Best-of-seven: Unsere Eishockey-Woche
von Bernd Schwickerath und Christoph Fetzer
In der Kolumne “Best-of-seven” blicken wir jeden Freitag auf die Highlights der Eishockey-Woche.
Dieses Mal kommt die kurze Vorrede von mir, Christoph. Wie Ihr wahrscheinlich gemerkt habt, variiert die Länge der “Best-of-Seven” (oder wie Bernd gerne sagt: Bo7) je nachdem, wer sie verfasst. Wir machen uns natürlich Gedanken, welche Länge zu lang ist und welche Kürze zu kurz. Eine schnelle Umfrage in der bisslHockey-Fankurve hat ergeben, dass Euch das Format taugt und dass Ihr auch Verständnis dafür habt, dass Bernd ausführlicher schreibt als ich. Heute kommen die Bo7 (mag ich, die Abkürzung) eh von uns beiden. Wie jede Woche: Viel Spaß beim Lesen!
Wie coacht der Kaltenhauser?
Der Kaltenhauser Max, er schnüffelt am Riechsalz und gibt seinen Spielern nach Toren einen Fistbump. Dazu redet er in Interviews auch noch Bayrisch. Balsam für die Fanseele. “Einer von uns”, denken sich da EHClerinnen und EHCler. Natürlich ist es wichtig, sich nicht nur mit Spielern, sondern auch mit dem Trainer des Lieblingsclubs identifizieren zu können. Das geht bei so einem wie Kaltenhauser leicht. Aber unter dem Strich zählt auch für den neuen Coach des EHC RB München nur eines: Erfolg.
Gelungener Einstand als Headcoach: Max Kaltenhauser. © City-Press
Max Kaltenhauser, neben Alexander Sulzer einer von nur zwei deutschen Cheftrainern in der DEL und mit 43 Jahren dazu noch ein sehr junger, muss München wieder eine spielerische Identität geben. Irgendwas ist da seit der Meisterschaft 2023 verloren gegangen. Kaltenhauser muss es zurückholen.
In den vier Spielzeiten, nach denen die Münchner den Meisterpokal in die Luft stemmten, überzeugten sie vor allem durch eine Qualität: Sie dominierten die Gegner, zwangen ihnen ihr Spiel auf und schnürten sie mit erbarmungslosem Forecheck im eigenen Drittel ein.
Das München unter Toni Söderholm ließ sich zu oft dominieren, zuletzt besonders eindrucksvoll bei der Heimniederlage gegen die Eisbären Berlin. Der amtierende Meister zu Gast in der neuen Arena, da musst Du eigentlich die Muskeln spielen lassen. Zu sehen war aber eine Münchner Mannschaft, die outworkt wurde und zu Recht verlor.
Max Kaltenhauser bringt neue Ideen mit. Schon früh werden wir spezielle Set Plays beim Bully, Breakout-Variationen und andere Spielzüge sehen, die es vielleicht so zuvor in der DEL noch gar nicht gegeben hat. Aber das Wichtigste ist: München muss es wieder schaffen, Gegner erst niederzukämpfen und dann spielerisch zu dominieren. Ein 1,91 Meter großer Coach, der am Riechsalz schnüffelt und grimmig dreinblickt, strahlt genau das aus.
Niederberger tritt als DEB-Vize zurück
Andreas Niederberger im April nach dem Länderspiel zwischen Deutschland und der Slowakei in Kaufbeuren.
Im Frühjahr war Andreas Niederberger im Sportpodcast des Radiosenders „Antenne Düsseldorf“ zu Gast (Abre numa nova janela). Da erzählte er viel über sein Leben und die alten Zeiten an der Brehmstraße. Aber er sprach auch über seine (damals noch) aktuelle Aufgabe als Vizepräsident des Deutschen Eishockey-Bundes (DEB). Und als Sportbeauftragter hatte er viel vor. Zitat aus dem Podcast: „Wir haben den Plan, eine DEB-Akademie zu gründen, in der es einen eigenen Bereich für die Trainer und Schiedsrichter, vor allem die Schiedsrichter-Ausbildung geben soll. Aber auch die Ausbildung der Spieler wird da einen besonderen Fokus erhalten.“
Umsetzen wird er das nicht mehr. Denn diese Woche vermeldete der DEB, dass Niederberger zurückgetreten ist. Aus „persönlichen Gründen“, wie es heißt. Ihm sei der „Schritt nicht leichtgefallen“, wird Niederberger da zitiert und spricht von „großen Erfolgen im sportlichen Bereich wie die herausragende Silbermedaille 2023“ oder „wichtige strukturelle Projekte wie das DEB-Nachwuchscamp“. Der DEB sei „auf dem richtigen Weg, macht weiter so“.
Niederbeger gehörte zu denen, die Harold Kreis und Alexander Sulzer zur Nationalmannschaft holten. In seiner Zeit kam auch U18-Bundestrainer Patrick Reimer zum DEB. Warum der 61-Jährige nach nur knapp zweieinhalb Jahren wieder aufhört, ist nicht näher bekannt. In den nächsten Wochen werden wir vielleicht mehr wissen. Sein Nachfolger für den Rest der Amtszeit wird durch das Präsidium bestimmt.
Alle weiter – alle gegen Meister
Diese Woche ging die Gruppenphase der Champions Hockey League zu Ende. Wobei das längst keine Gruppen mehr sind. Was im Fußball derzeit als Revolution gefeiert wird, gibt es im Eishockey ja schon seit der Vorsaison: eine große Tabelle aller Teams. Und in der sieht es gut aus für die DEL-Vertreter. Zwar verloren die so genannten Fischtown Pinguins aus Bremerhaven und die Straubing Tigers ihre letzten Spiele, aber sie haben es wie die Eisbären Berlin dennoch unter die besten 16 Teams und damit in die K.o.-Phase geschafft.
Dort wird es aber schwer, alle drei treffen schon im Achtelfinale auf Landesmeister. Bremerhaven bekommt es mit dem aus Schweden (Skellefteå AIK) zu tun, Straubing mit dem aus der Schweiz (ZSC Lions), Berlin mit dem aus Großbritannien (Sheffield Steelers). Auf dem Papier haben es die Eisbären natürlich am einfachsten, aber aber auf dem Eis sind die Steelers so etwas wie die Geschichte der CHL-Saison. Siege gegen Växjö, Sparta Prag, Skellefteå und Pardubice, knappe Niederlagen gegen Fribourg-Gottéron und Zürich – das hatte so kaum jemand erwartet.
Großer Sport – leere Tribünen
Bleiben wir noch kurz bei der CHL und den Steelers. So überraschend die Ergebnisse waren, so erwartbar war, dass der Wettbewerb Sheffield ankommt. Nun haben die Steelers eine über Jahrzehnte gewachsene Fanszene, eine volle Halle ist also keine Seltenheit. Aber wir reden hier ja immer noch über die CHL, und da sind 7978 Fans im Schnitt beachtlich. Denn in anderen Hallen sieht es mal wieder mau aus.
Neu ist das Thema natürlich nicht. Wir haben schon häufiger darüber gesprochen, besser: Wir haben uns schon häufiger darüber aufgeregt, dass so viele Fans die CHL ignorieren. Und ja, wir haben auch die Gründe schon tausend Mal erzählt: Eishockey hat keine durchgängige Europapokal-Tradition wie andere Sportarten. In der CHL sind weder die besten Spieler noch die größten Klubs zu sehen. Es fehlt auch einfach ein europäisches Eishockeybewusstsein, kaum jemand in Deutschland interessiert sich für die finnische Liga, kaum jemand in Schweden für die Schweiz. Man schaut auf sich und auf die NHL. Aber in der mittlerweile zehnten CHL-Saison könnte das ja besser geworden sein. Und das ist es nur in Ansätzen. Gerade mal vier Klubs kommen dieses Jahr auf einen Schnitt jenseits der 5000.
Vergangene Saison schafften es neun aktuelle CHL-Teilnehmer unter die Top 20 in Europas Zuschauertabelle: Berlin (13.804), Prag (11.586), Zürich (11.244), Pardubice (9460), Fribourg-Gottéron (9047), Tappara (8494), Ilves (8126), Sheffield (7636) und Farjestad (7404). Aber bis auf Sheffield gibt es keinen Verein, der in der CHL auch nur ansatzweise an die Zahlen aus der heimischen Liga herankommt. Manche erreichen nicht mal ein Drittel: Zürich spielte im Schnitt vor 3317 Menschen, Berlin vor 3902 – aber die Eisbären spielen ja nicht mal in ihrer großen Arena. Selbst Straubing, wo man ja Euphorie erwarten durfte, hat nur 3517 im Schnitt – und damit fast 1500 weniger als in der DEL-Saison 2023/24.
Richtig düster sieht es bei Skellefteå, Genf und Lahti aus. Drei Teams aus großen Eishockeynationen, aber drei Teams, die in Europa fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit spielten. Skellefteå kommt auf 2029, Genf auf 1689, Lahti sogar nur auf 1337. Das ist mit peinlich noch nett umschrieben.
EA Sports orakelt sich durch die NHL-Saison
Schauen wir lieber in eine Liga, in der die Tribünen fast immer voll sind: in die NHL. Allerdings wollen wir nicht auf das schauen, was wirklich auf dem Eis passiert, sondern auf das, was uns ein Computer vorhersagt. Wie jedes Jahr hat EA Sports die Saison anhand seines Spiels „NHL 25“ durchsimuliert und die Ergebnisse veröffentlicht. Nun heißt das natürlich gar nichts, aber wie bereits letztens bei den Bestenlisten gilt: Die Qualitäten eines Spielers oder eines Teams sind im Rahmen der Möglichkeiten einer Simulation schon sehr genau. Spannend ist es also allemal. Und am Ende der Saison können wir uns ja noch immer darüber lustig machen, wie weit die Prognose danebenlag.
Beginnen wir mit den vier Gruppen. Die gehen laut NHL 25 wie folgt aus:
Pacific: Vancouver, Edmonton, Vegas, Seattle, San José, LA, Calgary, Anaheim
Central: Colorado, Dallas, Nashville, Utah, St. Louis, Chicago, Winnipeg, Minnesota
Metropolitan: Rangers, New Jersey, Carolina, Pittsburgh, Islanders, Washington, Philadelphia, Columbus
Atlantic: Toronto, Florida, Boston, Tampa, Buffallo, Ottawa, Detroit, Montreal
Weiter geht es mit den Play-offs:
1. Runde: Vancouver schlägt Seattle, Edmonton Vegas, Colorado Utah, Dallas Nashville. Im Osten besiegen die Rangers Pittsburgh, New Jersey Carolina, Toronto Tampa und Boston Florida.
Viertelfinale: Edmonton wirft Vancouver raus, Colorado Nashville, die Rangers New Jersey und Boston Tampa.
Halbfinale: Edmonton schlägt Nashville, die Rangers Boston.
Finale: Die Rangers schlagen Edmonton in sieben Spielen.
Und zum Abschluss noch die Awards:
Auston Matthews wird MVP, Igor Shesterkin Torwart des Jahres, Connor McDavid Topscorer, Cale Makar Topverteidiger und Macklin Celebrini Rookie des Jahres.
Der nächste Missbrauchsskandal?
Was wäre die Eishockey-Welt ohne Rick Westhead? Seit Jahren deckt der Reporter von TSN Skandale auf, berichtet über die ganz harten Themen wie den Missbrauch in Chicago oder den rund um das kanadische U20-Team. Diese Woche hat Westhead wieder etwas veröffentlicht. Deshalb soll hier zunächst eine Warnung kommen, dass die nächsten Zeilen von sexuellem Missbrauch handeln.
https://thehockeynews.com/ohl/latest-news/ctv-reports-eight-former-ohl-players-involved-in-sexual-assault-allegation (Abre numa nova janela)Laut Westhead soll sich eine Anfang des Jahres eine junge Frau bei der Polizei in Ontario gemeldet haben, weil sie 2014 von acht ehemaligen Juniorenspielern vergewaltigt worden sei. Die Polizei habe aber nicht angemessen reagiert, wie sie gegenüber Westhead einräumte. Die damals 22-Jährige sei etwa sechs Monate mit einem OHL-Spieler zusammen gewesen – einvernehmlich. Im November 2014 habe der sie dann zu sich eingeladen, dort seien aber insgesamt acht Spieler gewesen, die sie vergewaltigten. Etwa 90 Minuten soll das gedauert haben. Sie sei erstarrt und „so gut wie ohnmächtig geworden“, wird sie in dem Artikel zitiert.
Erst dieses Jahr habe sie den Vorfall ihrer Familie erzählt, nachdem sie die Pressekonferenz der Polizei von London in Ontario nach dem Missbrauchsskandal der kanadischen U20 sah. Warum sie vorher schwieg: „Ich habe mich einfach geschämt.“ Sie habe gedacht, „es sei meine Schuld. Ich dachte, ich wäre diejenige, die dafür verantwortlich ist, weil ich mich entschieden hatte, mit diesem Typen und einem Kumpel auszugehen.“
Erst vor ein paar Jahren wurde ihr klar, „dass es sexuelle Belästigung war, weil ich es so weit aus meinem Gedächtnis verdrängt hatte. Ich tat, was ich konnte, um es einfach zu vergessen, nicht daran zu denken, es wegzuwischen. Aber es staute sich einfach in meinem Hinterkopf an (...) Erst in den letzten Jahren hatte ich tatsächlich die Chance, es zu benennen und zu identifizieren und zu beginnen, es zu verstehen. Und das Schlimmste war, zu akzeptieren, was passiert ist.“
Hits der Woche: Crosby, Ovechkin und Malkin
Sidney Crosby, Alex Ovechkin und Evgeni Malkin, 20 Jahre zusammen in der Liga, Stanley Cups, Scoring-Titel, MVP- und Rocket-Richard-Trophäen in rauen Mengen. Die drei haben eine ganze Eishockey-Generation geprägt. Jetzt steuern sie auf die 40 zu, und lange werden wir sie wahrscheinlich nicht mehr in der Liga sehen. Es ist auch schwer vorstellbar, dass sie den Stanley Cup noch einmal in die Luft stemmen, denn so wie es aussieht, werden sie ihre Karrieren in Pittsburgh und Washington beenden. Das hat ja auch was.
Umso besonderer war die vergangene Woche. Denn die drei zukünftigen Hall of Famer erreichten nacheinander Meilensteine: Ovechkin mit seinem 700. Assist, Malkin mit seinem 500. Tor, Crosby mit seinen 1600. Punkt. Letztere Marke haben in der kompletten NHL-Geschichte nur zehn Spieler erreicht, die 500-Tore-Schallmauer haben bisher 48 Spieler durchbrochen und Ovechkins 700 Assists sind vielleicht als pure Zahl gar nicht so beeindruckend (das schafften in der NHL-Geschichte noch 59 weitere Spieler), aber in Kombination mit seinen Torjäger-Qualitäten ist der Russe da in einem sehr elitären Club. Mindestens 700 Tore und 700 Assists, dieses Kunststück schafften vor Ovechkin nur Wayne Gretzky, Gordie Howe, Jaromir Jagr, Marcel Dionne und Phil Esposito.
Spiel der Woche: Tampereen Derby
Aus der DEL hätten Berlin - Mannheim (aka “Bergmann-Gawanke-Hassgipfel”), Düsseldorf - Köln (aka “Bisher ein Rheinfall”) und München - Augsburg (aka “Westvorstadt kapert mondernsten Garten Europas”) gute Chancen.
Aber wir wollen ja auch in andere Ligen schauen. In Finnland geht am Freitagabend das Derby zwischen Tappara und Ilves über die Bühne, den beiden Topmannschaften aus Tampere. In der Champions Hockey League haben sich beide Teams mehr schlecht als recht geschlagen, Tappara rutschte als 16. gerade noch so in die K.o.-Runde, Ilves schied als 19. sogar aus. In der Liga sind beide aber gut unterwegs. Ilves ist Zweiter, Tappara Fünfter.
Trotzdem ist Ilves in diesem Derby natürlich Herausforderer. Tappara Tampere ist finnischer Rekordmeister und hat zuletzt dreimal in Serie den Titel gewonnen. Ilves war zwar lange die erfolgreichste Eishockeymannschaft Finnlands, der letzte von insgesamt 16 Meistertiteln ist aber fast 40 Jahre her. Wahrscheinlich muss Ilves auch immer noch die vergangene Saison verdauen. Da wurde man mit nur drei Punkten Rückstand auf Tappara Hauptrunden-Zweiter, schied dann aber schon im Viertelfinale aus.
Und jetzt: Ob Tampereen Derby, rheinisches Derby oder sonst ein Spiel. Geht’s raus, schaut’s Eishockey.