Exklusiv: Gordon Herbert
Der Bundestrainer fand sich über die letzten Tage in einigen Schlagzeilen wieder. Tony Parker wollte Herbert zu ASVEL Villeurbanne in die EuroLeague holen, Herbert war sich mit dem Verein sogar einig. Der DBB wiederum wollte keine Doppelrolle für Herbert, der noch bis 2025 beim deutschen Verband unter Vertrag steht. Nach einigem Wirbel hat Herbert den Franzosen nun abgesagt, weil er die deutsche Nationalmannschaft auf keinen Fall verlassen wollte. Gute Sache: Es geht ja kommendes Jahr zu den Olympischen Spielen aka dem vermutlich größten Highlight auf dem Kalender eines internationalen Coaches.
Ich habe rund eine Woche vor diesen Berichten mit Herbert telefoniert.
Es ging dabei um andere Themen, in erster Linie um Dennis Schröder, über den ich ein Feature für ran.de (Opens in a new window) geschrieben habe, das ihr hier lesen könnt. (Opens in a new window) Darin geht es um Vertrauen, die Beziehungen zwischen Spielern und Coaches und Schröders neue Station in Toronto - auch Raptors-Experte Blake Murphy habe ich dazu befragt.
Mit Herbert gab es indes noch etwas mehr zu besprechen. Einen möglichen Zweitjob aus den genannten Gründen noch nicht, dafür unter anderem aber die Situationen der anderen deutschen NBA-Spieler, die Rückkehr ins normale Leben und natürlich DAS Foto. Das daraus resultierende Interview folgt genau ... nach diesem Hinweis. Wenn euch das Ganze hier gefällt, sagt es gern weiter und meldet euch hier für den Newsletter an, kostet auch nix:
Wie lange hat es für Sie gedauert, den Erfolg bei der WM zu verarbeiten und wieder im normalen Leben anzukommen?
Gordon Herbert: Ich bin wenige Tage nach dem Turnier erstmal richtig krank geworden. Das Adrenalin hatte es während des Turniers nicht zugelassen, dann fiel der Stress ab und das Immunsystem wurde verletzlich. So ging es mir auch schon im Jahr davor nach der EM, ein paar Tage lang ging nicht viel. Danach bin ich zuhause in meiner Routine angekommen. Ich mag es, Holz zu hacken, Mauern zu bauen, Landschaftsgestaltung zu betreiben. Dinge mit den eigenen Händen machen. Mein Alltag besteht momentan darin, morgens zwei, drei Stunden am Computer zu arbeiten, dann gehe ich für den Großteil des Tages raus und dann werden abends in der Regel noch Spiele geschaut.
Diese Balance hatten Sie während des Turniers sicherlich nicht.
Herbert: Nein, da ist man einfach im Tunnel, mental und emotional. Nach den Spielen ist immer noch viel Arbeit zu erledigen. Man schläft vielleicht mal drei Stunden in einer Nacht und dann geht es weiter. Während eines Turniers muss man immer bereit sein und sich um die nächsten Aufgaben kümmern, es ist ein sehr fordernder Zustand. Ich bin froh, dass ich es nicht allein machen musste, sondern einen tollen Staff an meiner Seite hatte.
Sie kennen ja sicherlich das Bild von Ihnen nach dem Finale, als Sie im Tunnel auf dem Boden saßen. Wissen Sie noch, was Ihnen da durch den Kopf ging?
Herbert: Ich erinnere mich an nichts. Ich hatte nach einem Stuhl gesucht, weil meine Beine sich wie Pudding anfühlten. Es war ein unglaublicher, überwältigender Moment. Ich habe so etwas noch nie erlebt, es wirkte nicht real. Mein Körper gab nach und ich habe mich einfach hingesetzt, mich sogar hingelegt. Ich habe keine Ahnung, warum. Meine Emotionen kamen einfach aus mir heraus. Ich musste mich sammeln.
Es war ja auch alles ziemlich unglaublich.
Herbert: Ja, und was mich fast noch mehr berührt hat, war der Zusammenhalt in der gesamten Gruppe. Es war eine tolle Mannschaft, ein toller Trainerstab, ein unglaubliches Gefüge, in dem jeder für den anderen gearbeitet und sich füreinander gefreut hat. Das ist der Traum jedes Trainers, einmal Teil von so etwas zu sein. Für mich hat das einen fast noch größeren Wert als die Goldmedaille.
Was erwarten Sie sich von Franz Wagner in Jahr drei?
Herbert: Ich habe gerade gesehen, dass er bei HoopsHype als der Breakout-Spieler für das kommende Jahr eingeschätzt wird. Er ist ein toller Spieler und noch ein besserer Typ. Ich nenne ihn den Silent Assassin. Er sagt nicht so viel, das erledigt sein Bruder für ihn. Franz lässt sein Spiel für sich sprechen. Er ist ultra-kompetitiv. Er hat eine unglaubliche Zukunft vor sich. Ich glaube, dass Franz eher früher als später ein All-Star sein wird und Orlando ins gelobte Land führen kann. Er hat diesen Charakter, diese Arbeitseinstellung, diese Mentalität. Er wird in wenigen Jahren ein Top-10-Spieler in der NBA werden.
Er wirkt für sein Alter so komplett, es gibt eigentlich ja nichts, was er nicht kann, auch wenn er in vielen Bereichen noch besser werden kann. Weiß er aus Ihrer Sicht selbst, wie gut er ist bzw. sein kann?
Herbert: Ich glaube nicht, dass er schon realisiert, wie gut er sein kann. Er ist ja auch ein sehr geerdeter Typ. Sein Bruder weiß es glaube ich schon. (lacht) Vielleicht will Franz es aber auch nur nicht zeigen, weil er so ein normaler Typ ist. Wenn man eine Tochter hat, möchte man, dass jemand wie Franz sie datet. Sein Bruder ist ganz anders. Als er sich vor der EM verletzt hat, habe ich mir wirklich Sorgen gemacht. Moritz ist ein Spieler für die Intangibles, jemand, der andere mitreißt und viele kleine Dinge macht, die nicht im Boxscore auftauchen. Eine tolle Präsenz im Locker Room. Es freut mich auch für ihn sehr, dass er einen neuen Vertrag in Orlando bekommen hat und seine Karriere dort fortsetzen kann.
Daniel Theis hat ein schwieriges NBA-Jahr hinter sich, war bei der WM allerdings in bärenstarker Verfassung. Wird ihm das auch in der neuen Saison helfen?
Herbert: Man muss Daniel Respekt zollen. Er hat letztes Jahr nicht viel gespielt, war verletzt. Er hat mir rund zwei Monate vor dem Start des Training Camps geschrieben und gesagt, dass er in diesem Jahr viel besser sein wird als im letzten Jahr. Er kam in überragender Form zum Camp, war fast 10 Kilo leichter, spritzig. Er war einer unserer Anführer und während des Turniers wahrscheinlich der beste Spieler, über den kaum gesprochen wurde. Er war bemerkenswert als Ringbeschützer, machte offensiv seinen Job, war von Anfang an voll involviert. Ich glaube, dass ihm das auch in der NBA helfen wird. Ich bin mir nicht sicher, was der Plan in Indiana ist. Ich hatte schon gehofft, dass Toronto sich ihn holt, weil er so gut mit Dennis harmoniert. Ich hoffe einfach, dass er eine gute Situation für sich findet. Er hat definitiv noch einige richtig gute Jahre übrig. Ich bin optimistisch, dass er bald wieder für ein Playoff-Team spielen wird. Hoffen wir es mal.
Wie sieht Ihr Alltag aus, bis das nächste große Event im kommenden Sommer ansteht?
[wie gesagt: Hier war das Interesse von ASVEL noch kein Thema!]
Herbert: Ich bin gerade noch in der Heimat, werde aber demnächst wieder nach Deutschland kommen und einige Monate in Hagen beim Verband sein. Abgesehen davon werde ich über das Jahr meine Spieler und Stabmitglieder besuchen und mit allen ein bisschen Zeit Face-to-Face verbringen, um die Beziehungen aufrechtzuerhalten. Außerdem werde ich ein paar Coaches besuchen. Ich war jetzt in Toronto, hoffentlich kann ich auch noch Ettore Messina, Sergio Scariolo und einige andere für eine Weile besuchen. Es geht für mich über das Jahr auch darum, mich selbst weiterzuentwickeln. Ich kann auch noch lernen, Dinge verändern, als Coach besser werden. Das ist mein Plan für das Jahr. Als Coach muss man immer in der Lage sein, sich neu zu erfinden und seine Philosophie anzupassen.
THE PLUG
Im neuen Korbjäger Podcast geht's um letzte Fragen vor dem Saisonstart, die Vertragsverlängerungen einiger Drittjahresprofis und natürlich die ärgerliche Verletzung von Steven Adams sowie ihre Auswirkungen auf die Grizzlies-Saison ...
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