Monday Motivation #35
Den Regelwald lichten
Von Lenin stammt die leider nicht ganz von der Hand zu weisende Feststellung: »Revolution in Deutschland? Das wird nie etwas, wenn diese Deutschen einen Bahnhof stürmen wollen, kaufen die sich noch eine Bahnsteigkarte!«
Bei uns muss eben alles seine Ordnung haben.
Deshalb sind Rasenkanten in Deutschland so beliebt. Und deshalb hält sich hartnäckig der Mythos, dass die Mehrheit der weltweiten Steuerliteratur das deutsche Steuerrecht betrifft. Wir sind bekannt und geschätzt für unsere Gewissenhaftigkeit und unseren Ordnungssinn. Auch wenn wir es bisweilen damit übertreiben, unser Verhältnis zu kreativem Chaos ist – vorsichtig ausgedrückt – eher angespannt.
Es gibt natürlich immer gute Gründe für eine weitere Regel, eine neue Anweisung oder einen neuen Prozess. Jede Eventualität muss schließlich bedacht, jeder Sonderfall geregelt und jeder Missbrauch verhindert werden. Wo kämen wir denn sonst hin?
Gute Frage. Darum ging der niederländische Verkehrsplaner Hans Monderman tatsächlich hin und schaute. Zum Beispiel an die am meisten befahrene Kreuzung in Drachten. Hier treffen sich zwei zweispurige Hauptverkehrsstraßen mit 22.000 Autos, 5.000 Radfahrern und zahlreichen Fußgängern (Abre numa nova janela) (Stand: 2005). Da braucht es natürlich Regeln, Schilder, Markierung, Ampeln und eine klare räumliche Trennung von Autos, Radfahrern und Fußgängern. Alles muss geregelt sein. Derart entmündigt benehmen sich Menschen aber auch entsprechend, oder mit den Worten von Hans Monderman: »Wenn du Menschen wie Idioten behandelst, benehmen sie sich auch wie Idioten. (Abre numa nova janela)«
Tatsächlich braucht es diese Überregulierung nicht, wie Monderman mit seinem Konzept des Shared Space bewies. Keine Radwege, keine Fahrbahnmarkierung, keine Vorfahrtsschilder oder Ampeln, nicht einmal Bürgersteige bringen Ordnung in das Chaos. Wie gut das funktioniert, demonstrierte Hans Monderman gern selbst, indem er rückwärts mit verschlossenen Augen über eine »seiner« Kreuzungen lief (Abre numa nova janela).
Wo das Miteinander nicht mehr durch starre Regeln geordnet wird, herrscht Verwirrung. Und genau das ist das Ziel, denn nun müssen sich die Verkehrsteilnehmer nachdenken und kommunizieren. Es findet viel mehr Augenkontakt statt, alle achten mehr auf die anderen Menschen anstatt auf Ampeln und ihre Vorfahrt. Das führte nicht nur in Drachten, sondern auch an anderen Orten mit dem Konzept des Shared Space zu geringeren Geschwindigkeiten und in der Folge zu einem besseren Verkehrsfluss und deutlich weniger Unfällen.
Setzen wir doch auch in unseren Organisationen wieder mehr auf grundlegende Prinzipien statt auf eine Flut von Regeln und vertrauen auf die Menschen und ihren Verstand, wie es Laszlo Bock, der ehemalige HR-Chef von Google, fordert (Bock, 2016, S. 365): »Gib den Menschen etwas mehr Vertrauen, Freiheit und Autorität, als es sich gut anfühlt. Wenn du nicht nervös wirst, war es nicht genug.«
Eine gute Woche, um den Regelwald zu lichten!
Marcus
Literatur
Bock, L. (2016). Work rules! Insights from inside Google that will transform how you live and lead (First published in paperback). John Murray.
Das Warten hat ein Ende! Ich freue mich sehr, endlich die zweite und deutlich erweiterte Auflage des »Manifest für menschliche Führung« in Händen zu halten. Auch Du kannst es in Kürze lesen, denn die Auslieferung hat schon begonnen! Wirf gleich einen ersten Blick ins Buch und lies erste Stimmen dazu u. a. von Cawa Younosi und Dr. Peter Kreuz:
Zum Schluss noch eine Bitte: Auch wenn diese zweite Auflage nicht mehr im Selbstverlag erscheint, setze ich auf Deine Hilfe: Bitte teile diese Ankündigung in Deinem Netzwerk und leite die Seite zum Buch (Abre numa nova janela) gerne an viele interessierte Menschen weiter. Und sobald Du das Buch gelesen hast, freue ich mich sehr über Deine Rezension bei Amazon (und anderen Plattformen). Vielen Dank!
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