„Mank“ – Kritik zum Netflix-Start

Die 30er und 40er Jahre des vergangenen Jahrhunderts waren eine denkwürdige Zeit – nicht nur geschichtlich betrachtet. Auch die großen Studios in Hollywood brachten ein paar unvergessliche Filme auf die damals so populären Kinoleinwände, die heute noch als Klassiker gehandelt und an Filmschulen weltweit unterrichtet werden. Zu diesen zeitlosen Werken aus jenen Tagen zählt ohne Zweifel auch „Citizen Kane“ von Orson Welles, zwei Namen, die wohl jedem halbwegs Filminteressierten etwas sagen sollten. Herman J. Mankiewicz dürfte hingegen schon weniger bekannt sein. Ein Umstand, den Regisseur David Fincher („Sieben“ (Abre numa nova janela)) wohl nicht hinnehmen wollte, weshalb er sich dazu entschlossen, diesen Drehbuchautor zum Protagonisten seines neuesten Films zu machen, der seit dem 4.12. auf Netflix zu sehen ist.
von Mara Hollenstein-Tirk
Treffend heißt der gute Streifen dann auch „Mank“, wie der beliebte Schreiberling damals von so gut wie jedem in Hollywood genannt wurde. Und wie man aus der Einleitung bereits erahnen konnte geht es um nichts geringeres als die Entstehung von „Citizen Kane“. Naja, fast. Denn eigentlich geht es viel mehr um besagten Mank, seine Beziehung zum Medienmogul William Hearst, ein paar Stolpersteine auf seinem holprigen Weg und die Entstehung des Drehbuchs zu „Citizen Kane“.
Und genau hier liegt der Hund begraben: „Mank“ erzählt seine Geschichte in Versatzstücken, fügt hier und da eine Erinnerung ein, oft weiß man gar nicht so genau, wieso nun ausgerechnet dieser Ausschnitt aus dem Leben des Autors gezeigt wird, führt eine Nebenfigur nach der anderen ein, die wenigsten davon erfahren viel Charakterisierung, und endet ohne groß Emotionen beim Zuschauer ausgelöst zu haben. Wobei dies vielleicht auch dem allgemeinen Charakter des Films geschuldet ist. Denn Werke, die sich mit einem so konkreten Milieu zu einer so konkreten Zeit befassen, bieten immer einen enormen Mehrwert für Menschen, die sich gut mit der dargestellten Zeit und den damaligen Verhältnissen auskennen, überfordern hingegen Unkundige zumeist recht schnell. So dürften sich Wissende über die unzähligen Nebenfiguren und Referenzen wohl sehr freuen, Unwissende hingegen bei vielem nicht einmal mit der Wimper zucken.

Jedem wird jedoch schnell bewusst, dass Fincher hier bissige Kritik und verbeugende Hommage in einem schuf – und das nicht nur durch die Handlung selbst. Während diese nämlich die Schwachstelle des Films darstellt, ist die Inszenierung eindeutig eine Stärke. Bereits der Look beweist einmal mehr, wieso Fincher zu den großen Regisseuren unserer Zeit zählt. In Schwarz-Weiß gedreht, wurde das Material noch zusätzlich bearbeitet, mit kleinen Macken und sogenannten „cue marks“ (Symbole in den oberen Ecken, welche früher auf den Wechsel der Filmrolle hingewiesen haben) versehen, und alles menschenmögliche unternommen, um beim Zuschauer den Eindruck zu erwecken, er würde einen Film aus jener Zeit sehen. In Anlehnung an den großen Klassiker, der hier entsteht, wird die Geschichte außerdem mit Hilfe etlicher Flashbacks erzählt, die mit Texten eingeleitet werden, die direkt aus dem Drehbuch stammen könnten. Es ist diese Liebe zum Detail, dieses stets respektvolle Augenzwinkern, welches einen fasziniert und erfreut. Erfreulich sind neben der Inszenierung aber auch die Dialoge: Temporeich, spritzig, manches Mal zynisch, doch immer gewitzt, ist es ein wahres Vergnügen, den begabten Darstellern dabei zuzusehen und -zuhören, wie sie sich Zeile um Zeile an den Kopf werfen. Und begabt sind die hier aufspielenden Mimen wirklich alle. Wobei Gary Oldman als „Mank“ hier einmal mehr seine Kollegen mit seiner elektrisierenden Performance ein wenig in der Schatten stellt.
Fazit:
So unterlegt Fincher seinen Liebesbrief an die Filmkunst mit einiger Kritik am Studiosystem, verpasst es dabei allerdings leider, tiefer in die Materie einzutauchen oder beim Zuschauer echte Emotionen zu entfachen. Interessierte und Kenner dieser Ära dürften zwar ihren Spaß mit den mannigfachen Anspielungen haben, und auch weniger Interessierten bietet der Film genügend Unterhaltungswert, um die Sichtung genießen zu können, allerdings beinhaltet das schwarzweiße Treiben letztlich zu wenig Substanz, um langfristig in Erinnerung zu bleiben.
Bewertung: 8 von 10
Bilder: (c) Netflix