12. November 2022
Was bleibt von der Europapolitik der vergangenen Woche? Frankreich und Italien streiten über Bootsflüchtlinge. Die EU rutscht in eine Rezession. Und die Europaflagge weht im befreiten Cherson.
Das Bild hat Symbolwert: Die Europaflagge weht neben der ukrainischen Fahne auf den Dächern im befreiten Cherson. Der liberale Europaabgeordnete G. Verhofstadt feiert das als gutes Omen für den versprochenen EU-Beitritt (Abre numa nova janela).
Doch der Beitritt ist nur ein ferner Traum. Der ukrainische Erfolg in Cherson ist bloß eine Etappe auf dem langen Weg nach EUropa; der Krieg ist noch längst nicht vorbei. Dies ist nicht nur meine Meinung, auch das US-Militär sieht das so.
General Mark A. Milley, der Chairman of the Joint Chiefs of Staff, geht davon aus, dass die Ukraine militärisch alles erreicht hat, was erreichbar war – und fordert die US-Regierung deshalb zu Verhandlungen mit Russland auf. (Abre numa nova janela)
Wenn es dazu kommt, könnte Cherson eine Wende im Krieg bedeuten – militärisch wie diplomatisch. Auch in dieser womöglich entscheidenden Phase geben die USA den Ton an. Die EU spielt nur eine Nebenrolle, sie wird sogar zunehmend zum Sorgenkind.
Denn die europäische Wirtschaft rutscht gerade in die Rezession, wie die EU-Kommission nun endlich eingeräumt hat (Abre numa nova janela). Dazu tragen auch die westlichen Sanktionen und die russischen Gegen-Sanktionen bei.
In Washington wächst daher die Sorge, dass sich in der EU eine “Ukraine-Fatigue” ausbreiten könnte (Abre numa nova janela). Unbegründet ist sie nicht. So hat Ungarn angekündigt, neue, schuldenfinanzierte Finanzhilfen für Kiew zu blockieren.
Der Unmut bei den Bürgern wächst
Zudem wächst der Unmut bei den Bürgern. In Tschechien gab es bereits mehrere große Demonstrationen, die sich auch gegen die Sanktionen gerichtet haben. In Belgien und Frankreich fanden große Streiks gegen die Krise statt. (Abre numa nova janela)
Bisher deutet jedoch nichts darauf hin, dass die Politik auf diese Proteste eingehen könnte. Nicht einmal die versprochenen Maßnahmen gegen die Energiekrise kommen voran. “Die Fronten im Streit über EU-Gaspreisdeckel verhärten sich”, meldet dpa.
Während die eigenen Bürger hingehalten werden, weitet die EU ihre Hilfe für die Ukraine aus (Abre numa nova janela). Sogar neue Russland-Sanktionen sind geplant. Die EU-Außenminister bereiten das nächste Sanktionspaket vor, es wäre das neunte…
Rom und Paris streiten über Flüchtlinge
Was war noch? Die Flüchtlingskrise weitet sich aus; (Abre numa nova janela) die Zahl der Asylbewerber hat den höchsten Stand seit 2015 erreicht. Zudem sind sich nun auch noch Italien und Frankreich in die Haare geraten.
234 Bootsflüchtlinge durften am Freitag in Toulon an Land gehen, nachdem die neue italienische Premierministerin Meloni die Aufnahme verweigert hatte. Nun zieht sich Paris aus dem sogenannten Solidaritätsmechanismus zurück.
Brüssel will vermitteln – weiß aber nicht, wie. Denn seit 2015 hat es keine nennenswerten Fortschritte in der gemeinsamen Asyl- und Flüchtingspolitik gegeben, auch hier tritt die EU auf der Stelle…
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