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22.01.2021 "Deutschland ist verpflichtet, seine Staatsbürger aus Syrien herauszuholen!"

Rechtsanwalt Dirk Schoenian kämpft bis heute um Rechte von Kindern und Eltern in Syrien

Deutsche Waisenkinder, Mütter mit ihren Kindern (und vereinzelt Männer) holt Rechtsanwalt Dirk Schoenian aus den Flüchtlingslagern in Syrien in ihre Heimat nach Deutschland. Deutschland muss die ehemaligen mutmaßlichen IS-Sympathisanten oder gar -kämpfer nach Deutschland lassen - zumal die unschuldigen Waisenkinder, sagt der Anwalt aus Hannover. Schoenian musste das Auswärtige Amt mit Prozessen u.a. vor dem Berliner Verwaltungsgericht zwingen, die Deutschen in Syrien unter vielen Einwändungen nach Hause zu holen. Das Gericht musste Zwangsgeld androhen.  Erstmals berichtet hier Rechtsanwalt Schoenian derart ausführlich über seine Mandanten, die teilweise noch heute mit ihren Kindern darauf warten, aus menschenunwürdigen Flüchtlingslagern mit Tod und Krankheit endlich nach Deutschland gebracht zu werden. "Das ist eines ihrer Grundrechte!", sagt Schoenian. Das hieße ja nicht, dass es keine strafrechtliche Aufarbeitung ihrer Zeit in Syrien geben solle.

Eine völlig verzweifelte Großmutter wendet sich im Februar 2019 an Strafverteidiger Dirk Schoenian in Hannover: ihr Sohn, ihre Schwiegertochter und deren drei Kinder seien in Syrien. Deutschland wolle sie nicht in ihre Heimat, nach Deutschland, lassen. "Eher aus Mitled" habe er sich dem Schicksal der Familie angenommen.

Bei ca. 70-80 Deutschen, auch Waisenkinder darunter, stritt Schoenian bisher dafür, dass die zum Teil mutmaßlichen IS-Kämpfer bzw. -Sympathisanten von der Bundesrepublik wieder nach Deutschland geholt wurden. Seine Mandanten lebten ubter schlimmsten Bedingungen z.B. im Flüchtlingslager "Al Hol", wo lebensbedrohliche Krankheiten, eine hohe Säglingssterblichkeit und das verschwinden von Menschen üblich seien. Selbst Kinder mit deutschem Pass wurden anfangs zögerlich aus dem früheren IS-Gebiet in die Bundesrepublik gebracht. Manche Eltern sind bis heute von ihren Kindern getrennt und leben noch heuzte in Syrien, trotz ihrer deutschen Staatsbürgerschaft.

Im Dezember 2020 sagte Außenminster Heiko Maas (SPD) anläßlich der Ankunft von zwölf Kindern (darunter Waisen und Kranke)und drei dazugehörigen Müttern aus Syrien, dass er "sehr erleichert" sei, dass aus den Lagern in Nordostsyrien zurückgeholt werden konnte. Es seien "humanitäre Fälle."

https://www.auswaertiges-amt.de/de/newsroom/bm-humanitaere-rueckholaktion-syrien/2429346 (Abre numa nova janela)

Vor dem Berliner Kammergericht vertritt Schoenian gerade eine junge Frau, die aus Liebe nach Syrien gegangen sein will, um dort nach dem Tod eines ihr dort angetrauten mutmaßlichen IS-Kämpfers einen zweiten IS-Mann geheiratet haben soll. Zum Geburtstag habe es für Zeynep G. lt. Bundesanwaltschaft eine Kalaschnikow als geschenk gegeben. Mit ihrem in Syrien geborenen Kleinkind kämpfte sie sich in die Türkei durch, berichtete sie im Prozess. Ihre Mutter habe sie in Berlin-Wedding als weltoffene Muslimin erzogen. Bis sie sich in den Unbekannten in Syrien über Internetchats verliebt habe.

https://www.tagesspiegel.de/berlin/waesche-waschen-und-kochen-fuer-islamisten-wie-sich-gerichte-bei-prozessen-gegen-is-frauen-ein-urteil-bilden/26699328.html (Abre numa nova janela)

Rechtsanwalt Dirk Schoenian wirkt bescheiden und zurückhaltend, hält sich wohl konzentriert und streng an das, was er weiß und mit eigenen Augen gesehen hat. Er ist kein "Scharfmacher", kein Ideologe, der die Bundesrepublik Deutschland anklagen will, weil sie nicht schnell genug tätig wurde oder wird, bei der Rückführung deutscher Staatsbürger*innen aus syrischen Flüchtlingslagern, in denen bis heute Menschen sterben - auch deutsche Staatsbürger*innen, auch (deutsche) Kinder, für die die Bundesrepublik eine besondere Verantwortung trägt. Nie hätte der Rechtsanwalt -als jahrzehntelanger Strafrechtler- die Gerichtsverfahren geführt vor den Verwaltungsgerichten in Deutschland für verzweifwelte Großeltern, deren Kinder in Syrien als IS-Kämpfer oder Zivilisten umgekommen waren. Die Eltern der in Syrien Getöteten suchten noch unter Schock ihre kleinen Enelkinder, die Kinder ihrer Kinder, die sie nie mehr sehen werden, weil sie tot sind. Die Trauernden in Deutschland wollen unter zehntausenden Menschen und Kinderwaisen in den überfüllten Flüchtlicngslagern ihre Enkel aufspüren, sie retten, sie nach Hause holen nach Deutschland, zu Oma und Opa. Schoenian sagt, er habe für die Großeltern gekämpft vor Gericht, als sie im Februar 2019 erstmals zu ihm gekommen seien: "Ich habe zuerst vor allem Mitleid gehabt."

Die Bundesreigerung beruft sich 2019 darauf, dass es in Syrien keine deutsche Botschaft mehr gäbe, also keine konsularische Vertretung für die deutschen Staatsbürger in Lagern (oder syrischen Gefängnissen) möglich sei. Für Anwalt Schoenian u.a. im Interview hier deshalb ein Vorwand und ein Hinauszögern dringendender Hilfe, weil die Geheimdienste beispielsweise auch deutsche Gefangene verhörten in Zusammenarbeit mit den US-Amerikanern und den kurdischen Siegern über den IS. Das Auswärtige Amt stellt gegenüber "gerichtsreporter morling" klar:

"Wir arbeiten weiter mit Hochdruck daran, die Ausreise deutscher Kinder aus Nordostsyrien zu ermöglichen. Wir haben jedoch weiterhin keine konsularische Präsenz in Syrien und damit auch keinen konsularischen Zugang in Nordost-Syrien. Es gilt deshalb unverändert, dass wir für die Unterstützung und insbesondere die Rückholung der Betroffenen auf die Mitwirkung einer Vielzahl unterschiedlicher Akteure angewiesen sind. Hierzu stehen wir auch in Kontakt mit kurdischen Gruppen."

Das Auswärtige Amt stellt für die Vergangenheit fest, dass allein "im Dezember 2020 ...zwölf Kinder, darunter sieben Waisen, und drei Frauen aus den Lagern Roj und Al Hol im Nordosten Syriens nach Deutschland zurückgeholt (wurden). Im August 2019 konnten vier Kinder und im November 2019 drei weitere Kinder mit der dazugehörigen Mutter, die sich zuvor jeweils im Lager Al-Hol aufgehalten hatten, nach Deutschland zurückgeholt werden."

Rechtsanwalt Dirk Schoenian, der eine Vielzahl von Müttern und deren Kindern in syrischen Lagern vertritt, weiß allerdings auch von Fälle, wo bis heute mindestens eine Mutter darauf wartet, ihren krank ausgeflogenen Kindern nach Deutschland folgen zu dürfen seit August 2019. Selbst Zwangsgelder werden gegen das Auswärtige Amt gerichtlich verhängt, wie erst im März 2020. 10.000 € hätte die Bundesrepublik zahlen müssen, wenn sie nicht endlich die Mutter der beiden nach Deutschland ausgeflogenen Kinder zu ihren kleinen Kindern ließe. Grundrechte würden da von Deutschland verletzt, so Schoenian im Interview. Die Bteroffenen seien deutsche Staatsbürger. Das schließe deren mögliche Strafverfolgung hier natürlich nicht aus.

https://www.berlin.de/gerichte/verwaltungsgericht/presse/pressemitteilungen/2020/pressemitteilung.901461.php (Abre numa nova janela)

Vermutlich dutzende deutsche Waisenkinder (z.T. Kleinkinder), ihre Mütter und manchmal Väter sind in syrischen Flüchtlingslagern immer noch unter unmenschlichen Bedingungen untergebracht. Ortskundige berichten, dass manchmal Kinder am Eingang des Lagers Al Hol beispielsweise hilflos neben ihren Müttern stehen, die im Sterben liegen. Ein Kind, das endlich die Erlaubnis hatte, nach Deutschland kommen zu dürfen, verschwand im Lager Al Hol spurlos, sagt Rechtsanwalt Schoenian. Auch dieses Kind war ein Kind und: besaß hatte die deutsche Staatsbürgerschaft.

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