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An der vordersten Front der Entspannung

Wie ich lerne, Pausen zu machen

Ich bin auf eine Weltreise aufgebrochen in der tiefen Überzeugung, das Glück würde sich schon zeigen, wenn ich ihm nur energisch genug hinterherrenne. Und es stimmt, dass sich viele Dinge im Leben mit Beharrlichkeit erreichen lassen. Wenn ich aus dem Fenster schaue und mein Blick über die vergoldeten Pagoden schweift, über all die festlichen Bänder, die anlässlich eines der zahllosen Feiertage Thailands an Mauern und Zäune gebunden werden, wenn ich darüber den blau leuchtenden Himmel betrachte – dann kann ich die Entspannung fast greifen. Aber eben nur fast.

Wären da nicht die unabgearbeiteten Emails, der innere Drang, das Küchenregal mal so richtig aufzuräumen und das Gefühl, dass ein weiterer Tag mir wie feiner Sand durch die Hände gleitet.

Ich möchte mich entspannen. Das Leben genießen. Die Frage ist nur: wie. Und vor allem: wann?

Vertrocknete Kakteen

Dafür, dass ich mich in den letzten Jahren so viel mit Pausen, den eigenen Träumen folgen und Freiheit beschäftigt habe, macht mir der Gedanke, unproduktiv zu sein (und vielleicht sogar etwas zu tun, was mir nichts weiter gibt als Freude) Angst. Ich weiß, wie viel innere Ruhe es mir bringt, Pflanzen in meinem Steingarten umzusetzen. Praktisch trocknen die Kakteen, damals in weiser Voraussicht ausgewählt, weil ich mich und meine unregelmäßigen Gärtner-Rhythmen kenne, trotzdem vor sich hin. Denn häufig fange ich gar nicht erst an mit den entspannenden Dingen.

Gärtnern? Aber der Artikel ist nicht fertig, und wer kümmert sich eigentlich gleich ums Abendessen? Tagebuch schreiben, mitten am Tag? Gut, einerseits, dann bin ich abends weniger müde. Schlecht andererseits, weil in ein paar Minuten die nächste Lerneinheit mit Lola ansteht. Einfach mal malen, ziellos? Geschichten erfinden, nur für mich? In der Küche die wuselnden Ameisen beobachten, deren Hinterleiber sich vom vorhin verschütteten Drachenfruchtsaft langsam rosa verfärben? Wie soll ich mich entspannen, wenn scheinbar alles gleichzeitig passiert?

»Es scheint, als würden sie Eskapismus betreiben wollen«

Wenn ich dann doch einmal Pause mache, rattern die Gedanken. Für mich kommen die schönen, zwecklosen Dinge des Lebens, das Spiel meist mit einer Protestnote abgeheftet: Da wäre noch Arbeit zu erledigen!

Es ist, als würde ich mir eine magische Geschichte über ein Steinkönigreich ausdenken, in dem es gigantische Insekten gibt und Seelenstürme und dann würde sich Clippy, das Maskottchen von Word, melden (allerdings ohne Umwege über den Computer gleich in meinem Kopf): »Es scheint, als würden sie Eskapismus betreiben wollen. Ich kann Ihnen zeigen, wie Sie diesen Text in eine Geschäfts-Email umwandeln.« Meine Pause verwandelt sich unversehens in Arbeit.

Was ich sagen will: Es nützt mir wenig, dass ich über die letzten Jahre viel über die Theorie des Pause machens gelernt habe, solange mein über die Zeit abgerichtetes Gehirn meinem Körper vorgibt, dass er vor allem produktiv sein soll.

Sich gleichzeitig nicht entspannen können und sich darüber bewusst zu sein, dass man sich nicht entspannen kann, obwohl man theoretisch weiß, wie wichtig das jetzt wäre, ist ein extrem schmerzhafter, und wenig überraschenderweise überhaupt nicht entspannender Zustand. 

Keine Heftpflasterlösungen

Suche ich nach Tipps zur Entspannung im Internet, finde ich Yoga-Retreats, Miracle Mornings und Schreibroutinen. Was ich nicht finde, ist eine Anleitung zu innerer Ruhe. Das Internet ist voller Heftpflasterlösungen, die wir notdürftig auf unseren vollgestopften Alltag klatschen und stolz unter »me time« verbuchen können.

Statt weniger Stress finde ich Tipps und Tricks zur Produktivitätssteigerung.

Wir rechtfertigen unsere Self-Care mit Leistungsdenken. Besonders entspannend klingt das »7-Minuten-Workout, das locker noch zwischen Kind und Kegel Platz findet«, jedenfalls nicht. Ich will nicht noch mehr Dinge unterbringen müssen. Ich will doch eigentlich nur genug Ruhe, um meine Kakteen vor dem Vertrocknen zu retten.

Es gibt so viele Coaches für Produktivität, aber niemand hat mir bisher beigebracht, wie ich bewusst weniger tun kann.

Wenig tun ist nichts, womit ich mir auf Instagram oder bei meinen eigenen Eltern eine Auszeichnung verdiene. Faulpelze erhalten kein Lob. Das hat dazu geführt, dass ich versuche, mich so effektiv wie möglich zu erholen. 

Verbissen chillen

Das Problem ist nur: Je gestresster ich bin, je angestrengter ich versuche, meine Pausen durchzuziehen, umso weniger kommt die Entspannung an. Ich nehme die Welt nicht mehr wahr. Sie steht dem nächsten Schritt auf meinem Tagesplan im Weg. So geraten die goldenen Pagoden und festlichen Bänder in den Hintergrund und meine ewigen To-Do-Listen treten in das Spotlight auf der Bühne meiner Gedanken.

Von Erholungsstress zur Selbstliebe

Irgendwann, inmitten einer dieser pandämonischen »Erhole-dich-um-zu-arbeiten«-Zirkelübungen, dämmerte es mir: Ich habe kein Problem mit dem hunderttausendsten Produktivitätstipp oder gar mit Yoga-Retreats. Ich habe an der falschen Stelle angesetzt.

Statt meinen Stress zu reduzieren, habe ich ihm Freizeit- und Erholungsstress hinzugefügt.

Statt auf die Ursachen meiner rasenden Gedanken habe ich auf die schnellen Lösungen geschaut.

Was mich vom Pagodenschauen und dem Dahinträumen abhält, ist nicht die vergessene Morgenmeditation. Es ist meine endlos lange To-Do-Liste. Mein Anspruch, beruflich erfolgreich, als Vater und Partner involviert, fit, belesen und sozial zu sein, während ich optimalerweise eigentlich schon vor 10 Jahren meinen ersten Roman hätte veröffentlichen sollen – dieser Anspruch ist absurd hoch. Dieser Anspruch kann mit keiner Liste der Welt befriedigt werden.

Weniger ist mehr Lebensfreude

Mein Pause machen ist kein »Mehr«. Ich kann und muss nicht besser oder effizienter Pause machen. Ich darf nachsichtig mit mir sein. Stolz, auf alles, das mir bisher gelungen ist und mit sanfteren Erwartungen an alles, was die Zukunft bringt.

Denn ich glaube, dass das Glück in den ganz kleinen Momenten des Nichtstuns steckt.

Diese Augenblicke sind diejenigen, in denen ich mich und die Welt fühle. In denen ich mich über Sonnenlicht, knackende Äste und den Geruch nach dem Regen freue. Deshalb mache ich jetzt genau das: Anhalten und schauen, auch, wenn die Gedanken rattern. Innehalten und mich selbst umarmen. Sein.

Auch, wenn ich vielleicht nie einen Roman veröffentliche. Dafür lebe und liebe ich diesen Moment. Und sehe endlich das Glück, das ich so lange an verschiedenen Enden der Welt gesucht habe.

Olaf

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