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Demokratie ist auch ein innerer Zustand

Lesezeit: 5 Minuten

Demokratie ist die Staatsform, die ihren Bürgerinnen und Bürgern eine bessere Zukunft verspricht. Doch wenn ich jemanden frage, was Demokratie ist, dann nennen die meisten zuerst: freie Wahlen, das Parlament, die Parteien und einzelne Politiker. Sie denken an Meinungsfreiheit und Pressefreiheit, an die Würde des Menschen und Rechtsstaatlichkeit. Viele erwähnen das Grundgesetz und sie denken rechtsextreme Bewegungen, die die Demokratie gefährden.

Doch diese Gedanken sind eher abstrakt und wenig fühlbar, schon gar nicht als positive Zukunftsvision, die Hoffnung und Zuversicht macht. Deshalb stelle ich mir Demokratie nicht nur als Staatsform vor, sondern auch als psychologischen Zustand – einen Bewusstseinszustand, den ich in einem bestimmten Moment haben kann und in einem anderen nicht.

Stell dir vor: Der gestrichelte Kreis hier steht für Demokratie. Wenn ich dort stehe, bin ich in einem demokratischen Zustand. Was heißt das? Hier gibt es Vielfalt und Freiheit, aber auch Gleichheit und den Sinn für das große Ganze. Denn Demokratie hat immer zum Ziel, Entscheidungen zu treffen, die für alle am besten sind. An diesem Ort habe ich die Hoffnung auf eine bessere Zukunft, in der es mir und allen anderen besser geht.

Was passiert, wenn ich weiter vom Punkt Demokratie weggehe, in Richtung Autokratie, der Alleinherrschaft? Dann wird mir eng in der Brust. In einem autokratischen Zustand fühle ich mich bedroht – bedroht von anderen Meinungen. Andersdenkende sind eine Gefahr. „Was Sie sagen, das ist falsch. Nur ich habe recht.“ Solche Haltungen habe ich bei Nationalkonservativen erlebt, aber auch bei radikalen Linken: „ICH weiß, was richtig und was falsch ist, und was die andere Person sagt, das geht gar nicht.“

Es erinnert mich an Momente, in denen ich getriggert bin. Dann habe ich wenige Handlungsmöglichkeiten, bin innerlich unfrei: Ich habe ein Problem, sehe aber nur eine Lösung, und diese kann ich nicht erreichen. Also ist jemand anderes Schuld. Zum Beispiel, einen Arbeitskollegen, mit dem ich immer wieder Meinungsverschiedenheiten habe, aber nie gibt er mir recht. Wenn ich innerlich unfrei bin, dann habe ich nur eine Handlungsmöglichkeit: die Konfrontation.

Wenn ich aber zum Punkt Demokratie zurückgehe, erkenne ich: Auch in meiner eigenen Psychologie habe ich verschiedene Zustände, eine innere Vielfalt: verschiedene Anteile, verschiedene Perspektiven, verschiedene Meinungen – eine Art innere Meinungsvielfalt. Plötzlich ergeben sich neue Handlungsmöglichkeiten: Ich kann den Kollegen persönlich ansprechen und nach dem Muster suchen, das unsere Konflikte prägt. Woran liegt es, dass wir immer wieder aneinandergeraten? Nimmt er das überhaupt so wahr? Vielleicht kann ich auch unabhängiger von seinen Bemerkungen werden, wenn ich mehr Ruhe in mir finde.

Diese innere Vielfalt an Handlungsmöglichkeiten, das ist für mich Demokratie als Zustand. Und dieser Zustand ist auch in der Gesellschaft hilfreich: Denn Verständigung in einer pluralen Gesellschaft funktioniert besser, wenn die Menschen innerlich beweglich sind und ihre innere Vielfalt leben.

Doch öffentliche Debatten scheinen mir eher nicht so zu funktionieren. Ein Talkshow-Gast steht für eine Meinung und die muss er oder sie vertreten. Innere Vielfalt und Beweglichkeit ist dabei nicht vorgesehen. Genauso wenig wie in Bundestagsdebatten.

Warum ist das so? Ein Grund könnte sein, dass wir uns wenig darin üben, uns innerlich demokratisch zu fühlen. Dafür habe ich folgende kurze Inner Work entworfen:

Inner Work zur inneren Demokratie

1. Wähle einen Konflikt, eine Meinungsverschiedenheit, die du gerade hast oder kürzlich hattest.

2. Markiere einen Punkt auf dem Boden, der Demokratie repräsentiert, und einen anderen Punkt, der für Autokratie steht.

3. Stelle dich zuerst auf den Punkt Demokratie. Unabhängig von dem Konflikt, wie fühlt es sich dort an? Welche innere Vielfalt kannst du erkennen? Wie fühlt sich dieser Ort in deinem Körper an? An welchen Moment erinnert dich dieser Zustand?

4. Gehe nun in Richtung oder bis zum Punkt Autokratie. Formuliere deine Meinung. Die einzige Wahrheit, die es gibt. Du hast recht und niemand sonst. Spüre, wie sich dein Körper anfühlt.

5. Gehe wieder zum Demokratie-Punkt. Spüre zuerst deinen Körper. Entspanne dich etwas. Erinnere dich an den demokratischen Moment aus Schritt 2. Welche anderen Meinungen hast du zu dem Konflikt? Kannst du für einen Moment die Perspektive des anderen einnehmen? Wie sieht die Sache aus seiner/ihrer Warte aus?

6. Zum Abschluss: Welche neue Handlungsmöglichkeit ergibt sich, wenn du vom Ort der Demokratie aus – unter Berücksichtigung verschiedener Perspektiven – auf deinen Konflikt blickst?

Ich bin überzeugt: Jeder Mensch hat eine innere Vielfalt. Und wenn diese erlebt wird, dann ist dieser Zustand eine Kraftquelle. Für die Probleme unserer Zeit brauchen wir Menschen, die immer wieder ihre inneren demokratischen Zustände aktivieren können – in Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft.

Herzlich grüßt

Josef

P.S. Für kürzere Updates zu meiner Arbeit folge mir gerne bei LinkedIn (Abre numa nova janela).