MCP Der Literatur-Newsletter #7 im Februar 2022
Liebe Leser*innen,
wir alle sind erschüttert von den aktuellen Ereignissen. Ohnehin zutiefst aufgewühlt durch das, was wir in den letzten Jahren pandemiebedingt aushalten mussten und noch immer müssen, trifft uns nun die absolute Unfassbarkeit des Angriffs Putins auf die Ukraine. Ich habe mich in den letzten Stunden mehrmals gefragt, ob ich jetzt überhaupt diesen Newsletter verfassen sollte. Wer braucht den denn jetzt? Aber auf Instagram habe ich auf verschiedenen Kanälen gesehen, wie Literaturempfehlungen aus der Ukraine zusammengestellt wurden, wie Übersetzungen aus dem Ukrainischen gesammelt und empfohlen wurden und ich habe mal wieder diesen Halt gefühlt, den uns die Literatur geben kann. Ich will mich kurz fassen, aber ich möchte euch gern kurz ein paar Notizen zu meinem Bücherfebruar schicken, auch wenn meine Gedanken bei den Menschen in der Ukraine und auf der Flucht von dort sind – und auch bei den Menschen in Russland, die gegen diesen Krieg protestieren.
Worüber wir jetzt sprechen müssen
Diese Bücher stehen auf meiner Leseliste jetzt ganz oben:
Tanja Maljartschuk erzählt in „Von Hasen und anderen Europäern“ (Opens in a new window) Geschichten aus Kiew. Claudia Dathe hat sie aus dem Ukrainischen für die edition.fotoTAPETA übersetzt. Dieser unabhängige Verlag ist ohnehin eine große Empfehlung, wenn ihr auf der Suche nach besonderer Literatur aus dem Osten Europas seid.
Ebenfalls in der Übersetzung von Claudia Dathe sind „Glückliche Fälle“ (Opens in a new window) von Yevgenia Belorusets erschienen. Der Roman bei Matthes & Seitz Berlin hatte es 2020 bis auf die Shortlist des Internationalen Literaturpreises vom HKW geschafft.
Serhij Zhadan erzählt in „Internat“ (Opens in a new window) vom Krieg im Donbass. Der Roman wurde von Juri Durkot und Sabine Stöhr für Suhrkamp übersetzt.
In diesen Tagen fällt es uns selbst schwer genug, die Welt zu verstehen. Wie können wir da fragenden Kindern begegnen, wie gemeinsam nach Erklärungen suchen für Worte wie Krieg oder Flucht?
„Wie ist es, wenn es Krieg gibt?“ (Opens in a new window) von Louise Spilsbury, mit Illustrationen von Hanane Kai, übersetzt für den Thienemann Verlag von Jonas Bedford-Strohm hilft bei einem ersten Versuch, Antworten zu finden auf all die drängenden und auf die stummen Fragen zur Situation – empfohlen für das Lesen mit Kindern ab fünf.
Bei Klett Kinderbuch, einem Verlag, den ich ohnehin sehr liebe, weil er mutig besonders viele unbequeme, aber wichtige Themen angeht, ist gerade ein Buch erschienen, das sich mit den Folgen von Krieg beschäftigt. Die Fotografin Alea Horst hat als Nothelferin im Geflüchtetenlager Kara Tepe auf Lesbos gearbeitet und dort mit Kindern über ihre Sorgen und Träume gesprochen. „Manchmal male ich ein Haus für uns“ (Opens in a new window) ist die daraus entstandene Sammlung von Fotos und Berichten, geeignet für das gemeinsame Lesen mit Kindern ab acht Jahren, begeitend illustriert von Mehrdad Zaeri.
Mit dem Rest fasse ich mich für dieses Mal versprochenerweise kurz.
Im Februar sind zwei dicke Wälzer von über 800 Seiten erschienen, die ich euch sehr empfehlen möchte:
Mariana Enriquez hat mich mit „Unser Teil der Nacht“ (Opens in a new window) in den faszinierenden Strudel einer okkulten Familiensaga gezogen, die gleichsam die gewaltvolle Geschichte Argentiniens erzählt. Ein Buch, das sich in kein Genrekorsett pressen lässt, das herausfordert und trotzdem wunderbar soghaft zu lesen ist. Aus dem argentinischen Spanisch haben es Inka Marter und Silke Kleemann für den Tropen Verlag übersetzt.
Meine deutschsprachige Lieblingsautorin, ja das kann ich tatsächlich so sagen, Nino Haratischwili hat ihren neuen Roman in der Frankfurter Verlagsanstalt veröffentlicht: „Das mangelnde Licht“ (Opens in a new window) ist ein neuer Beweis für ihr grandioses Talent als Geschichtenerzählerin. Lest es!
Drei weitere Romane für alle, die schmalere Bücher mit besonderem Gewicht suchen:
„Dschinns“ (Opens in a new window) von Fatma Aydemir bei Hanser gehört für mich jetzt schon zu einem der absoluten Highlights, nicht nur dieses Frühlings sondern des ganzen Jahres.
Der von Jackie Thomae übersetzte Roman „Zusammenkunft“ von Natasha Brown bei Suhrkamp schildert knapp und intensiv Machtstrukturen und Rassismus in der sogenannten Upper-Class Londons.
„Ein simpler Eingriff“ (Opens in a new window) von Yael Inokai bei Hanser Berlin ist ebenfalls ein Roman, in dem jeder Satz genau gefeilt seinen Platz gefunden hat. Ich habe in der Februarausgabe unseres blauschwarzberlin Podcasts Letzte Lektüren #37 (Opens in a new window) ausführlich darüber und auch über den Roman von Mariana Enriquez gesprochen.
Diese drei Taschenbücher sind im vergangenen Monat erschienen und wenn ihr sie noch nicht kennt, ist das nun eine perfekte Gelegenheit, dies zu ändern:
Katerina Poladjan „Hier sind Löwen“ (Opens in a new window) bei S. Fischer.
„Ruthchen schläft“ (Opens in a new window) von Kerstin Campbell bei Kampa.
Und der Essayband „Betrachtungen einer Barbarin“ (Opens in a new window) von Asal Dardan.
Die Vorfreude auf den März:
Am 26. März ist Indiebookday (Opens in a new window)! An diesem Tag feiern wir das unabhängige Verlegen und zeigen es der ganzen Welt mit dem Hashtag #Indiebookday
Und ich freue mich auf diese Bücher, die in den kommenden vier Wochen erscheinen werden:
„Zuunterst immer Wolle“ (Opens in a new window) von Helga Flatland, übersetzt von Elke Ranzinger für den Weidle Verlag.
„Die Arbeit der Vögel“ (Opens in a new window) von Marica Bodrožić bei Luchterhand.
Und natürlich „Die Wut, die bleibt“ (Opens in a new window) von Mareike Fallwickl im Rowohlt Verlag.
Im März freue ich mich außerdem auf diese Termine:
Am 1. März treffe ich mich um 20 Uhr mit der Übersetzerin Ursel Allenstein im Instagram-Livestream (Opens in a new window) und spreche mit ihr erneut über ihre Übersetzung von Tove Ditlevsen. Diesmal geht es um den gerade bei Aufbau erschienenen Roman „Gesichter“ (Opens in a new window) und ich freue mich sehr, dass das #tovelesen immer weiter geht.
Nachdem ich schon die Premiere ihres Debüts „Die Hochhausspringerin“ moderieren durfte, freue ich mich ganz besonders darauf, Julia von Lucadou auch zu begleiten, wenn am 15. März um 20 Uhr ihr neuer Roman „Tick Tack“ (Opens in a new window), der bei Hanser Berlin erscheint, im Literaturforum im Brecht-Haus (Opens in a new window) Premiere feiert.
Und am Abend des 31. März werde ich endlich wieder mit Daniel Schreiber über sein neues Buch „Allein“ sprechen, wenn er im Rahmen des Salonfestivals (Opens in a new window) im SO/ Berlin Das Stue zu einer Lesung eingeladen ist. Ich freue mich schon sehr darauf.
Liebe Leser*innen, kommt gut durch den März. Ich hoffe, dass wir uns in einem Monat unter leichter gewordenen Weltumständen wieder lesen werden. Möge es Frieden werden!
Maria