viel gefährlicher für Trumps Agenda ist das … sagen wir mal, “spezielle” Verhalten seiner eigenen Partei im Repräsentantenhaus, dem Unterhaus des Kongresses. Damit kommen wir zum zweiten Punkt der Liste.
Grund 2: Eine Minderheit, sie zu knechten
Die Republicans im Repräsentantenhaus sind nicht geeint
Zunächst einmal muss man wissen, dass in den USA Parteibindungen relativ schwach sind. Es gibt dort keinen Fraktionszwang, gewählt werden auch keine Parteien, sondern Personen, die sich für die eine oder andere Partei aufstellen, gelegentlich aber auch mal die Parteien wechseln können. All das ein Verhalten, das in Deutschland undenkbar wäre, in der Parteifunktionäre alle Macht haben und Abgeordnete für gewöhnlich immer im Sinne der Parteilinie abstimmen.
Deswegen sind die zwei Parteien auch nicht so zu verstehen wie deutsche Parteien, es gibt innerhalb der Republicans und der Democrats daher in der Regel sehr viel mehr Widerspruch und Meinungsverschiedenheiten als in Parteien in Deutschland. Das bedeutet, dass es den zwei Parteien oft schwerfällt, ihre nominell eigenen Mitglieder im Sinne der Partei zu kontrollieren. Radikale Außenseiter-Politiker:innen haben daher oft ihre ganz eigene Agenda und nehmen die eigene Partei gerne mal als politische Geiseln.
Bei den Demokraten sind das insbesondere die “Progressives” (in etwa Fortschrittliche) , eine kleine Zahl linker bis linksextremer Politiker:innen, die beispielsweise auch mit antizionistischen bis antisemitischen Positionen gegenüber Israel aufgetreten sind.
Bei den Republicans ist diese radikale Minderheit vor allem der sog. “Freedom Caucus”, eine Gruppe von ungefähr 20 radikalen Republicans, die den Staat zu ihrem Feind erklärt haben und die deswegen häufig für Uneinigkeit in den eigenen Reihen sorgen. Sie wollen den Staat so stark zusammenschrumpfen und aus der Wirtschaft herausnehmen, sodass er nahezu alle seine klassischen Funktionen in die Privatwirtschaft ausgelagert hat. Es handelt sich also um radikale neoliberale Libertäre.
Die chaotischen Verhältnisse von 2022 könnten sich wiederholen
2022, nach den letzten Midterm Elections, den Zwischenwahlen, hatten die Republicans das Repräsentantenhaus gewonnen, scheiterten aber monatelang damit, einen “Speaker of the House”, einen Parlamentspräsidenten einzusetzen, da die etwa 20 Mitglieder des “Freedom Caucus” diesem ihre eigene Agenda aufdrücken wollten. Trump war auch nicht in der Lage, diese Gruppe an Abgeordneten zu besänftigen oder zu kontrollieren. Erst nach dem Wegjagen des ersten “Speaker”-Kandidaten Kevin McCarthy und massiven Zugeständnissen an den “Freedom Caucus” durch die Partei konnte ein neuer “Speaker” gewählt werden und damit das Unterhaus überhaupt handlungsfähig werden. Eines der Zugeständnisse besagte sogar, dass nur eine einzige Stimme von Abgeordneten in der Partei eine Wahl zur Ersetzung des “Speakers” auslösen könnte. Der “Speaker” Mike Johnson war somit seitdem irgendwie in der Lage, den Haufen zusammenzuhalten, sein Posten ist aber nach wie vor extrem schwierig und gilt wegen der vielen innerparteilichen Konflikte als äußerst stressig und unbeliebt.
Nun ist jetzt mit dem Ausgang der Wahl eine ganz ähnliche Situation eingetreten. Die Mehrheit der Republicans im Repräsentantenhaus ist wieder sehr sehr dünn und könnte dank Trumps Ernennungen noch weiter schrumpfen. Damit werden die ohnehin großen innerparteilichen Konflikte zwischen den “Mainstream Republicans” und dem “Freedom Caucus” noch weiter zunehmen, auf die Trump trotz allem wenig Einfluss hat.
Der kleinste Konflikt der wenigsten Mitglieder des Kongresses könnte Trump so starkes Kopfzerbrechen bedeuten.
Und gegenüber Trump, der für gewöhnlich davon lebt, der Unberechenbarste im Raum zu sein, damit sich alle an ihm ausrichten, mag das besonders ironisch sein.
Grund 3: Trumps Forderung nach absolutem Gehorsam
Der letzte Grund ist die Tatsache, dass Trump die republikanische Partei nicht vollständig kontrolliert. Zwar kontrolliert Trump die republikanische Basis der Partei, also die Wählenden an der Basis, viele der gewählten Abgeordneten sehen Trump aber nach wie vor kritisch. In einer geheimen Wahl zum Mehrheitsführer im Senat wählten diese kürzlich mit John Thune eine gegenüber Trump eher kritische Stimme. Da der Senat auch Trumps Ministerkabinett bestätigen muss, droht auch hier innerparteiliches Ungemach.
Trump fordert von den Abgeordneten seiner Partei unbedingten Gehorsam. Da Trump jedoch eine Reihe von völlig unqualifizierten Ministervorschlägen gemacht hat, sehen viele dies bereits als Loyalitätstest. Diejenigen Senatsmitglieder, die Trumps Vorschläge durchfallen lassen, können sich sicher sein, dass Trump die republikanische Basis gegen diese entfesselt, diese als Verräter beschimpft, sie bedroht und Gegenkandidaten gegen diese aufstellen lässt.
Wie man sieht: Der Sieg der Republicans ist nur der Anfang der Konflikte. Die Democrats werden das Ganze sicher vergnügt von der Seitenlinie ansehen und etwas Feuer ins Öl gießen, ums Trumps radikale Agenda zu stören.
Da diese Agenda einzig auf absoluter autoritärer Loyalität zu Trump beruht, muss das auch die einzige logische Antwort darauf sein.