Naturschutz-Legenden: Gert Oetken (Wattenmeer)
(27. November 1932 bis 22. September 2016)
Es gibt Zusammenkünfte, danach ist die Welt nicht mehr das, was sie vorher war.
Im Jahr 1962 war Reinhardt Schönfeldt auf Pellworm, um die dortige Vogelwelt zu untersuchen. Bei ihm waren ein paar junge naturbegeisterte Leute. Und diese Zusammenkunft hatte es in sich.
Einige dieser Jugendlichen sollten jeder auf seine Art zu Legenden und Pionieren des Naturschutzes in Norddeutschland werden. Dabei waren unter anderem Gert Oetken, Uwe Dulz und Günther Helm.
Die dort Versammelten beobachteten nicht nur die Natur, sie diskutierten auch sehr viel und kamen zu dem richtigen Schluss, dass der Schutz der einzigartigen Natur des Wattenmeeres nicht dem Zufall überlassen werden darf. So entschlossen sie sich dazu eine Organisation zu gründen und am 4. November 1962 war es so weit: Die „Arbeitsgemeinschaft Schutzstation Wattenmeer“ war ins Leben gerufen. 1963 wurde die Arbeitsgemeinschaft ein eingetragener Verein und zur „Naturschutzgesellschaft Schutzstation Wattenmeer“ umbenannt und Gert Oetken wurde der erste Vorsitzende.
Gert Oetken war schon sehr früh begeistert für die Natur und den Naturschutz. Ende der 1950er Jahre war er bereits für zwei Jahre Vorsitzender des Deutschen Jugendbunds für Naturbeobachtung.
Als Vorsitzender von „Schutzstation Wattenmeer“ entwickelte er mit seinen Freunden eine Vision wie das Wattenmeer am effektivsten zu schützen sei. Wichtiger Bestandteil war dabei, dass zum einen das Wattenmeer einen großräumigen offiziellen Schutzstatus bekam und auf der anderen Seite sollte die Bevölkerung und vor allem die Jugend über die besondere und empfindliche Natur des Wattenmeers aufgeklärt werden. Ein ganz wichtiger Bestandteil war dabei das unmittelbare Naturerleben.
Im darauffolgenden Jahr schlugen die jungen Vereinsgründer dann schon den ersten dicken Pflock ein und veröffentlichten die Schrift „Großreservat Halligmeer“ mit der sie die Ausweisung eines größeren Schutzgebietes forderten, das an Größe weit über alle bisherigen Naturschutzgebiete in Deutschland hinausgehen sollte. Dies war der erste Anstoß einer Entwicklung, die dann letztendlich zu den drei Nationalparken im Wattenmeer führen sollte. Es war allerdings nicht so, dass der Prozess ein leichter Gang war, sondern er war von erheblichen Widerständen begleitet.
1965 erfolgte der nächste große zukunftsweisende Schritt. Auf Hallig Hooge wird ein erstes kleines Info-Zentrum errichtet. Danach sollten viele weitere folgen. Heute hat der Verein zwanzig Info-Zentren und Seminarhäuser entlang der ganzen Nordseeküste.
Dass sich junge Leute für den Naturschutz in dem Verein engagieren sollten, war für Oetken immer sehr wichtig. So erreichte er, dass Zivildienstleistende bei dem Verein ihren Dienst absolvieren konnten – als allererste im Naturschutz - und heute hat der Verein in der Regel über 100 Freiwilligendienstleistende in allen Häusern im Einsatz.
Erwähnt sei hier, dass Gert Oetken eigentlich Zahnarzt war und er den Verein ehrenamtlich leitete – dies wäre allerdings ohne die tatkräftige Unterstützung seiner Frau Ursula nicht möglich gewesen. Zuerst war sein zweites Wartezimmer in der Zahnarztpraxis die offizielle Geschäftsstelle des Vereins. Es konnte da auch wohl mal passieren, dass sich für Patienten die Behandlung ihrer Zahnschmerzen etwas herauszögerte, weil Gert Oetken noch ein wichtiges Telefongespräch für die Schutzstation führen musste. Die Hauptarbeit im Verein machten im Laufe der Zeit dann aber zunehmend vor allem die inzwischen fest angestellten Mitarbeitenden des Vereins.
Im Jahr 2009 gab er nach fast fünfzig sehr erfolgreichen Jahren den Vorsitz der Schutzstation Wattenmeer auf. Er ist trotz dieses herausragenden Engagements nie wirklich einer größeren Öffentlichkeit bekannt geworden, denn ihm war die Sache stets wichtiger als seine eigene Person.
1999 hatte er bereits für seine Arbeit das Bundesverdienstkreuz erhalten. 2009 erhielt er den Deutschen Bürgerpreis und rückblickend auf die ersten Anfangsjahre sagte Oetken da: „Die Zeit war noch nicht reif für solch revolutionäre Ideen."
Revolutionäre Ideen braucht der Naturschutz indes heute noch. Und man sollte sich daran erinnern, dass viele Naturschützer, die im hohen Alter hochgeschätzt und mit Auszeichnungen überhäuft wurden, in ihrer Jugend von ihren Mitmenschen als Spinner, Revolutionäre und Querköpfe angesehen worden sind.