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Onkel und Tanten Teil 1

Die Onkel und Tanten I - väterlicherseits

Diese Großfamilie hatte mich reich mit Onkel und Tanten beschert. Es dauerte eine Weile, bis ich verstand, wer denn nun angeheiratet war und wer nicht – zumal ja eine Schwester meiner Mutter den Sohn der zweiten Frau meines Opas geheiratet hatte. Aber da die dann ja so hießen wie die Olga mit Nachnamen -verstand ich es irgendwann.

Auch mein Vater hatte zwei Brüder und vielleicht fang ich mit denen an, denn das ist einfacher. Onkel Karl war der ferne Onkel. Als kleines Kind kannte ich ihn eigentlich gar nicht. Wir waren praktisch nie bei denen zu Besuch. Mein Vater wohl ab und an und erst, als ich so 8 oder 9 Jahre alt war, bin ich da ab und zu mit.

Mein Onkel Karl war reich. Er hatte sich in einer der drei Töchter eines örtlichen Feinkosthändlers verliebt, eine Kaffeerösterei und Gewürzhandel eröffnet und beide waren eigentlich – nein, nicht unsympathisch, sondern es gab halt wirklich gar keinen Bezug zu ihnen. Auch das Verhältnis zu den Cousins war nicht gut – alle drei waren älter. An mir war praktisch niemand wirklich interessiert – und so war ich ein Anhängsel meines Vaters, der irgendwo „dabeisaß“. Wir waren ein paar wenige Male im Sommer bei ihnen und da durfte ich dann im Swimmingpool schwimmen. Unerhörter Reichtum war das. Mein persönlichstes Erlebnis mit ihm als Kind war, als  Onkel Karl mit sein Jugendbuch „Tom Sawyer und Huckleberry Finn“ schenkte – eine ledergebundene Ausgabe, das beide Bücher in Nichtjugendsprache umfasste. Also keine geglättete Ausgabe, wie es sie für junge Leser*innen damals gab. Voller Stolz schrieb ich „von Onkel Karl“ ganz vorne rein.

Der stadtbekannte Kaffee von Onkel Karl war sehr bekannt und ich war stolz, dass die zur Familie gehörten. Nein, umgekehrt, dass wir zu deren Familie gehörten.

Irgendwann, sehr viel später, erfuhr ich dann, warum das Verhältnis so getrübt war. Meine Tante Magda war eine strenge Katholikin und mein Onkel war konvertiert – mein Vater war ja evangelisch. Die Konfessionsangehörigkeit wurde bei uns über die Mutter weiter gegeben. Meine Eltern machten sowas nicht – meine Mutter blieb katholisch, mein Vater evangelisch und so war ich damals auch katholisch. Aber meine Eltern halt nicht und das in den Augen meiner Tante Magda sicher ein Sakrileg.

Als meine Eltern heirateten, 1962, hatten sie sehr wenig Geld. Ihre Eltern, also meine Großeltern hatten den Fuhrbetrieb und die Landwirtschaft, mitten im Ort, da, wo heute das Herrenbekleidungsgeschäft und der Geldautomat der Volksbank ist. Am Ende der Bruchgasse. Mein Vater hatte eine Mutter aus ihrer toxischen, gewalttätigen Familie herausgeholt – auch so eine Heldengeschichte. Er war 24, sie 19 Jahre alt. Nach der Geschichte ging er wohl zu meinem Großvater – der mit den 5 Mark – und hat ihm gesagt, dass er sie entweder heiraten lässt – oder sie schwanger würde. Damals war man ja erst mit 21 „großjährig“.

Jedenfalls sind meine armen Eltern erst einmal beim Onkle Karl eingezogen. In eine enge Dachwohnung, in deren Haus. Und meine Tante hat sich wohl dauernd und permanent eingemischt, befohlen und gestritten. Es muss unerträglich gewesen sein. Mein Vater bekam dann eine Stelle als Schlosser bei der IWK und sie zogen nach Flehingen. Flehingen, das Land meiner Träume – sie  - vor allem meine Mutter - haben immer ein zuckersüßes Bild der Zeit dort beschrieben. Da sie 1968 dort auszogen, müssen sie 1964 oder 65 dort eingezogen sein. Jahre der Demütigungen für das junge Paar. Und trotzdem haben sie es geschafft. 

Meine Mutter wollte mit der Tante so wenig wie möglich zu tun haben. Lange Jahre haben wir dort keinen Kaffee gekauft, das kam erst später. Ich bin mit dem Duft Jacobs Krönung groß geworden. (Als ich das erste Mal im Alter von 45 in ein Flugzeug stieg, konnte ich den dort ausgeschenkten Kaffee am Geruch erkennen).

Meine erste Erinnerung kommt aus der Flehinger Zeit. Ich tobte mit irgendwelchen anderen Kindern in der Wohnung und sprangen vom Kopfende unserer Couch auf diese.

Sonst erinnere ich mich an den Geruch der Rösterei, da war mein Vater auch ab und zu und ab und zu ging ich auch dorthin mit. Meine Mutter arbeitete später dort eine Zeitlang.

Onkel Karl und seine Frau waren natürlich bei meiner ersten Hochzeit – so wie dort alle Onkle und Tanten waren. Ich durfte für uns etwas im Geschäft aussuchen, egal, was es war und was es kostete. Also bekamen wir zur Hochzeit ein chinesisches Teegeschirr mit Kirschblüten, handbemalt, mit Desserttellern. Das hat gut und gerne 500 DM gekostet und war wunderschön.

Ich sah diese Leute dann aber nur noch, als wir dann Kaffee bei ihnen kauften. Den guten Kaffee. Ettlinger Mischung – eine Kaffeemischung, die speziell aufs Ettlinger Leitungswasser ausgerichtet war. Onkle und Tante waren unzugänglich, wir hatten eigentlich nichts mit ihnen zu tun.

Als Onkel Karl dann einen Schlaganfall hatte, der ihn in den Rollstuhl zwang und er eine Aphasie hatte, wurde er weich. Nett. Zugewandt. Erfreut, einen zu sehen. Meine Tante mokierte sich wohl, wie ich hörte, ab und zu über den Krüppel (so wurde es mir erzählt) im Rollstuhl, der nicht sprechen konnte und mit Magensonde ernährt werden musste. Ich weiß noch, ich hatte kurz zuvor mit Familienforschung angefangen – und weil ich so beeindruckt war, wie sehr ihn diese Krankheit verändert hatte, schenkt ich ihm einen Familienstammbaum.

Irgendwann starb er und ich kann bis heute nicht sagen, ob ich auf der Beerdigung war. Was glaube ich, genug über meine Beziehung zu ihm aussagt.

Der jüngste der 3 Brüder, Klaus, war geistig behindert. Laut meinem Vater ist er als kleines Kind aus dem Fenster gefallen. Eine andere Geschichte kenne ich nicht. Klaus kannte ich noch vom Bauernhof in der Stadt, er half natürlich mit, das konnte er. Später, als der Hof im Rahmen der Stadtsanierung abgerissen wurde, zogen alle bei meinen Eltern ein, die mit dem Erlös des Hofes ein Haus bauen konnten. Im Dachgeschoss lebten dann Großeltern und der Onkle Klaus und Tante Elisabeth. Auch eine garstige Frau. Die Großeltern hatten ein Wohnrecht für Klaus mit ausgehandelt und als die Großeltern starben, lebte Klaus dort weiter. Aber da die Elisabeth so garstig war, taten meine Eltern alles dafür, dass sie auszogen – was sie irgendwann taten. In der Folge mussten sie jeden Monat 250 DM an Klaus überweisen, bis zu seinem Tod.Seit da habe ich ihn lange Jahre nicht gesehen.

Irgendwann – es muss 1998 oder 99 gewesen sein, rief mich meine Mutter an: Jörg, komm schnell, der Klaus ist da. Ich bin alleine und ich habe Angst.

Also fuhr ich schnell zu meinen Eltern – zum Glück hatte ich an dem Tag frei oder schon Feierabend- und dort saß er. Er sah haargenau wie mein Opa aus, das gleiche Gesicht, dieselben buschigen Augenbrauen. Das hat mich echt mitgenommen.

Und so saß er da, trank einen Kaffee und erzählte Geschichten vom Hitler, den er kannte – er ist glaube ich 1942 geboren – von anderen bekannten Persönlichkeiten und wir waren freundlich zu ihm, nickten und waren froh, als  er wieder verschwunden war.

Als er starb, er lebte längst alleine, Elisabeth war gestorben – organisierte mein Vater seine Beerdigung, eine Trauerrednerin, ein Grab, einen Grabstein. Der reiche Onkel tat das nicht und mein Vater legte das Geld aus, bis er den Rest, der noch auf Klaus‘ Konto war, ihm überwiesen wurde. Es ging wohl geradeso auf und ich weiß, dass mein Vater regelmäßig an seinem Grab war und es pflegte – so wie er 25 Jahre lang das Grab seiner Eltern gepflegt hatte.

Tópico Großfamilie