1923 - Mein fotografisches Jahresthema 2023
Zum ersten Mal in meinem künstlerischen Leben tauche ich tief hinab - 365 Tage lang
In meinem monatlichen Podcast "AKtuelle Camera" und dem dazugehörigen Newsletter erzähle ich unter anderem die Hintergründe zur Wahl meines künstlerischen Jahresthemas. Zu den einzelnen Fotoserien reiche ich Interpretierungshilfen, ich spreche über meine Arbeitsweise, Herangehensweisen, Materialien, Raumgestaltung und vor allem auch die Arbeit mit meinen Modellen, die ich Marmor nenne. Im Jahr 2023 arbeite ich digital und analog. Ein Konvolut an Kamera und Ideen schwirren im Atelier und meinem Kopf umher. Meine Lieblingskamera ist eine Großformatkamera aus der DDR, deren Markenname MENTOR ist. Sie benutze ich artfremd. Indem ich Fotopapier (manches 40 bis 60 Jahre alt) direkt in die Kassetten packe und direkt belichte. Aus der Dunkelkammer erzähle ich meine Geschichten, aber auch aus allen anderen Räumen, die ich künstlerisch und im Leben betrete. 1923. Ein Tanz auf dem Vulkan, heißt ein Buch, das zu diesem Jahr erschien. Ich nenne es einen persönlichen und politischen Ritt durch ein Jahr voller Ereignisse, die mir auch bekannt vorkommen 2023.
Am 1. Januar 2023, das Jahr war erst wenige Stunden alt, stand sie am Grab der Großmutter. Martha. Marta, die das „h“ einfach strich aus ihrem Leben. Marta. Deren Hochzeitskette sie an besonderen Tagen um den Hals hängte, um Omama nahe zu sein. Marta, die 1923-geborene. 100 Lebens-Jahre würde Marta 2023 feiern, wenn nicht der Tod dazwischen gekommen wäre in den frühen Stunden eines 1. Januars vor fast zwanzig Jahren. Damals wurde sie geweckt durch das Telefon, Silvesternacht-verkatert horchte sie erst den sanft verlustigten Worten des Onkels. Danach lag sie bewegungslos da und schrie. Mehrere Stunden dauerte dieser Zustand an, bis die guten Menschen aus ihrem Schutzraum sie beruhigen konnten. Damals breitete sich der Schmerz wie ein bleierner Schleier über sie aus und blieb ein paar Jahre. Sie kannte den Schmerz. Seitdem sie ein kleines Kind war. Aber dieser Schmerz war anders. Er schoss bis tief ins Mark. Eine Liebe starb. Vor ihren Augen. Eine Liebe, die vom ersten Tag ihrer Geburt liebte und liebte und liebte und sie beschützte. Eine Liebe, die andere starke und wichtige Lieben überlebte (denn ihr Vater war schon viele Jahre vorher dem Ruf des Todes gefolgt!) Eine Liebe, die es prägte, ihr System von Werten und Normen und die sie selbst lieben lehrte.