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Fuckgirl-Causa: “Von dir hätte ich mehr erwartet” aber warum eigentlich

Über Sex und Machtdynamiken zu schreiben, ist für mich aktuell sehr befriedigend. Ich wollte das seit 2020 tun, allerdings nicht in Tagebuch- oder Sexblogform, also habe ich mit dem Publizieren gewartet – bis mir die Idee zu fuckgirl (Abre numa nova janela) kam. Meinem ersten “richtigen” literarischen Projekt, dann auch noch auf Englisch, das sich mit der Zukunft von Heterosexualität beschäftigt; mit dem Führen von Heten-Beziehungen, in denen am Ende nicht wieder die Frau den Kürzeren zieht. Aber lest selbst.

Talking about „Kürzeren“: Es gibt ein Tabu, das ich letzten Freitag gebrochen habe, indem ich auf fuckgirl GANZ GEMEIN über kleine Schwänze geschrieben habe.

Ich hatte natürlich schon erwartet, dass ein paar beleidigte Kommentare folgen werden, wenn ich „hipsters with small dicks (Abre numa nova janela)“ veröffentliche. Im Grunde genommen waren es vielleicht 1 % negative Kommentare, und ich bin auch nicht persönlich betroffen oder verletzt davon, das sei erstmal dazugesagt.

Und doch möchte ich auf die Argumente eingehen, die mir in den Kommentaren vorgeworfen wurden. Nicht, um mich zu verteidigen, sondern um aufzuzeigen, welche Erwartungen an mich als schreibende und „politisch progressive“ Frau gestellt werden.  

Die negativen Kommentare umfassten inhaltlich im Grunde 2 Aspekte:

1.     „Ist es jetzt ok, Männer zu body-shamen?“

2.     „Uh, du kommst dir jetzt wahnsinnig cool und artsy vor, aber das ist doch total reaktionär was du machst!“

Ich möchte erstmal mit Punkt 2 beginnen. Fuckgirl ist ein Kunstprojekt und ich werde meine Takes weiterhin genauso roh und derb und vielleicht auch brutal raushauen, wie ich das für richtig halte. Ich möchte als Cis-Hete über emotional abuse, sexuelle Präferenzen und BDSM schreiben, ohne auf Zwang eine versöhnliche „Nuance“ reinzubringen. Ich möchte über Narzissten mit kleinen dicks schreiben und ich möchte mich anderen tabuisierten Themen annehmen, die – den bisherigen Rückmeldungen nach zu schließen – viele Heten-Frauen betreffen.

Als Künstlerin nehme ich mir das Recht heraus, dabei frei zu agieren und mich nicht von Zeitgeist und geforderter politischer Progressivität unter Druck setzen zu lassen. Man stelle sich mal das Gegenteil vor: ich fange an, ein Kunstprojekt zu publizieren, das den politischen Anschauungen meiner audience (meist: mitte-links bis linksextrem) entspricht, damit ich keine Kritik einstecke und „das Richtige“ schreibe.

Ich fange an, so zu tun, als ob ich queer wäre; ich fange an, Tabus bewusst auszulassen, mit Handschuhen anzufassen und erstelle stattdessen einen Guide, in dem ich erkläre, dass Sex natürlich nicht nur durch Penetration stattfindet und alle Schwänze schön sind.

Bin ich Journalistin oder was?

Sowas langweilt mich zu Tode, das können gerne andere machen.
Das ist nicht fuckgirl.

Ich möchte so etwas nicht schreiben, nur, damit ich „korrekt“ handle und in der Gesellschaft etwas POSITIVES bewirke, nämlich, dass sich Cis-Heten-Männer (ist klar, oder) nicht mehr für ihre kleinen Schwänze schämen müssen.

Fragt sich nur, und hier wären wir bei Punkt 1, warum bin ausgerechnet ICH dafür verantwortlich, wie sich Männer mit kleinen Penissen, die ihre Freundinnen abusen, fühlen, wenn sie meine Texte lesen? Wieso muss fuckgirl irgendetwas gesellschaftlich voranbringen?

Bin ich small-dick-advocat oder was?

Wieso muss fuckgirl kleine Schwänze mögen? Warum muss sie so tun, als ob Penetration gar keine Rolle spielte? (Der take zu „penetration“ liegt mir übrigens auch schon länger auf der Zunge.)

Vielleicht ist es auch noch nicht klar geworden. Ich schreibe fuckgirl nicht für Feel-Good-Vibes. Ich schreibe fuckgirl für andere Cis-Heten-Frauen, die mal ein bisschen Druck ablassen möchten. Ich schreibe fuckgirl nicht für Männer und es ist mir zu einem gewissen Grad wirklich egal, wie sich die Männer, die das lesen, fühlen; genauso wie es so vielen Männern in der Vergangenheit egal war, wie sie die Frauen in ihrem Leben behandelten, in Essstörungen drängten, betrogen, schlugen und sich hinter oder vor ihrem Rücken über sie lustig machten.

Nein, ich „muss“ es nicht besser machen, als die. Und ich will auch nicht. Solange Frauen von Männern immer noch täglich, online wie offline, vor vorgehaltener Hand oder am Stammtisch als zu alt, zu fett, zu hässlich, zu laut, zu selbstbewusst, zu faltig, zu muskulös, zu groß oder zu männlich bezeichnet werden, weiß ich nicht, ob der Ort für Body-Shaming-Tadel ausgerechnet fuckgirl sein sollte.

Ich persönlich glaube, als Mann in dieser Gesellschaft muss man fuckgirl aushalten können.

Also, Fazit. Bin ich jetzt eine Art weibliche Michel Houellebecq, die genauso problematischen Scheiß verbreitet, nur gender-reverse? Die, die die Body-Positivity-Bewegung für Männer mit körperfeindlichem Trash-Talk in ihrem Keim erstickt?

Die Antwort mag überraschen, aber: ich glaube nicht, nein. Ich glaube, dass es sehr, sehr viel mehr brutale Texte darüber bräuchte, wie sich Frauen beim Sex oder in Beziehungen mit mehr oder weniger gewalttätigen Männern fühlen, ohne dabei ständig „Rücksicht“ auf ihre Gefühle zu nehmen, wie es von uns im Patriarchat verlangt wird. Weil es gottverdammt nochmal auch mal um unsere Perspektive, unsere Gefühle, unseren taste gehen darf, und zwar nur darum.

Indem ich fuckgirl keine empathische Stimme verleihe, indem ich fuckgirl das sagen lasse, was sich viele im Stillen denken aber aus Furcht vor gesellschaftlicher Ächtung innerhalb der Linken nicht aussprechen; indem ich kontroverse Gedankenkonstellationen zulasse, schaffe ich genau das, was ich bewirken wollte.

 

 

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