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Gendern, denn dann

Tachchen! Hier schreibt Laura. Heute geht’s um Insider, geschlechtersensible Sprache und eine große Buchempfehlung.

Ich liebe ja die Insider mit meiner Görl Gäng. Görl Gäng: Schon die Bezeichnung selbst ist einer. Irgendwann im ersten oder zweiten Semester fingen wir an, englische Begriffe ironisch falsch auszusprechen. Wir studierten in Dortmund wahlweise Sprach- oder Kulturwissenschaften mit diversen Nebenfächern und blieben Freundinnen fürs Leben. Zwar sehen wir uns heute nur noch selten alle zusammen, aber die Insider verbinden uns. Niemals würden wir, allesamt gestandene Frauen, uns freiwillig als „Mädchen” oder „Girls” bezeichnen. Aber Görls will be Görls. Always.

Über die Jahre erweiterten wir unser Repertoire stetig. Nie mehr werde ich das Wort „bequem” ohne hörbares U aussprechen können – und wollen. Wir sagen: „Ohne Spass kein Fun”, mit kurzem A und scharfem S, wie im Ruhrgebiet üblich. Wenn uns jemand was anbietet, heißt die Erwiderung: „Da sag ich nicht Danke!” Was bei anderen „Usus” ist, ist bei uns eher „Uwes” und wenn sich mal eine unschlüssig ist, gibt es sehr wahrscheinlich eine, die sagt: „Ach komm. Wenn dann, denn dann.”

Ein Delfinkopf ragt aus dem Wasser. Das Maul ist geöffnet, Zähne sind zu sehen. Das Tier sieht aus, als würde es lachen.

Unser 15-Jähriges feierten wir mit einer gemeinsamen Reise nach Toulouse und Paris. Eine von uns sagte aus Versehen in einem unpassenden Moment „Au Revoir!” und ein neuer Insider ward geboren. Bei jedem Anstoßen riefen wir fortan laut: „Au Revoir!”

Ich habe den Witz übrigens auf das nächste Level katapultiert, als ich daraus „Au Reboire!” machte, was dann ja so viel heißen würde wie: „Auf Wiedertrinken!” Ich verstehe bis heute nicht, warum sich der Gag nicht durchgesetzt hat bei der erstklassigen Meta-Ebene, aber ich sach ma so: Manchmal ist das Publikum noch nicht bereit. Und überhaupt: Steckse nich drin.

Warum ich euch das alles erzähle? Zunächst mal aus rein egoistischen Gründen: Damit ihr die 1A-Headline dieses Newsletters versteht und mich für die kreative, hinreißend-lustige Autorin haltet, die ich bin, muahahaha.

Ähm, wo war ich? …

Manchmal vergesse ich, dass unsere Insider Insider sind. Unsere ganz eigene Gruppen-Love-Language. Und dann verwende ich die Begriffe und Sätze aus Versehen auch mit anderen Menschen, die mich dann nicht selten etwas verstört angucken. Zum Beispiel, wenn ich vor einer x-beliebigen deutschen Kirche stehe und frage: „Hömma, is dat die Notre-Dame?”

Ein Insider, das ist ja eigentlich ein Eingeweihter. Jemand, der im Inneren eines Kreises steht. Jemand, der Informationen hat, die die Allgemeinheit nicht hat. Ein Insider ist aber eben auch ein Running Gag zwischen Menschen, die sich nahestehen. Die Kurzform von „Insiderwitz”. Auch Memes sind eigentlich nichts anderes.

In der Sprachwissenschaft gibt es die Metapher der Sedimentierung: Partikel lagern sich so lange ab, bis sie den Grund von etwas bilden. Im Ruhrpott würde man vielleicht sagen: „Lass liegen, tritt sich fest.” Was wir oft genug benutzen, gilt als normal. Mit dem generischen Maskulinum ist das ähnlich.

DAS Buch über Sprache

Das mit der Sedimentierung hab ich von Simon Meier-Vieracker, dem „beliebten Linguistik-Professor auf TikTok.” Der hat ein Buch geschrieben mit dem Titel „Sprache ist, was du draus machst! – Wie wir Deutsch immer wieder neu erfinden.”

Cover des Buches "Sprache ist, was du draus machst"

Zu meiner großen Freude hat er dem Thema gendersensible Sprache ein ganzes Kapitel gewidmet. Die Argumente für und gegen das sogenannte Gendern (das ja eigentlich ein De-Gendern ist), könnt ihr im Buch nachlesen. Schreibt sie euch auf einen Spickzettel und ihr seid für jede Diskussion gewappnet.

Hier will ich mich mal auf zwei zentrale Punkte beschränken:

Ja, die deutsche Grammatik sieht die Verwendung des generischen Maskulinums vor. Theoretisch. „Die Frage ist aber”, wie Simon Meier-Vieracker es so treffend formuliert, „ob wir das wollen!”

„Wollen wir eine Form verwenden, in die eine über Jahrhunderte tradierte Nachrangigkeit von Frauen eingegangen ist und die diese immer wieder aufs Neue fortschreibt? Oder wollen wir uns die Mühe machen, die Grammatik vielleicht ein kleines Stück weit so zu verändern, dass das männliche Geschlecht nicht mehr ganz so sehr im Zentrum steht?”

Jo, also ich schon.

Bleibt aber noch das allerletzte Totschlagargument, wenn einem sonst wirklich gar nichts mehr einfällt, und das lautet gemäß Meier-Vieracker so:

„Es mag ja sein, dass das generische Maskulinum ungenügend ist, es mag auch sein, dass Gendern die Lesbarkeit nicht stört. Problematisch ist aber, dass es ein gezielter Eingriff in die Sprache ist, eine Form des Sprachaktivismus, wenn nicht gar der Sprachkontrolle aus politischen Motiven. Das entspricht aber nicht dem Wesen von Sprache, denn Sprache verändert sich zwar, aber nur auf natürlichem Wege und nicht durch gezielte Eingriffe einer Elite.”

Da wäre es also wieder, das gute alte Eliten-Argument. Bloß: Dass eine Elite Sprache nach ihren Vorstellungen verändern will, das ist „(…) in modernen Standardsprachen eigentlich recht normal (…).”

Meier-Vieracker liefert auch gleich ein gutes Beispiel aus dem Bereich der Vergleiche: Dass Goethe damals „Ich bin so klug als wie zu vor” sagte – dafür wurde er von den Sprachgelehrten seinerzeit nicht so gefeiert. Sie nannten das eine „niedrige Sprechart”.

Deswegen sind wir an dieser Stelle also nicht nur „so klug wie zuvor”, sondern sogar klüger.

Gendern ist ein bisschen wie Insider

Eine Sache aber lasse ich gelten: Gendern ist ein bisschen wie Insider.

  1. Solange man es nicht versteht, bleibt man draußen.
    Ich kann nachvollziehen, dass es erst einmal ungewohnt ist, mit gendersensibler Sprache anzufangen. Dass es kompliziert erscheint und man den Sinn nicht checkt. Aber ich kann aus eigener Erfahrung sagen: Das ist schnell überwunden.

  2. Wenn man’s macht, wird man schonmal komisch angeguckt.
    Wir markieren uns qua Sprechakt als Mitglied einer Gruppe. Wer gendert, gibt gewissermaßen seine politische Orientierung zu erkennen – und macht sich damit angreifbar. Das kann Mut kosten.

Gleichzeitig ist zu gendern aber ein einladender Sprechakt. Einer, der sagt: Bei mir bist du sicher. And I think that’s beautiful.

Übrigens hätte ich gerne ein T-Shirt mit der Aufschrift „Gendern, denn dann”. Macht mir jemand eins? „Wenn, dann gendern”, ginge natürlich auch und wäre als Aufforderung noch einmal wesentlich expliziter. Ist mir persönlich aber zu wenig Gaga. Schauen wir mal, was wird. (Was wird.)

Bis bald im Postfach oder im Podcast!

Laura

Foto: Unsplash/Silviu Georgescu
Buchcover: Droemer/Knaur

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