Überdruss
Ich stehe mit beiden Beinen im Leben, sage ich mir, während ich durch einen Haufen an Schmutzwäsche warte. Es ist Sonntag, 11.03 Uhr und ich bin wach,seitdem es hell ist, glaube ich. Das Geschirr in der Spüle ignoriere ich seitdem gekonnt und schreibe stattdessen lieber Bewerbungen. Leider verliere ich dabei in letzter Zeit immer häufiger den Fokus darauf, was ich kann, was ich will, wofür ich mich langfristig einsetzen möchte, weil die Existenzangst sich in den letzten Wochen rasend schnell ausgebreitet hat und seitdem alles dampft und qualmt. Also, rein im übertragenen Sinne.
Mein Kühlschrank macht auch seit ein paar Tagen so ein Geräusch, als würde er den Geist aufgeben und ich liege manchmal nachts wach, halte die Luft an und denke mir: Wenn jetzt auch noch der scheiss Kühlschrank kaputt geht, wars das. Mit mir, mit meinem Leben, mit meinen Ersparnissen sowieso, denn ich besitze schlichtweg keine. "Du bist bisher immer durchgekommen" schreibt meine beste Freundin und an den schlechten Tagen, suche ich die Nachricht in unserem Whatsapp Verlauf um sie mir vor Augen zu halten und an guten Tagen weiss ich das selbst.
X. hat sich ein Klavier gemietet, hat er mir erzählt, es dürfe allerdings nicht zu groß sein, das war wichtig bei der Entscheidung. Ich habe diese Tat erst amüsierend gefunden und danach bewundert, weil "da legt sich jemand auf etwas fest" und dieses festlegen auf etwas ist mir irgendwie in den letzten Jahren abhanden gekommen. Vielleicht gar nicht das festlegen an sich, sondern eher der Mut dazu. Ja, doch. Mir fehlt es an Mut mittlerweile, ich denke oft an mein 20 jähriges Ich, das einfach ohne irgendwen zu kennen und ohne irgendeine Verbindung zu dieser Stadt zu haben, hergezogen ist und blieb. Ich frage mich, ob mein 20 jähriges Ich von meinem jetzigen Ich enttäuscht wäre und welchen Ratschlag es mir geben würde.
Vermutlich sowas wie "Einfach machen" oder um es realer und weniger poetisch auszudrücken: YOLO.
Ich bin mir sicher, dass sich viel Angst und diffuses Gefühl in Luft auflösen wird, wenn eine Richtung erkannbar wird. Wohin es gehen soll. Jetzt bloss nicht an "Der Weg ist das Ziel" denken, bitte - das will ich jetzt nicht hören.
Das Ziel ist das Ziel. Bis dahin versuche ich, jeden Morgen so zu nehmen wie er kommt und jeden Abend zu glätten, ohne mich an jeder Falte aufhängen zu wollen.