Hurra! Ach, nee ... Doch nicht.
(CN: Ironie) Das Selbstbestimmungsgesetz kommt! Also ... bald. Ganz bestimmt! Bissi Geduld noch, okay? Im April 2022 haben Lena und ich unsere Sendung "Trans sein und Feminismus" (Opens in a new window) gemacht und da war das neue Selbstbestimmungsgesetz in greifbarer Nähe. Ein Jahr später ist es immer noch nicht da. Was ist da los?
Dabei hätte das Selbstbestimmungsgesetz Ende 2022 in Kraft treten sollen. Im Juni hatte die Ampelkoalition das Eckpunktepapier vorgestellt. Und dann kam: nichts mehr. Wegen ungeklärter Fachfragen (Opens in a new window).
Kommen wir zunächst zum Hurra-Teil, den guten Nachrichten: Die Fachfragen sind geklärt und die beiden federführenden Minister*innen Lisa Paus (Grüne) und Marco Buschmann (FDP) sich einig. Und da hören die guten Nachrichten auch schon wieder auf: Ja, künftig soll die Selbstauskunft beim Standesamt reichen, um den Personenstand zu ändern. Aber: Es soll nun auch eine dreimonatige Bedenkzeit geben. In dieser Zeit soll der Antrag problemlos zurückgezogen werden können. Und erst wenn die drei Monate um sind, tritt die Änderung des Personenstandes tatsächlich in Kraft. Ganz so, als hätten trans Menschen nicht ohnehin einen jahrelangen Prozess hinter sich, aber gut. Eine erneute Änderung soll dann erst nach einem Jahr möglich sein. (Bellatrix von Storch gefällt das.)
Schlüppikontrolle am Einlass?
Außerdem wurde der Gesetzentwurf um einen Passus erweitert. Es geht darin um die Präsenz von trans Frauen in "geschützten Frauenräumen". Schon im Januar hatte Justizminister Buschmann das in einem Interview mit der Zeit (Opens in a new window) so erklärt:
"Aber die Betreiberin einer Frauensauna soll auch künftig sagen können: Ich will hier dem Schutz der Intimsphäre meiner Kundinnen Rechnung tragen und knüpfe daher an die äußere Erscheinung eines Menschen an. Die Betreiber dürfen dann beispielsweise nicht dem Risiko einer Klage nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz ausgesetzt sein."
Ich übersetze das mal kurz: Betreiber*innen von Saunen (um bei dem Beispiel zu bleiben) dürfen dann also straffrei gegen das AGG verstoßen und auf der Basis der äußeren Erscheinung Menschen abweisen, die sie (sic!) als transgeschlechtlich identifizieren. Moment mal, das ist doch irgendwie ... diskriminierend? Jap, genau.
Schon rein praktisch hätte ich da eine ganze Batterie von Fragen: Demnächst also Schlüppikontrolle am Einlass? Zugang nur für Menschen nach geschlechtsangleichenden OPs? (Friendly reminder: Nicht alle trans Menschen wünschen das.) Was ist mit cis Frauen nach einer Mastektomie, beispielsweise nach einer Brustkrebserkrankung? Was ist mit trans Männern mit weiblich gelesenen Körpern? (Die wären nach der Logik doch ok im "geschützten Frauenraum", oder?) Und was, wenn mensch gar nicht geoutet ist und das auch nicht gerade vor der Umkleide eines Schwimmbads oder einer Sauna tun will?
Und: Ich weiß ja nicht, wie ihr euch in der Sauna verhaltet, aber ich mache meistens die Augen zu, senke den Blick diskret zu Boden oder starre gedankenverloren in den Nebel - jedenfalls nicht auf die primären Intimorgane anderer Besucher*innen. Solange sich alle benehmen, sind mir die nämlich ziemlich wurscht.
Und jetzt?
Die Ressortabstimmungen über den Gesetzentwurf sollen laut Familienministerin Lisa Paus "noch vor Ostern" stattfinden. Danach wolle man zügig in die Verbändeanhörung gehen, heißt es. Und dann ist der Bundestag am Drücker und muss über das Gesetz beraten und es beschließen. Kurz: Wann das geplante Selbstbestimmungsgesetz nun wirklich kommt, weiß immer noch niemand.
Wow, einfach wow. Da arbeitet ein Minister federführend an einem Gesetz mit, das trans Menschen endlich jene Würde und Freiheit geben soll, die ihnen qua Existenz so wie allen Menschen zusteht - und dann hat er einfach keine Ahnung, was er da sagt und wem er da nach dem Mund redet. Ich mag die nicht totzukriegenden Schreckgespenster transexkludierender Radikalfeministinnen hier gar nicht wiederholen. Nur so viel, zum Mitschreiben: Trans Frauen sind Frauen. Geschlecht ist komplex und eben nicht an der äußeren Erscheinung ablesbar. Auch ein Jahr später ist Lena und meine Folge (Opens in a new window) also mehr als aktuell. Wenn ihr Bock habt, teilt sie doch nochmal. Scheint ja immer noch nötig zu sein.
Seufzende Grüße,
Laura
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Bild: Raphael Renter, Unsplash