*Bonus* 319 - Sich selbst kennenlernen über lange Zeiträume
Focusing handelt für mich darum, sich selbst besser kennenzulernen. Nicht nur flüchtigen Gefühlen und Gedanken anzuhängen (oder diese zu versuchen, "richtig" zu "machen"), sondern über lange, lange Zeiträume die wichtigen, formenden Muster, Themen, Werte, Ziele des eigenen Lebens zu durchdringen; bei sich sein zu dürfen in allen Höhen ud Tiefen; und ein Verständnis zu bekommen für die eigene Verletzlichkeit und Unzulänglichkeit, das eigene Menschsein.
Und nicht nur das, sondern auch das Potenzial, die Offenheit und Unabhängigkeit zu bemerken, die dieser Mensch, der ich geworden bin, in Zukunft haben könnte.
Für mich ist dieses Kennenlernen über lange Zeiträume ein ständiges Wundern darüber, wie etwas in mir lebt, wie es in mir ankommt oder sitzt, wie es sich mir zeigt, wie es ausgesprochen werden möchte, wodurch es getriggert wird - und vor allem, wie es weitergehen möchte.
Dieses Erleben ist nicht nur "im Moment", es ist nicht nur der nächste Aufreger - ganz im Gegenteil.
Irgendwann, mit genug Übung, einfach bei mir zu sein, beinhaltet es die Erkenntnis, wie ich mein Leben über die Zeit gestaltet habe, welche Ziele ich über die Zeit verfolgt habe, oft genug, ohne mir bewusst darüber zu sein; zu bemerken, was wirklich und fundamental wichtig war und ist in diesem einen Leben.
Weil Focusing eben nicht nur eine Modeerscheinung oder eine lösungsorientierte "Therapie" ist, kann ich über lange Zeiträume ein tiefes, einfaches und liebevolles Verständnis mir selbst gegenüber bekommen - nicht ohne diese Tiefe des Zuhörens auch mehr und mehr mit anderen Menschen zu erleben und zu teilen. Ich bin dankbar für diese innere Verbindung, die über so lange Zeit gewachsen ist, und darüber, wie langsam und zart und unscheinbar (und doch so lebensverändernd) diese Entwicklung in der Regel ist.