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Trump und Putin, seltene Erden in Venedig und andere Merkwürdigkeiten

Trump sitzt auf Putin und macht Anstalten, ihn zu küssen

Wir hatten gerade erst das Gaza-Riviera-Video (Opens in a new window) mit der goldenen Trump-Statue verdaut, dann wurden wir Zeugen, wie im Oval Office zwei Schlägertypen ihr Opfer in die Mangel nahmen (einer hielt fest, der andere schlug zu), angefeuert vom ganzen Schulhof. (Ja, das Video der Demütigung Selenskyjs (Opens in a new window) bis zum Ende anzuschauen, ist ein Gefühl, als würde einem jeder Zehennagel einzeln herausgezogen.)

War natürlich klar, dass Lega-Chef Matteo Salvini, unser Mann fürs Grobe, Trump sofort anfeuerte (Opens in a new window): “Das Ziel ist Frieden, Schluss mit dem Krieg, weiter so Donald Trump!”. Weil Meloni noch nicht weiß, auf wessen Schoß sie sich setzen will, auf Donalds oder auf den von Ursula von der Leyen, versucht Salvini die Lücke zu nutzen und sich als Ansprechpartner für Trump zu qualifizieren. Angesichts der von Trump angekündigten Zölle fanden die norditalienischen Unternehmer das nur so mittelgut, woraufhin Salvini allen Ernstes twitterte (Opens in a new window): “Wer Angst vor Trump hat, hat Angst vor der Zukunft. Wer glaubt, dass es in Washington einen Feind gibt, hat nichts verstanden. Auch die Zollpolitik kann eine Gelegenheit für zusätzliche Gewinne für die Unternehmen des italienischen Systems sein: Wir haben eine große Chance für Veränderungen.” Große Chance für Veränderungen bei 25 Prozent Zöllen?

Forza Italia Chef Tajani versuchte daraufhin, sich - etwas - abzugrenzen und rief dazu auf, die Ruhe zu bewahren. Gestärkt wurde er dabei von der heimlichen und damit eigentlichen Forza-Italia-Präsidentin Marina Berlusconi, die sagte (Opens in a new window): “Ich hoffe, dass Trump den Westen nicht zugrunde richtet, er führt sich auf wie eine Schlägertype” - ein Verdikt, dass dann natürlich auch für die Berlusconi-Fernsehsender gilt und für Salvini bedeutet, dass er vorerst nicht mehr in ihre Talkshows eingeladen wird. Talkshows, die in Italien (und nicht nur dort), maßgeblichen Einfluss auf die Wähler ausüben.

Und Meloni? Bis vor kurzem hat sie keine Gelegenheit ausgelassen, sich an der Seite von Selenskyj zu zeigen, jetzt aber wagt sie nicht mal mehr, seinen Namen auszusprechen, weil DER Donald es in den falschen Hals kriegen könnte. Folglich schwieg Meloni und verzichtete darauf, so wie die anderen europäischen Staatschefs (Orban natürlich ausgenommen), Selenskyi die Solidarität zu erklären. Als das Schweigen peinlich wurde, verkündete (Opens in a new window) sie watteweich, dass dringend ein Gipfel zwischen den USA und “europäischen Staaten” (wichtig hier: europäische Staaten, nicht EU, um den Trumputin-Freunden in Ungarn und der Slowakei beizuspringen) einberufen werden müsse, “um offen darüber zu sprechen, wie wir die großen Herausforderungen von heute angehen wollen” - womit sie also praktisch das Nichts erklärt hat.

Die Opposition ist natürlich auch zerstritten. Marco Travaglio, Chefredakteur des Fatto Quotidiano und Spin-doctor von Giuseppe Conte, dem “Präsidenten” der nunmehr (von Grillo bereinigten (Opens in a new window)) Fünfsterne-Partei, ist ganz auf der Linie Trump-Putin und erklärt mit der ihm eigenen Selbstgefälligkeit in seinem Kommentar (Opens in a new window), dass Selenskyj sein Image über die Interessen seines Landes gestellt und Trump herausgefordert habe. Trump habe Selenskyj unbequeme Wahrheiten “ins Gesicht gedrückt”.

Die - scheinbar wirre - Argumentationslinie der sogenannten “progressiven Linken” nachzuvollziehen (die für mich, ähnlich wie BSW, der extremen Rechten erstaunlich nahe kommen), habe ich bereits im November (Opens in a new window)versucht. Hier noch mal ganz langsam (auch für mich), wie sie ihre Haltung zur Ukraine begründen: Russland sei der Ukraine militärisch überlegen, folglich sei es irre, die Ukraine militärisch zu unterstützen (“für Kiew zu sterben?” in Anlehnung an den berühmten Ausspruch “Für Danzig sterben” (Opens in a new window)des Neosozialisten (Opens in a new window), Pazifisten - und späteren Vichy-Kollaborateurs Marcel Déat. Hier übrigens auch interessant: Die historische Parallele zwischen der Entwicklung einiger Linker, die eigentlich in der Wolle gefärbte Rechte sind). Unterstützung von Europa bedeute, damit rechnen zu müssen, in den Krieg zu ziehen und damit seine Söhne für den “Ruhm” von Selenskyj zu opfern.

Gemäß der Dogmen der progressiven Linken in Italien wäre der Ukraine-Krieg nie ausgebrochen, wenn nicht die USA darauf bestanden hätten, die Ukraine an der Flanke Russlands in eine Speerspitze der NATO zu verwandeln. Die Ukraine sei ein Land, das einen exzessiven Nationalismus betreibe, man hätte die Unabhängigkeitserklärung der Krim und der russischsprachigen Bevölkerung des Donbass ernst nehmen sollen, dann wäre der Krieg nach max zwei Wochen zu Ende gewesen.

Ich habe das hier so ausführlich beschrieben, weil es auch für mich nicht einfach ist, die Widersprüche der italienischen Politik auseinander zu halten. “Komplizierte italienische Politik” - ja, ein Pleonasmus.

Angesichts der Ambivalenz der italienischen Politik im Hinblick auf Russland und die USA fand ich auch interessant, was Greenpeace und die Investigativ-Sendung Report herausgefunden haben (Opens in a new window): Dass sich Italien zum Komplizen der russischen Schattenflotte (Opens in a new window) macht: Die italienischen Behörden wollen nie bemerkt haben, was zwölf Meilen vor der Küste von Syrakus geschah, wo die Öltanker der russischen Schattenflotte ihr sanktioniertes Rohöl auf formell „saubere“ Schiffen in internationale Gewässer zu verfrachten.

Anderswo in Europa wurde nicht tatenlos zugesehen. Als Griechenland im Mai 2024 feststellte, dass die russische Geisterflotte im Golf von Lakonikos, an der Grenze zu den nationalen Gewässern, stationiert war, gaben die Behörden eine Warnung vor militärischen Übungen heraus. Und die Phantomflotte löste sich auf und zog nach Italien.

Für mich ist das natürlich besonders interessant in dem von mir in “All’italiana!” (Opens in a new window)beschriebenen Zusammenhang mit der Petrochemieanlage von Syrakus: Italiens größtem Industriekomplex - wegen der auffällig hohen Krebsrate auch genannt das “Todesdreieck”.

Aber weil Karneval ist und wir in Italien sind, wo man es liebt, dramatische Situationen durch Lachen zu entschärfen, wurde die Weltpolitik nach Venedig heruntergebrochen und eine Verbindung zu unserem Bürgermeister gezogen, der schließlich, wenn es um Weltpolitik geht, nicht fehlen darf: Unter dem “Pili” genannten, bürgermeistereigenen Gelände, 41 Hektar am Rande der Lagune, um das sich gegenwärtig die Korruptionsermittlungen gegen den Bürgermeister drehen, (nachzulesen auch hier (Opens in a new window), hier (Opens in a new window) und hier (Opens in a new window)) befänden sich “seltene Erden”, weshalb Trump und Putin auch “i Pili” (Opens in a new window)besetzen wollten und Brugnaro jetzt gezwungen sei, ein Abkommen zu akzeptieren. Ansonsten würde Tarù, der Teil von Mogliano Veneto, wo sich Brugnaros Villa befindet, bombardiert.

Plakat: Unter dem Pili wurden seltene Erden gefunden

Der Karneval in Venedig sieht im Moment so aus:

Menschenmassen in Venedig anlässlich des KarnevalsMenschenmassen in Venedig anlässlich des Karnevals

Und weil da noch Platz war, hat die Region Veneto zusammen mit der italienischen Bahn beschlossen, am Samstag und Sonntag Sonderzüge nach Venedig einzusetzen (Opens in a new window), so dass sich noch zusätzliche 33 000 Touristen um die drei verbliebenen maskierten Karnevalisten scharen können.

Weitere Sonderzüge zum Karneval in Venedig 33 000 weitere Besucher

Bürgermeister Brugnaro hat ja kein Problem damit, ungerührt tiefgreifende Entscheidungen für Venedig zu treffen, obwohl gegen ihn wegen Korruption ermittelt wird. Als da wäre die Ernennung zum Intendanten und künstlerischen Leiter der Fenice, der Oper von Venedig. Brugnaro hat jetzt Nicola Colabianchi, den derzeitigen Intendanten des Teatro Lirico in Cagliari, zum Intendanten der Fenice ernannt. Ähem.

Nicola Colabianchi gilt als Favorit der Rechten und begann seine Karriere als künstlerischer Leiter des Teatro dell'Opera di Roma unter dem rechtsextremen, wegen Korruption und illegaler Parteienfinanzierung verurteilten römischen Bürgermeister Gianni Alemanno (Opens in a new window). In Cagliari wurde gegen Colabianchi wegen Unregelmäßigkeiten bei der Einstellung von Personal ermittelt, mit Anschuldigungen wegen Amtsmissbrauchs (Delikt wurde später gestrichen), Betrugs und Fälschung. Was hätte ihn also besser qualifizieren können für die Ernennung als Intendant seitens eines seinerseits der Korruption beschuldigten Bürgermeisters?

https://www.veneziatoday.it/attualita/colabianchi-reazioni-nomina-fenice.html?fbclid=IwY2xjawIupSFleHRuA2FlbQIxMQABHYbh2T7mpI_rt-dyPppBcMkqogechA0NGx7YWQR35J4yMANLLyvxyC6TVA_aem_ZVmTO0QL9Y5Y90_AdGi28A (Opens in a new window)

Das Wahlergebnis in Deutschland hat in Italien nicht wirklich überrascht und auch keine große Besorgnis ausgelöst. Die Rechten finden den Erfolg der AfD großartig, die Linken erklären sich erwartungsgemäß beunruhigt. Interessant fand ich die Reaktion von Donatella Di Cesare (Opens in a new window), sie ist Professorin für Philosophie an der Universität Sapienza in Rom und gehört seit Langem zu den engagiertesten Intellektuellen in Italien und Europa. Als erklärte Pazifistin warnt sie vor einem "bis an die Zähne bewaffneten Deutschland mit einer starken Neonazi-Partei": "Wurde Europa nicht dazu geboren, genau das zu verhindern?" (Opens in a new window)

Das erinnert mich an eine Situation in der venezianischen Post, als ich kurz nach der Wiedervereinigung einen Brief nach München schicken wollte. Als die Postbeamtin mich fragte: "Deutschland Ost oder West?" antworteten ich: "Süd" und fügte hinzu: “Ist ja jetzt eigentlich auch egal, ob Ost oder West.” Ich sagte das nicht mal aus politischen Gründen, sondern weil mir die Wiedervereinigung gerade kurz entfallen war. Die Postbeamtin blickte auf mich, als sei ihr Magda Goebbels erschienen. Und dann zischte sie so laut, dass es alle in der Schlange hinter mir hörten: “Glauben Sie bloß nicht, dass Sie jetzt Ihr Großdeutschland wieder zurückkriegen, nur weil die Mauer gefallen ist.”

Ich verstehe die Sorgen um ein Deutschland, das nach rechts gerückt ist, zumal sich Italien mit den Rechten in Regierungsverantwortung in einer noch heikleren Situation befindet. Vielleicht sollten die demokratischen Kräfte eher für ein vereintes Europa zusammenfinden, als sich gegenseitig zu bekritteln. Und: Wenn man in einem durch eine Mauer geteilten Land gelebt hat (und welche Verirrungen sie in den Köpfen angerichtet hat, kann man daran sehen, dass sich genau jetzt wieder eine Mauer gebildet hat, zwischen West- und Ostdeutschland), dem geht das Wort Frieden nicht so leicht über die Lippen wie auf der Festa dell'Unità.

Zur Zeit bearbeiten Christopher Weingart und ich unsere Audio-Aufnahmen für ein Feature über Venedig, das im April im Deutschlandfunk gesendet wird. Beim Durchhören der O-Töne hat es mich wieder berührt, wie sehr sich die Venezianer ihrer Stadt mit jeder Faser ihres Herzens verbunden fühlen: Wenn gestandenen Männern die Stimme versagt, sobald sie über den Ausverkauf ihrer Stadt reden, hätte ich fast angefangen zu heulen.

Canal Grande im Sonnenschein

Zum Schluss noch ein Tipp: Weil ich immer wieder um von mir signierte Exemplare von “All’italiana! Wie ich versuchte, Italienerin zu werden”, gebeten werde: Hier die Mailadresse von Literatur Moths in München: moths@li-mo.com (Opens in a new window). Sie verschicken von mir signierte Exemplare an Ihre Adresse.

Sie können aber auch bei meiner Lesung bei Literatur Moths vorbeikommen, sie findet am 15. Mai statt (Opens in a new window)!

Herzlichst grüßt Sie Petra Reski, die sich auch über die neuen Ehrenvenezianer freut! Bis jetzt unterstützen 197 Mitglieder Reskis Republik - ich denke: 200 wäre doch eine schöne runde Zahl, das könnten wir doch noch hinkriegen (Opens in a new window), oder?

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