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Kapitel 2: Käfer im Reinraum

Das Vorkommen von Insekten ist immer an einen bestimmten Lebensraum gekoppelt. Dieser kann sämtliche Gegenden dieser Welt umfassen, in denen nicht permanent Minustemperaturen herrschen und in denen ausreichend Wärme vorhanden ist, um eine Entwicklung zu ermöglichen. Lucilia sericata und Calliphora vicina kommen fast überall vor. Andere Insekten sind an spezielle Wirtspflanzen oder -tiere gekoppelt und kommen nur dort vor, wo es diese gibt. Dies ist auch der Grund, warum viele Schmetterlingsarten von einem Artensterben betroffen sind. Die Biotope, die den Wirtspflanzen gute Wuchsbedingungen bieten, gehen menschenverursacht zurück, was auch zur Folge hat, dass alle nachgeordneten Tiere und Pflanzen verschwinden. Angepasste Räuber brauchen spezielle Beute und spezialisierte Pflanzenfresser ihre Wirtspflanzen. Alles ist im Gleichgewicht. Manche Insekten besiedeln sogar lebensfeindlichste Gebiete mit teils unbeschreiblicher Kreativität in der evolutionären Anpassung. So lebt in der trockenen Namib-Wüste der Nebeltrinker-Käfer, Onymacris unguicularis, dem die Evolution eine Möglichkeit mitgegeben hat, sich auch dort mit Wasser zu versorgen: Seine Deckflügel sind mit einer Struktur versehen, die den morgendlichen Nebel aus der Luft fängt und dadurch kleine Wassertröpfchen auf dem Rücken des Käfers kondensieren lässt. Der Käfer hebt dabei seinen Hinterleib in den Wind und wartet einfach. Über eine Rinne in den Flügeldecken fließt das Wasser so auch gleich zum Kopf des Käfers. Durch die Anpassung an ein Leben in Sanddünen kann sich der Käfer auch im lockeren Sand bewegen und sich in einer Art Schwimmbewegung durch diesen hindurchbewegen. Damit er nicht erstickt, sind die Flügeldecken miteinander verwachsen. Unter diesen hat sich das zweite Flügelpaar zurückgebildet und dadurch einen Raum gebildet, der Atemluft speichern kann. Somit kann der Käfer permanent unter dem Sand leben und sich dort von angewehten Pflanzenresten ernähren.

Und trotzdem gibt es - abgesehen von den arktischen Bereichen dieses Planeten - Bereiche, in denen ein Überleben für Insekten unmöglich ist. Und wenig überraschend werden diese Bereiche von Menschen gebaut.

Wenn Insekten in Räume einbrechen, in denen sie eigentlich nichts zu suchen haben, kann das zu größeren Problemen führen. Als ich einmal in Paris in einem Restaurant saß, rannten Küchenschaben über den Fußboden und keinen der anderen Gäste schien dies in irgendeiner Weise zu stören. Klar, das Restaurant bietet Nischen und Ecken als Unterschlupf, zudem ausreichend Nahrung für diese Tiere, aber irgendwie wird mir auch als Entomologe mulmig dabei. Das nächste Problem: Die Tiere, die man sieht, sind ja nur ein Bruchteil der Population. Mit komischem Bauchgefühl verließ ich mit meiner Begleitung das Restaurant nach dem Essen.

Der Mensch ist nicht allein, nie. Selbst auf uns leben Tiere. Ich will hier nicht zu viel verraten, aber eine kurzer reality check zum Thema Haarbalgmilben könnte für einige Menschen Beunruhigendes zutage fördern. Lebensmittelmotten, Springschwänze, Speckkäfer, Trauermücken, Obstfliegen, Stubenfliegen und einige Schmeißfliegenarten haben sich hervorragend an ein Leben in der Nähe des Menschen adaptiert. Lässt man im Sommer einmal das Fenster offen, kann man sich sicher sein, dass man nach kurzer Zeit eine Fliege im Haus hat. Sie folgen Gerüchen und Luftströmungen, die für den Menschen kaum oder gar nicht wahrnehmbar sind.

Allerdings gibt es Bereiche in denen eigentlich kein anderes Lebewesen außer dem Menschen mit seiner eigenen Besatzung (wir erinnern uns: Haarbalgmilben) sein sollte. Mühsam der Natur entrungen und mit Hygienekonzepten, Prüfvorschriften und liebevoll detaillierten Qualitätsmanagementrichtlinien versehen, stellen diese Reinräume für die Natur ein absolut lebensfeindliches Konzept dar. Neonlicht, weiße, versiegelte Böden, Menschen in sauberen weißen Schutzanzügen, reguliertes Klima. Überall summen Maschinen und verpacken robotergelenkt tausende Tabletten. Und plötzlich läuft benommen und sehr langsam ein schwarzer Käfer über den weißen Boden. Seine Krallen an den Endgliedern der Beine finden keinen richtigen Halt. Eine MTA entdeckt den Käfer und beginnt ihn mittels eines Stücks Papier in ein Probegefäß zu bugsieren. Das spannende an Reinräumen: Jedes Glas, jedes Gefäß und jedes Papier hat eine Funktion. Man kann nicht einfach irgendwo an den Mülleimer gehen und sich Hilfsmittel zum Käferfangen zusammenbasteln. Mit dem Käfer in der Hand geht die Mitarbeiterin zu ihrem Vorgesetzten. Gerade als sie an der Tür klopft, ruft ein anderer Mitarbeiter „Hier ist noch einer!“

Die Produktion wird für diesen Tag eingestellt. Die Medikamentencharge im Wert von mehreren Zehntausend Euro wird zurückgestellt. Und hier kam ich ins Spiel. Als ich zuerst einen Anruf bekam und der Name eines der größten deutschen Medikamentenfabrikanten fiel, war ich etwas erstaunt. Kurz schilderte mir der Wissenschaftler, welcher außerdem auch für das Qualitätsmanagement zuständig war, den Sachverhalt. Die Fragen waren: „Sind es einheimische Käfer?“ und „Kann eine Kontamination der Produktion ausgeschlossen werden?“

Bei beiden Tieren handelte es sich um einen sehr weit verbreiteten Laufkäfer. Pterostichus aethiops, der Schwarze Grabkäfer, ist ein flinker Jäger, der sich sowohl als Larve und als ausgewachsenes Tier von anderen Insekten ernährt. Er versteckt sich in Rinde und morschem Holz und jagt meistens in der Laubschicht von Mischwäldern nach Beute.

Die Frage, ob es einheimische Käfer sind, konnte ich somit leicht beantworten. Oder doch nicht, denn das Verbreitungsgebiet erstreckt sich über ganz Mittel- und Osteuropa. Käfer kennen keine Landesgrenzen. Aber zumindest wurde er nicht aus Übersee mit einer Lieferung eingeschleppt, gab mir die Qualitätssicherung zurück. Auch die zweite Sorge, ob eine Kontamination ausgeschlossen werden könnte, konnte ich weitestgehend beruhigen. Solange kein Käfer in die Produktionskette fällt, ist alles gut. Und bei der geringen Bewegungsqualität der aufgefundenen Käfer war dies nicht zu erwarten.

Die Suche nach der Quelle gestaltete sich auch nicht allzu schwierig, nachdem ich erklärt hatte, wo die Käfer zu finden sind. Morsche hölzerne Europaletten, welche eine Hilfsarbeiterin durch eine Schleuse gebracht hatte, wurden als Quelle ausgemacht. Normalerweise müssen Rohmaterialien in Reinräume eingeschleust werden. Dabei werden Paletten aus organischem Material abgeladen und die Materialien auf andere Paletten, welche nur für Reinräume zur Verfügung stehen, umgeladen. Das wusste die neue Mitarbeiterin jedoch nicht und zog den Hubwagen direkt ohne Umladen in den Reinraum hinein. Dieser Fehler wurde direkt bemerkt und richtiggestellt, allerdings hatten sich in der Zwischenzeit bereits zwei blinde Passagiere fallengelassen.

Nicht immer geht also von Eindringlingen eine Gefahr aus. Man hätte sie in diesem Fall einfach vor die Tür tragen können. Derartig abwechslungsreiche Fälle gibt es mittlerweile regelmäßig, da der internationale Warenverkehr, auch von chemischen Rohstoffen, zunimmt.

Lektorat: Wencke Brauns

Tópico Kapitel Entomologie

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