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Geschmacksfragen IV

Liebe und Arbeit

Shinichi Suzuki (Japanese, 1835 - 1919), photographer
Grinding the rice into flour, about 1873–1883
Hand-colored albumen silver print
Image: 17.2 × 12.7 cm (6 3/4 × 5 in.)
The J. Paul Getty Museum, Los Angeles, 84.XA.765.8.64 (Abre numa nova janela)

Hier klicken, um die Folge anzuhören (Abre numa nova janela)

 

Immer wieder hört man, dass es ein Ausdruck von Liebe sei, für jemanden zu kochen. Als jemand, der ein paar Jahre lang mit dem Kochen sein Geld verdiente, kann ich das nicht bestätigen. Auch wenn ich mir vor Augen führe, wie viele Stunden ihres Lebens meine Mutter in der Küche verbrachte, vor und nach ihrem achtstündigen Bürotag, bereitet mir diese Behauptung Unbehagen. Selbst wenn man etwas häufig gerne macht, kann das eine Arbeit darstellen.

Immer wenn ich so etwas höre, muss ich an die feministische Philosophin Silvia Federici denken, die nicht nur bahnbrechende Bücher schrieb, sondern auch eine Kampagne für die Entlohnung von häuslicher Arbeit startete. Federici legt dar, wie sehr unser Wirtschaftssystem auf unbezahlter Hausarbeit beruht. Für sie ist es kein Zufall, dass die damit verbundenen Tätigkeiten bis heute überwiegend von Frauen ausgeführt werden. Die Fiktion, dass sie die häuslichen Tätigkeiten aus Liebe verrichten würden, gibt diesen den Status einer Nicht-Arbeit. Wenn man nur aus Liebe kocht, kann man das Kochen nicht als Arbeit definieren. Weder kann man eine echte Anerkennung noch eine Entlohnung dieser Arbeit einzufordern. Das erklärt auch, warum häusliche Tätigkeiten so schlecht bezahlt sind, wenn sie außerhalb familiärer Kontexte ausgeübt werden.

Diese Grundstruktur hat sich bis heute selbst in den modernsten und aufgeschlossensten Beziehungen erhalten. Meistens gibt es jemanden, die oder der stundenlang in der Küche steht und das Essen zubereitet, und jemanden, die oder der es als großen Beitrag begreift, den Geschirrspüler einzuräumen.

Daran ändert sich eigentlich nur etwas, wenn es die heterosexuellen Männer sind, die kochen. Das sehe ich etwa bei einem Freund von mir. Seine Frau kocht jeden Tag für die Familie, aber wenn Gäste kommen, holt er die Ottolenghi-Kochbücher heraus, kauft das teuerste Olivenöl aus einem angesagten Berliner Feinkostladen und erklärt allen, wie es wirklich geht, das Kochen. Was er kocht, ist meistens gut, verstehen Sie mich nicht falsch. Aber wenn man es isst, muss man sich immer auch einen kleinen Vortrag dazu anhören. Selbst beim abschließenden Kaffee lässt man nickend Erklärungen über sich ergehen, woher die Kaffeebohnen kommen und was die richtige Brühtemperatur für das natürlich gleichmäßig vorangefeuchtete, frisch gemahlene Pulver ist. Und wahrscheinlich ohne es zu wollen, reduziert mein Freund dabei das Kochen derer, die es regelmäßig für sich und ihre Familien tun, zu einer nicht-expertenhaften und letztlich auch nicht wichtigen Tätigkeit.

Das folgende Rezept ist ein Rezept, dass dem Status des Kochens als Arbeit Rechnung trägt. Es ist für jene Tage gedacht, an denen man nach einem langen Tag entlohnter Arbeit nur noch wenig Energie hat, sich ihrer nicht entlohnten Variante zu widmen. Es ist die Abwandlung eines Rezepts für einen Lauch-und-Ingwer-Reis von Jean-Georges Vongerichten. Es geistert schon seit ein paar Jahren durch die Kochbücher der Welt, weil es so einfach ist und trotzdem so unglaublich gut schmeckt. Es ist das eleganteste Comfort Food, das man sich vorstellen kann. Nur um es zubereiten zu können, mache ich am Vorabend immer etwas mehr Reis.

Je nach Menge der zu versorgenden Leute, schwitzt man dafür ein oder zwei Stangen feingeschnittenen Lauch sanft in etwas neutralem Öl an. Dann gibt man eine gute Portion geriebenen Ingwer und Knoblauch dazu und brät das Ganze eins, zwei Minuten weiter, bevor schließlich der gekochte Reis in die Pfanne kommt. Vollkorn-Basmatireis, wenn man mich fragt, aber das ist natürlich Geschmackssache. Dann salzt man das Ganze vorsichtig und hitzt es weiter durch. Abgeschmeckt wird das Gericht mit Sojasauce und Sesamöl und am besten serviert man es mit einem gebratenen Ei. Wenn ich könnte, würde ich mir diesen Lauch-und-Ingwer-Reis jeden Tag machen. Doch wenn Liebe hier eine Rolle spielt, dann die Liebe zu einem wirklich sinnvollen, guten Rezept.

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